LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3918 02.09.2013 Datum des Originals: 02.09.2013/Ausgegeben: 05.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1491 vom 25. Juli 2013 der Abgeordneten Kai Abruszat, Yvonne Gebauer und Marcel Hafke FDP Drucksache 16/3696 Entfällt für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf bei einer Rückstellung vom Schulbesuch die Möglichkeit der Förderung in einer heilpädagogischen Kindertagesstätte ? Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 1491 mit Schreiben vom 2. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Gerade für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf ist eine frühzeitige und durchgängige Förderung von hoher Bedeutung. Offenbar gibt es aber Eltern, die um eine solche Förderung für ihre Kinder kämpfen müssen. Häufig besuchen Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine integrative Kindertageseinrichtung und können erfolgreich gefördert werden. Die bedarfsgerechte Förderung von Kindern mit Behinderung erfolgt als kombinierte Maßnahme der Eingliederungs- sowie der Kinder- und Jugendhilfe und wird von den Landschaftsverbänden koordiniert. Werden dann Kinder schulpflichtig, beginnen offenbar bürokratische Hürden. Nach der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs folgt hieraus oftmals der Besuch einer Förderschule. Stellt jedoch die Schulleitung zum Beispiel auf Antrag der Eltern und auf Basis des schulärztlichen Gutachtens ein Kind vom Schulbesuch zurück, welches aufgrund seines Alters eigentlich schulpflichtig ist, stellt sich die Frage, welche Fördermöglichkeiten existieren und wie es um die Kostentragungspflicht bestellt ist. In der Regel liegt einer solchen Rückstellung vom Schulbesuch die Annahme zugrunde, dass ein Kind nach einem weiteren Jahr Entwicklungsschritte erreicht, die dann zukünftig eine erleichterte Teilnahme am Unterricht ermöglichen. Da die betroffenen Kinder tatsächlich das schulpflichtige Alter erreicht haben, muss diese Entscheidung selbstverständlich abgewogen erfolgen. Von Seiten eines Fragestellers kann an dieser Stelle keine Einschätzung vorgenommen werden, inwieweit zum Beispiel eine Rückstellung jeweils sinnvoll sein kann. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3918 2 Es drängt sich jedoch die Frage auf, wie Kinder gefördert werden, wenn eine Rückstellung nach Entscheidung einer Schulleitung beschlossen wurde. Als Folge von Rückstellungen stellen Eltern von betroffenen Kindern offenbar auch Anträge zur weiteren Kostenübernahme für den Besuch der bisherigen integrativen Kindertagesstätte bis zur Einschulung. Der Besuch eines Regelkindergartens ist aufgrund des notwendigen Betreuungsaufwands vielfach nicht möglich. Offensichtlich gibt es auch eine Fallkonstellation , wonach ein Landschaftsverband den Antrag auf Kostenübernahme ablehnt. Es wird sich hierbei auf die bestehenden Zuständigkeiten aufgrund der Regelungen im SGB XII berufen, die sich lediglich auf Kinder beziehe, die noch nicht eingeschult seien. Darüber hinaus wird auf bestehende schulische Förderstrukturen sowie auf die schulrechtlichen Regelungen zur Schulpflicht sowie auf die Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke verwiesen. Es bestünde schulrechtlich einzig aus erheblichen gesundheitlichen Gründen eine Rückstellungsmöglichkeit. Letztlich würde dies bedeuten , dass ein entsprechendes Kind bis zur tatsächlichen Einschulung ohne die entsprechende strukturgetragene Förderung zu Hause verbringen müsste. Grundsätzlich ist z.B. im SGB VIII § 24 das Recht auf die Förderung in Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege „bis zum Schuleintritt“ festgelegt. In entsprechenden Rechtskommentaren wird hierzu ausgeführt, dass der Anspruch mit dem Eintritt in die Schule ende. Demnach sei nicht die „abstrakte Schulreife“, sondern der konkrete Zeitpunkt, in dem das Kind in die Schule aufgenommen wird, maßgeblich. Hierbei handele es sich demnach auch nicht um den abstrakten Beginn des Schuljahres, sondern um den konkreten ersten Schultag. Bei einer Übertragung dieser Vorgaben, insbesondere aber unter Betrachtung des gesamtgesellschaftlichen Interesses, Kinder durchgängig bestmöglich zu fördern und zu fordern, drängt sich die Frage auf, wie es nach jetzigem Kenntnisstand sein kann, dass Kinder aufgrund der Rückstellung um ein Schuljahr tatsächlich ein Jahr zu Hause verbringen sollen, ohne überhaupt eine notwendige und – bisher erfolgreiche – Förderung zu erhalten. 