LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3955 09.09.2013 Datum des Originals: 09.09.2013/Ausgegeben: 12.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1525 vom 10. August 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3757 Ergebnisse bei der Feststellung des Sprachstands nach Delfin 4 für die Stadt Essen – Wie hat sich der Bedarf an vorschulischer Sprachförderung von Kindern in Essen quantitativ und strukturell entwickelt? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1525 mit Schreiben vom 9. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungsbiographie in unserem Land. Zu Beginn der Grundschulzeit wurde jedoch in der Vergangenheit bei etlichen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund immer wieder festgestellt, dass enorme Defizite und Verzögerungen bei der Sprachentwicklung vorliegen oder Kinder ausländischer Herkunft gänzlich ohne deutsche Sprachkenntnisse eingeschult worden sind. Von Chancengleichheit am Start konnte daher oftmals nicht die Rede sein. Es ist offensichtlich, dass Sprachförderung so früh wie möglich beginnen sollte. Mit der Einführung verbindlicher Sprachtests und Sprachförderung haben FDP und CDU daher bereits während ihrer Regierungszeit im Jahr 2007 erstmals damit begonnen, den Sprachstand vierjähriger Kinder in Nordrhein-Westfalen systematisch zu testen, zu erfassen und bei Bedarf entsprechende Sprachfördermaßnahmen daraus herzuleiten. Um festzustellen, ob Kinder über altersgerechte Sprachkenntnisse und eine altersgemäße Sprachentwicklung in der deutschen Sprache verfügen, wird entsprechend § 36 Abs. 2 des Schulgesetzes auch heute noch bei allen Kindern der Sprachstand verpflichtend getestet. Die Feststellung des Sprachstandes erfolgt in Nordrhein-Westfalen nun verbindlich mit dem Testinstrument und Verfahren Delfin 4 (Diagnostik, Elternarbeit und Förderung der Sprach- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3955 2 kompetenz in Nordrhein-Westfalen bei 4-Jährigen). Es wird also bei allen nordrheinwestfälischen Kindern zwei Jahre vor der Einschulung eine Sprachstandsfeststellung durchgeführt . So bleiben bis zur Einschulung bei Bedarf noch mindestens zwei Jahre Zeit, um ein Kind gezielt sprachlich adäquat fördern zu können. Verantwortlich für die Durchführung des Testverfahrens sind die Schulämter bei den Kreisen bzw. kreisfreien Städten. Bei Sprachtest Delfin 4, der von der Pädagogin Lilian Fried an der Technischen Universität Dortmund entwickelt worden ist, handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren, mit dem auf spielerische Weise die Sprachkompetenz und damit letztlich auch die Schulfähigkeit von Kindern überprüft werden kann. Die erste Teststufe steht unter dem Oberthema „Besuch im Zoo“ und ähnelt dem Brettspiel „Mensch ärgere Dich nicht“. In gewohnter Umgebung des Kindes in der Kindertagesstätte spielen die Kinder mit einer Erzieherin das Testspiel. Sie werden dabei von einer Grundschullehrerin beobachtet, die protokolliert, wie die Vierjährigen sich beim Spiel verhalten. Es soll sich dabei darauf konzentriert werden, wie sich die Sprache bei den Kindern bereits entwickelt hat. Aufgaben im Spiel sind beispielsweise, altersgerechte Sätze, Quatschsätze oder Fantasieworte nachzusprechen. Die Testsituation dauert etwa eine halbe Stunde. Das fachliche Protokoll der begleitenden Lehrerin entscheidet über das weitere Vorgehen. Kinder, bei denen die Sprachfähigkeit unklar bleibt oder die nicht den Kindergarten besuchen und so in Stufe 1 nicht erfasst werden, werden in einer zweiten Stufe einzeln getestet. Hier steht ein „Besuch im Pfiffikus-Haus“ an; also wieder eine spielerische Situation, nach der entschieden wird, ob die Sprache besonders gefördert werden muss. Sollten Defizite festgestellt werden, ist eine weitere verpflichtende Sprachförderung vorgesehen, möglichst direkt in der Kindertagesstätte des zu fördernden Kindes. Insbesondere im Ruhrgebiet mit seinem hohen Migrationsanteil und bei einem verstärkten Vorhandensein bildungsferner Elternhäuser ist die vorschulische Sprachförderung von ganz besonderer Bedeutung. Dem Parlament sollte daher bei Anforderung ein umfassendes Bild auch über die lokalen Ergebnisse der Sprachstandsfeststellung nach Delfin 4 ermöglicht werden. Dafür bedarf es einer detaillierten Information über die quantitative wie strukturelle Entwicklung aktueller wie bereits zurückliegender Ergebnisse. Vorbemerkung der Landesregierung Eine frühzeitig einsetzende und durchgängige Sprachbildung ist nach Auffassung der Landesregierung eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche ihre Fähigkeiten und Potentiale entfalten können. Auf die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 3 der Fraktion der CDU „Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung im Elementarund Primarbereich sowie im Übergang zu weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen“ vom 19.06.2013 - Landtagsdrucksache 16/3328 – wird verwiesen. Entgegen der Behauptung des Fragestellers ist das Sprachstandsfeststellungsverfahren Delfin 4 kein Instrument, mit dem „auch die Schulfähigkeit von Kindern überprüft werden kann“. Jedes Kind hat mit Erreichen des schulpflichtigen Alters ein Recht auf schulische Bildung. Alle schulpflichtigen Kinder werden in Nordrhein-Westfalen in die Schulen im Primarbereich aufgenommen. Schulpflichtige Kinder können gemäß Schulgesetz nur aus erheblichen gesundheitlichen Gründen zurückgestellt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3955 3 1. Welche Ergebnisse haben jeweils einzeln für alle Durchführungstermine seit dem Jahr 2010, differenziert nach den beiden Teststufen, die Sprachstandsfeststellungen Delfin 4 für die Stadt Essen genau hervorgebracht? 2. Welche strukturellen, qualitativen Aussagen zur Entwicklung der Ergebnisse von Delfin 4 kann die Landesregierung neben der rein quantitativen Entwicklung des Förderbedarfs für die Entwicklungen in der Stadt Essen seit dem Starttermin 2007 tätigen? Frage 1 und Frage 2 werden in nachstehender Tabelle zusammengefasst beantwortet: Anzahl der Kinder mit und ohne zusätzlichem Sprachförderbedarf in Essen: 2010 2011 2012 Festgestellter Förderbedarf kein Förderbedarf Festgestellter Förderbedarf kein Förderbedarf Festgestellter Förderbedarf kein Förderbedarf 1. Stufe 1042 2449 1022 2089 1105 2498 2. Stufe 506 770 431 625 374 590 gesamt 1548 3219 1453 2714 1479 3088 Der Delfin-Test ermittelt mit Blick auf unterschiedliche Bereiche sprachlichen Handelns, ob die Sprachentwicklung der Kinder altersgerecht ist und ob zusätzlicher Sprachförderbedarf vorliegt. Auf die möglichen Ursachen gibt der Test keine Hinweise. 3. Wie stellen sich die quantitativen Ergebnisse des Förderbedarfs bei Sprach- standtests in der Stadt Essen im Vergleich zu den regionalen (RVR-Region) sowie den landesweiten Durchschnittswerten dar? Nachstehende Tabelle gibt die Vergleichsquoten der Kinder mit zusätzlichem Sprachförderbedarf wieder. 2010 2011 2012 A n za h l d er K in d er m it F ö rd er b ed ar f A n za h l d er K in d er m it F ö rd er b ed ar f A n za h l d er K in d er m it F ö rd er b ed ar f % % % Essen 1548 32,47 1453 34,87 1479 32,38 Mittelwert RVR Region 31,22 31,42 30,84 NRW 40525 25,50 34386 25,81 38319 25,59 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3955 4 4. Wie erfolgt in der Stadt Essen an den jeweiligen Förderorten konkret die Förderung der Kinder, bei denen besagte sprachliche Defizite festgestellt worden sind? Gemäß § 13 Abs. 1 Kinderbildungsgesetz (KiBiz) führen Tageseinrichtungen die Bildung, Erziehung und Betreuung nach einem eigenen träger- oder einrichtungsspezifischen pädagogischen Konzept durch. Die inhaltliche und fachliche Ausgestaltung der zusätzlichen Sprachförderung liegt somit in der Verantwortung des Trägers der Kindertageseinrichtung. Der Landesregierung liegen keine Informationen vor, wie bei den Trägern der Kindertageseinrichtungen in Essen die Sprachförderung erfolgt. Im Übrigen setzt nahezu jede Einrichtung in NRW ein oder mehrere Sprachförderprogramme ein (vgl. hierzu Antwort der Landesregierung vom 19.06.2013 auf die Große Anfrage 3 der Fraktion der CDU - Drucksache 16/2138). 5. Welche zusätzlichen Fortbildungsmaßnahmen zur Sprachförderung in Kinderta- gesstätten sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht erhalten die Erzieher in der Stadt Essen, die dort diese Fördermaßnahmen durchführen? Laut § 11 Abs. 1 und 2 KiBiz erfordert die Umsetzung des Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrages eine ständige Fortbildung der mit dem Auftrag betrauten Personen. Zur Sicherung und Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen ist eine kontinuierliche Evaluierung erforderlich. Dafür sollen von den Trägern Qualitätskriterien entwickelt werden, die Aussagen über die Begleitung, Förderung und Herausforderung frühkindlicher Bildungsprozesse enthalten. Qualitätsentwicklungsmaßnahmen werden von den Trägern der Kindertageseinrichtungen in eigener Verantwortung durchgeführt. Der Landesregierung liegen keine Informationen von Trägern der Kindertageseinrichtungen in Essen vor.