LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3923 03.09.2013 Datum des Originals: 02.09.2013/Ausgegeben: 06.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1448 vom 18. Juli 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/3603 Wie geht es weiter mit dem berufsbegleitenden Erwerb eines sonderpädagogischen Lehramts? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1448 mit Schreiben vom 2. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister , dem Minister für Inneres und Kommunales und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Rahmen des 8. Schulrechtsänderungsgesetzes vom 13. November 2012 wurde mit Artikel 3 § 20 des Lehrerausbildungsgesetzes wie folgt geändert: „a) Nach Absatz 9 wird folgender Absatz 10 eingefügt: ,,(10) Das für Schulen zuständige Ministerium kann durch Rechtsverordnung zulassen, dass, beginnend im Jahr 2013 bis letztmalig beginnend spätestens im Jahr 2018, Lehrerinnen und Lehrer mit einer anderen Lehramtsbefähigung die Befähigung für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung (§ 3 Abs. 1 Nr. 5) durch eine berufsbegleitende Ausbildung in Verantwortung der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung und eine Staatsprüfung nach § 7 erwerben. Die Ausbildung ist auf eine sonderpädagogische Fachrichtung begrenzt, kann aber Elemente anderer sonderpädagogischer Fachrichtungen einbeziehen. Die Ausbildung dauert 18 Monate. In einer Rechtsverordnung nach Satz 1 regelt das Ministerium im Einvernehmen mit dem für Inneres zuständigen Ministerium und dem für Finanzen zuständigen Ministerium 1. die Auswahl der sonderpädagogischen Fachrichtungen nach Satz 2, 2. Zugangs- und Zulassungsvoraussetzungen für die Ausbildung, die auch Regelungen zu Zuständigkeiten für dienstliche Beurteilungen umfassen können, 3. die Zahl der Ausbildungsplätze, die den oberen Schulaufsichtsbehörden zur Besetzung zur Verfügung stehen, 4. Organisation und Inhalte der Ausbildung und 5. das Prüfungsverfahren." b) Der bisherige Absatz 10 wird Absatz 11.“ Diese Regelung wurde LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3923 2 z.B. auch von der FDP-Fraktion kritisiert, weil unter anderem keine direkte Anbindung an die Universitäten erfolgt. Auch erklärte in der Anhörung zum „Inklusionsgesetzentwurf“ der Landesregierung am 05.06.2013 z.B. Prof. Dr. Clemens Hillenbrand vom Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik , Carl von Ossietzky Universität Oldenburg: „Wir sehen in dieser Initiative, die außerhalb der Universitäten stattfindet, die also auf wissenschaftliche Grundlagen verzichtet, eigentlich eine Tendenz, die gegenläufig zur Inklusion im Sinne von wirksamer Bildung und wirksamen Bildungsangeboten ist. Wie kann das vermittelt werden, wenn Inklusion ein so neuer Inhalt ist? Wie kann das vermittelt werden, wenn man dabei auf Wissenschaft verzichtet ? Ich kann nur – auch als Mitglied des Bundesvorstands des Verbandes Sonderpädagogik – darauf hinweisen, dass das auch bundesweit sehr kritisch diskutiert wird. Ich glaube, davon sollte man besser die Finger lassen. Die Qualifikation erfordert einfach ein hohes Niveau. Das wäre eine Überforderung für die Seminar- und Fachleiter, die diese Qualifikation vermitteln sollen. (…) In Niedersachsen gab es einen ganz ähnlichen Vorschlag zu dem, was man hier in Nordrhein-Westfalen macht. Er ist nach Rücksprache mit allen Unis – gar nicht so sehr von den Sonderpädagogen, sondern von allen anderen Universitäten – abgeschmettert worden. Man hat gesagt: Wir brauchen dieses Know-how, diese wissenschaftliche Kompetenz .