LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3957 09.09.2013 Datum des Originals: 09.09.2013/Ausgegeben: 12.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1519 vom 5. Juli 2013 des Abgeordneten Dr. Wilhelm Droste CDU Drucksache 16/3742 Hochwasserschutz am Rhein durch Rückhaltebecken und Deichrückverlegungen Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1519 mit Schreiben vom 9. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den vergangenen Jahren sind die Rheinanlieger von dramatischen Hochwasserpegeln glücklicherweise weitestgehend verschont geblieben. Doch die Hochwasserstände in Ostund Süddeutschland vor wenigen Wochen haben uns eindringlich die Gefahren vor Augen geführt. Dort wurde durch die Flutung großer Polder in Brandenburg für Entlastung an weiter flussabwärts gelegenen Orten gesorgt. Hierdurch wurden die Rheinanlieger daran erinnert, dass nach den großen Rheinhochwassern 1993 und 1995 am Rhein ebenfalls Deichrückverlegungen und die Errichtung solcher Polder gefordert und geplant wurden, um rheinabwärts gelegene Städte zu schützen und zu entlasten. In der Bevölkerung entlang des Rheins kommt jedoch immer wieder die Frage auf, was denn eigentlich „weiter oben“, also rheinaufwärts für den Hochwasserschutz getan wurde. So wurde im Jahr 2009 auf Niederkasseler Stadtgebiet unmittelbar an der Stadtgrenze zu Köln der Polder im Langeler Bogen fertiggestellt. Bereits zuvor 2001/2002 war in Monheim am Rhein der Deich zurückverlegt worden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3957 2 Vorbemerkung der Landesregierung Am Rhein entstehen Hochwasser, wenn durch wochenlange Vorregen, Frost oder geschlossene Schneedecken die Böden im Einzugsgebiet wassergesättigt und damit quasi versiegelt sind und gleichzeitig in mehreren Teileinzugsgebieten, z. B. am Alpenrhein, am Main, am Neckar und an der Mosel Niederschläge mit hohen Intensitäten niedergehen. Dann kann es am Oberrhein, am Mittelrhein und am Niederrhein zu extremen Hochwasserabflüssen kommen . Die Wellen sind hoch, lang gestreckt und weisen ungeheure Abflussfüllen auf, am Rhein bei Köln beispielsweise mehrere Mrd. Kubikmeter. Für die Hochwasserbildung am Niederrhein ist meist der Moselzufluss entscheidend. Beispielsweise ist bei den extremen Hochwasserabflüssen von 1926, 1970, 1993 und 1995 mehr als 40% der Wassermenge aus der Mosel gekommen. Die Verbesserung des Schutzes von Menschen und Gütern vor Hochwasser unter Einbeziehung des Ziels der ökologischen Verbesserung des Rheins und seiner Aue ist Ziel des auf der 12. Rhein-Ministerkonferenz am 22. Januar 1998 in Rotterdam beschlossenen "Aktionsplan Hochwasser" für den Rhein. In dem Aktionsplan sind die Rückhaltemaßnahmen sowie die wasserstandssenkenden Maßnahmen aufgelistet. Der "Aktionsplan Hochwasser" wurde von der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) vorgelegt und veröffentlicht . 1. Welche Maßnahmen zum Hochwasserschutz am Rhein (Deichrückverlegung, Schaffung von Poldern,…) sind seit 1995 in Nordrhein-Westfalen geplant bzw. umgesetzt worden? Die Deichrückverlegungen in Niederkassel, in Orsoy und in Monheim sowie der rheinferne Deich auf der Bislicher Insel sind fertig gestellt. Mit dem Bau der Deichrückverlegung in Lohrwardt ist im Frühjahr 2005 begonnen worden. Die vorgesehene Deichrückverlegung "Duisburg-Mündelheim" ist genehmigt und wird derzeit realisiert. Der gesteuerte Rückhalteraum Köln-Langel ist bereits realisiert, die Rückhalteräume „Worringer Bruch“ und „Orsoy-Land“ befinden sich in der Genehmigungsplanung. Die Flächen sowohl für den Rückhalteraum Bylerward als auch für den Rückhalteraum Ilvericher Bruch sind landesplanerisch langfristig gesichert. 