1. Inwieweit muss bei einer Entscheidung über eine Rückstellung berücksichtigt werden, ob für ein schulpflichtiges Kind in dem entsprechenden Jahr weiterhin eine Förderung außerhalb der Schule gesichert ist? 2. Inwiefern haben Kinder, die von der Einschulung zurückgestellt werden, einen Anspruch auf eine Förderung in öffentlich finanzierten vorschulischen Bildungseinrichtungen (bitte unter Nennung der Rechtsgrundlage für Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf aufschlüsseln)? Die Schulleiterin/der Schulleiter trifft die Entscheidung über die Zurück-stellung eines schulpflichtigen Kindes vom Schulbesuch auf der Grund-lage des schulärztlichen Gutachtens. Das Land Nordrhein-Westfalen beteiligt sich an der Förderung für Kinder mit Behinderungen im Rahmen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz). Die Finanzierung ergibt sich aus § 19 KiBiz und der Anlage zu § 19. Für Kinder mit Behinderung oder Kinder, die von einer wesentlichen Behinderung bedroht sind und bei denen dies von einem Träger der Eingliederungshilfe festgestellt wurde, erhält der Träger der Einrichtung grundsätzlich den 3,5-fachen Satz der Kindpauschale . Mit dem 1. KiBiz-Änderungsgesetz wird gewährleistet, dass diese Leistung in jedem Fall erfolgt, auch dann, wenn die Behinderung erst im Laufe des Kindergartenjahres festgestellt wird. Dies gilt uneingeschränkt auch für Kinder, die von einem Schulbesuch zu- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3918 3 rückgestellt werden und weiterhin in einer öffentlich geförderten Kindertageseinrichtung betreut werden. Neben den Leistungen aus dem KiBiz können Kinder, wenn sie behindert oder von Behinderung bedroht sind, Anspruch auf Leistungen nach § 53 und § 54 Absatz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Absatz 2 Nr. 2 und § 56 SGB IX haben. Benötigen Kinder in einer öffentlich finanzierten vorschulischen Bildungseinrichtung wegen der (drohenden) Behinderung Leistungen der Eingliederungshilfe, sind diese bis zum (tatsächlichen) Schuleintritt zu gewähren. 3. Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, so dass schulpflichtige, aber zurück- gestellte Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf weiterhin die benötigte Förderung in einer heilpädagogischen Kindertagesstätte erhalten (bitte unter Einbeziehung der entsprechenden Kostenträgerschaft darstellen)? Behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Kinder, die noch nicht eingeschult sind, erhalten gemäß § 55 Absatz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) heilpädagogische Leistungen. Dieser Rechts-anspruch gilt auch für Kinder, die gemäß § 35 Absatz 3 Schulgesetz NRW zurückgestellt wurden. Die Kostenträgerschaft für eine teilstationäre Leistung liegt beim überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Dieser hat gemäß § 18 SGB XII die Leistungen zu erbringen, sobald ihm bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vorliegen. Im Übrigen gilt nach § 1 Absatz 1 Satz 2 KiBiz unverändert, dass das KiBiz keine Anwendung auf heilpädagogische Einrichtungen findet. 4. Sieht die Landesregierung, falls keine entsprechenden rechtlichen Regelungen bestehen, rechtlichen Änderungsbedarf? Nein. 5. Wie definiert die Landesregierung „erhebliche gesundheitliche Gründe“ für eine zum Beispiel vom Landschaftsverband genannte Einzelfallentscheidung zur Fortsetzung der Kostenübernahme, wenn eine Rückstellung schulrechtlich generell auf der Grundlage eines schulärztlichen Gutachtens getroffen werden muss? Die untere Gesundheitsbehörde stellt fest, ob erhebliche gesundheitliche Gründe für eine mögliche Zurückstellung bei einem schulpflichtigen Kind vorliegen und erläutert diese gutachterlich gegenüber der Schule. Die Gründe sind somit nicht schulrechtlich oder pädagogisch , sondern aus medizinischer Sicht definiert. Dabei stellt die Behinderung als solche keinen Grund dar. Die Schulleitung entscheidet auf der Grundlage des schulärztlichen Gutachtens über eine Zurückstellung. Sie bewertet unter pädagogischen Gesichtspunkten die Aussagen des schulärztlichen Gutachtens und entscheidet abschließend über eine Zurückstellung.