“ Ähnliche Rückmeldungen anderer Wissenschaftler haben verdeutlicht, dass offenbar auch in anderen Bundesländern ein solches Vorgehen angedacht war, jedoch verworfen wurde oder gescheitert ist. Unabhängig von den Aspekten der qualitativen Ausgestaltung stellt sich jedoch auch die Frage des weiteren Vorgehens. In ihrer Pressekonferenz am 22. Januar 2013 erklärte die Ministerin für Schule und Weiterbildung, dass insgesamt zehn Ausbildungskohorten mit jeweils bis zu 250 Lehrkräften bis 2018 geplant seien, dies bedeute demnach insgesamt 2.500 „Ausbildungsplätze“. Gleichzeitig erklärte Ministerin Löhrmann jedoch, dass zum 1. Februar 2013 die ersten über 200 Lehrerinnen und Lehrer diese Weiterqualifizierung beginnen würden . Offenkundig ist somit bereits in der ersten „Ausbildungskohorte“ die offensichtlich gewünschte , auch vielfach genannte Zahl von 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht erreicht worden. Daher stellt sich die Frage, wie die Landesregierung diese Unterschreitung bewertet und welchen Einfluss dies auf die folgenden „Kohorten“ ausüben wird bzw. soll. Vorbemerkung der Landesregierung Die Grundschulen und weiterführenden Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen, die neu mit dem Gemeinsamen Unterricht beginnen, brauchen professionelle Unterstützung. Dafür werden ausgebildete Lehrkräfte für sonderpädagogische Förderung benötigt. Einem jahresdurchschnittlichen Einstellungsbedarf von ca. 700 ausgebildeten Lehrkräften für sonderpädagogische Förderung steht derzeit ein Angebot von ca. 430 grundständig ausgebildeten Sonderpädagoginnen und -pädagogen gegenüber. Deswegen hat die Landesregierung die Ausweitung der Studienkapazitäten im Lehramt für sonderpädagogische Förderung beschlossen, die das Angebot an grundständig ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen eines Studiums für das Lehramt für sonderpädagogische Förderung aber erst mittelfristig erhöhen kann. Die Landesregierung stellt bis 2018 für den Auf- und Ausbau von Studienplätzen für das sonderpädagogische Lehramt 70 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung. In den nächsten fünf Jahren sollen insgesamt bis zu 2.300 Studienplätze in Nordrhein-Westfalen neu geschaffen werden. Um den kurzfristigen Bedarf an Lehrkräften für sonderpädagogische Förderung zu decken, wurde gem. § 20 Abs. 10 des Gesetzes über die Ausbildung für Lehrämter an öffentlichen Schulen (LABG) am 20. Dezember 2012 die Verordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3923 3 zum Erwerb des Lehramts für sonderpädagogische Förderung (VOBASOF) erlassen. Sie zielt darauf ab, berufsbegleitend Lehrkräften anderer Lehrämter die Möglichkeit zu geben, das Lehramt für sonderpädagogische Förderung zu erwerben. Die Maßnahme ist zeitlich bis 2018 befristet, da zu diesem Zeitpunkt durch die Erhöhung der Studienkapazitäten mehr Absolventen der grundständigen Lehrerausbildung erwartet werden. Die nordrheinwestfälische Maßnahme ist erfolgreich angelaufen. Grundlage der Ausbildung und der abschließenden Staatsprüfung sind die Vorgaben der Kultusministerkonferenz. Am 16.10.2008 hat die Kultusministerkonferenz die Fachstandards für die Lehrerbildung verabschiedet (Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland: Standards für Lehrerbildung: Bildungswissenschaften , Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.10.2000). Die dort beschlossenen Fachstandards für die Sonderpädagogik sind in Nordrhein-Westfalen die Grundlage des Ausbildungskonzeptes und des abschließenden Staatsexamens. 