2. Welche Maßnahmen zum Hochwasserschutz am Rhein (Deichrückverlegung, Schaffung von Poldern,…) sind seit 1995 in Rheinland-Pfalz, BadenWürttemberg , Frankreich oder der Schweiz geplant bzw. umgesetzt worden? In Frankreich sind die Retentionspolder Erstein und Moder in Betrieb. Die Retentionspolder Altenheim und Söllingen/Greffern, sowie der Retentionsbetrieb des Kulturwehrs Kehl/Straßburg sind in Baden-Württemberg fertiggestellt. Rheinland-Pfalz hat den Sommerpolder Daxlander Au, die Retentionspolder Flotzgrün, Kollerinsel, Bodenheim/Laubenheim und Ingelheim, sowie die Deichrückverlegungen Worms-Mittlerer Busch, Worms Bürgerweide und Eich realisiert. Noch umgesetzt werden sollen in Baden-Württemberg die Vorlandabsenkung Weil-Breisach, der Retentionsbetrieb Kulturwehr Breisach, die Retentionspolder Breisach-Burkheim, Wyhl/Weisweil, Elzmündung, Ichenheim-Meißenheim-Ottenheim (IMO), Freistett, Bellenkopf, Rheinschanzinsel und den Retentionspolder/Deichrückverlegung Elisabethenwört; in Rheinland -Pfalz die Deichrückverlegung und den Retentionspolder Wörth/Jockgrim, die Reserve- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3957 3 räume Hördt und Eich, die Retentionspolder Mechtersheim und Neuhofen, die Deichrückverlegungen Waldsee/Altrip und Petersau-Bannen. 3. Welche Maßnahmen zum Hochwasserschutz an Zuflüssen zum Rhein (Deich- rückverlegung, Schaffung von Poldern,…) sind seit 1995 in Rheinland-Pfalz, Baden -Württemberg, Hessen, Frankreich oder der Schweiz geplant bzw. umgesetzt worden?Informationen zu den Maßnahmen an den Zuflüssen zum Rhein in den Bun- desländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen und der Schweiz und Frankreich liegen hier nicht vor. Die angesprochenen Bundesländer und Staaten sind gebeten worden, dem Land Nordrhein-Westfalen diese Informationen zur Verfügung zu stellen. Sobald diese Angaben vorliegen, wird der Landtag entsprechend unterrichtet. 4. Welche Auswirkungen hat dies auf den Rheinpegel in Nordrhein-Westfalen? In der Studie „Nachweis der Wirksamkeit von Maßnahmen zur Minderung der Hochwasserstände im Rhein - Umsetzung des Aktionsplans Hochwasser 1995 – 2010 einschließlich Vorausschau für 2020 sowie 2020+“ ist erstmalig ganzheitlich der Rheinhauptstrom mit seinen Rückhaltungen für eine große Zahl von Hochwasserereignissen modelliert worden. Grundlage der Modellberechnungen ist ein Spektrum von 108 verschiedenen Modellhochwassern. Die Ergebnisse der Modellrechnung erlauben erstmals eine fundierte Beurteilung inwieweit die seinerzeit im Aktionsplan Hochwasser formulierten Ziele erreicht werden können. Veröffentlicht ist die Studie im Bericht Nr. 199 der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) 2012. Nordrhein-Westfalen war maßgeblich an dieser Studie beteiligt. Für den Niederrhein ergeben sich für den Zustand 2020 (Realisierung aller Maßnahmen des Aktionsplan Hochwasser bei einem Hochwasser mit 100-jährlicher Wahrscheinlichkeit (HQ100) Abminderungen im Mittel von 4 bis 14 cm bei einem maximalen Einzelwert von 25 cm. Bei einem Extremabfluss werden am Niederrhein im Mittel 4 bis 17 cm und als maximaler Einzelwert 29 cm erreicht.