1. In welchen Bundesländern ist ein dem rot-grünen Vorgehen vergleichbarer be- rufsbegleitender Erwerb eines sonderpädagogischen Lehramts mit einer anderen Lehramtsbefähigung ohne direkte Anbindung an die Universitäten eingeführt worden (bitte nach einzelnen Bundesländern auflisten)? 2. In welchen anderen Bundesländern ist ein vergleichbares Verfahren geplant ge- wesen, jedoch wieder verworfen worden (bitte nach einzelnen Bundesländern inhaltlich kurz dargestellt aufschlüsseln)? 3. Gibt es Bundesländer, in denen ein ähnliches Verfahren eingeführt wurde, dieses jedoch de facto gescheitert ist (bitte nach Bundesländern und Gründen des Scheiterns aufschlüsseln)? Die Fragen 1 bis 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die gesetzliche Grundlage der VOBASOF-Maßnahme ist im Rahmen der Beschlussfassung des Landtages zum 8. Schulrechtsänderungsgesetzes am 07.11.2012 mit den Stimmen von SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion beschlossen worden. Insofern handelt es sich nicht um ein „rot-grünes Vorgehen“. Die Maßnahme wurde eingeführt, weil die Universitäten derzeit nicht über die notwendigen Kapazitäten zur Qualifizierung der kurzfristig im Zuge des Inklusionsprozesses benötigten zusätzlichen sonderpädagogischen Lehrkräfte verfügen. Die Maßnahme wurde bis zum Jahr 2018 befristet; innerhalb dieses Zeitraums werden sukzessive 2.300 zusätzliche Studienplätze auch an neuen Hochschulstandorten aufgebaut. Es liegen keine systematischen Daten der KMK zu geplanten, gescheiterten oder eingerichteten Maßnahmen anderer Bundesländer vor. Es gibt nach Kenntnis des Ministeriums für Schule und Weiterbildung bundesweit keine vergleichbare Maßnahme. Einzelne Universitäten bieten Weiterbildungs-Masterstudiengänge an (z.B. Hildesheim und Oldenburg). Diese Studiengänge sind aber immer nur für kleine Kohorten ausgelegt. Insofern hat NordrheinWestfalen mit dieser Maßnahme (die in zehn Durchgängen die Ausbildung von insgesamt bis zu 2.500 Lehrkräften ermöglicht) und mit dem Ausbauprogramm für sonderpädagogische Studienplätze eine Vorreiterrolle unter den Bundesländern. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3923 4 4. Wie bewertet es die Landesregierung, dass in der ersten „Ausbildungskohorte“ die Zahl von den oftmals kommunizierten 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht erreicht wurde? Die Landesregierung stellt zu jedem Ausbildungstermin jeweils bis zu 250 Ausbildungsplätze bereit. Die Anzahl der belegten Plätze richtet sich nach der Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber, die über die erforderlichen Voraussetzungen verfügen. Vor dem Hintergrund, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den am 01.02.2013 gestarteten ersten Ausbildungsgang erst am 20.12.2012 und damit rechtssichere Informationen für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erst am 20.12.2012 vorlagen, ist die Teilnehmerzahl des ersten Durchgangs als großer Erfolg zu werten. 5. Was geschieht mit den „Ausbildungsplätzen“ der zehn „Kohorten“, die in den jeweiligen „Kohorten“ nicht in Anspruch genommen wurden (bitte nach möglichen personellen Auswirkungen und etwaigen finanziellen Folgen für den Landeshaushalt aufgeschlüsselt darstellen)? Gemäß § 2 Abs. 2 Verordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung zum Erwerb des Lehramts für sonderpädagogische Förderung (VOBASOF) kann an der berufsbegleitenden Ausbildung teilnehmen, wer als Lehrerin oder Lehrer unbefristet im Schuldienst des Landes beschäftigt ist. Diese Lehrerinnen und Lehrer werden bereits seit ihrer Einstellung auf vorhandenen Stellen geführt. Insofern führen frei gebliebene Plätze in der Ausbildungsmaßnahme zu keinen finanziellen Mehraufwendungen.