LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3959 10.09.2013 Datum des Originals: 09.09.2013/Ausgegeben: 13.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1548 vom 13. August 2013 des Abgeordneten Peter Biesenbach CDU Drucksache 16/3782 Warum wird die reale Belastung durch den „Kommunal-Soli“ über die fiktive Steuerkraft der Städte und Gemeinden berechnet? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1548 mit Schreiben vom 9. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 16. Juli beschloss das Kabinett der Landesregierung die Eckpunkte zur Ausgestaltung des „Kommunal-Soli“. Bevor die kommunalen Spitzenverbände über die Ergebnisse informiert wurden, stellte der Innenminister die Ausgestaltung der Solidaritätsumlage aber zunächst der Presse vor. In den Jahren 2014 bis 2020 muss jährlich ein Betrag von 181,6 Mio. Euro zur Finanzierung der zweiten Stufe des Stärkungspaktes aufgebracht werden. Herangezogen werden sie sogenannten nachhaltig abundanten Kommunen, dies bestimmt sich nach dem jeweils aktuell geltenden Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) sowie der vier vorhergehenden Gemeindefinanzierungsgesetzes (sog. 3 aus 5-Lösung). Abgeschöpft wird von diesen Kommunen die sog. überschießende Finanzkraft, also ein durch Erlass festzusetzender Prozentsatz des Betrages, um den die Steuerkraftmesszahl höher ist als die Ausgangsmesszahl. Die Höhe des abzuschöpfenden Prozentsatzes für die Umlage von jährlich 181,6 Mio. Euro wird jährlich per Erlass von Innen- und Finanzministerium festgesetzt. Der festgelegte maximale Prozentsatz von 50% darf dabei aber nicht überschritten werden. Zudem ist die Umlage nicht relevant für die weiteren Umlagen der Kommunen . Neben den Eckpunkten erläutert das Innenministerium mittels einer „FAQ“-Liste zur Solidaritätsumlage, die konkrete Berechnung der Höhe der Umlage. Demnach berechnet sich die Höhe des Kommunal-Soli nicht nach der tatsächlich realen Steuerkraft einer Kommunen , sondern nach einer fiktiven Realsteuerkraft – vermittelt durch die jeweilige Anwen- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3959 2 dung des gewogenen Durchschnittshebesatzes aller Gemeinden nach dem GFG. Durch die Bestimmung der fiktiven Berechnung der Steuerkraft im Rahmen des GFG und der Berechnung der fiktiven Bedarfe nach dem GFG wird die überschießende fiktive Steuerkraft berechnet , die dann in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes abgeschöpft wird und so zu einer realen Belastung der Kommunen wird. Dabei knüpft die Berechnung der Höhe des Kommunal -Soli an fiktive Steuerkraft der Gemeinden an. Bei der Berechnung der fiktiven Steuerkraft spielt die tatsächliche Steuerkraft vor Ort nur eine untergeordnete Rolle. Insbesondere wenn Kommunen niedrigere als die fiktiven Steuerhebesätze nutzen wird den Kommunen durch die Art der Berechnung eine Finanzkraft zugewiesen , die diese eigentlich nicht haben. Die Steuerkraftzahl ist die Summer der Steuerkraftzahlen einer Gemeinde. Ausgangspunkt für die Ermittlung der Steuerkraftzahl bei Grund- und Gewerbesteuer ist aber nicht ausschließlich das Ist-Aufkommen. Vielmehr wird das Ist-Aufkommen durch den von der Gemeinde festgesetzten Hebesatz geteilt und dann vervielfältigt mit dem gewogenen durchschnittlichen Hebesatz aller Gemeinden, der im GFG festgesetzt wird – im GFG 2014 mit 412. Dadurch hat beispielsweise die Gemeinde Straelen derzeit einen tatsächlichen Hebesatz der Gewerbesteuer von 335, der im GFG festgesetzte fiktive Hebesatz liegt bei 412. Durch die Berechnungssystematik des GFG und der Anwendung fiktiver Hebesätze für die Berechnung der Finanzkraft einer Kommunen wird die Steuerkraft nun für den Hebesatz von 412 Punkten hochgerechnet. Dadurch würde, nach einer Simulationsrechnung, für die Gemeinde Straelen allein wegen der Berechnungssystematik sich die fiktive Finanzkraft der Stadt Monheim um mehr als 10 Mio. Euro erhöhen. Die Abundanzumlage selbst würde, nach der Simulationsrechnung , im Jahr 2014 in Höhe von rund 8 Mio. Euro anfallen. Laut der Simulationsrechnung würde auch in den Kommunen Monheim, Rietberg, SchloßHolte -Stutenbrock, Verl und Kirchlengern die Erhöhung der Finanzkraft durch die Verwendung fiktiver Hebesätze anstatt der niedrigeren tatsächlichen Hebesätze Finanzkraft zugestanden , die eigentlich nicht vorhanden ist. In diesen betroffenen Kommunen wäre die fiktiv zugestandene Finanzkraft jeweils höher als die abgeschöpfte Solidaritätsumlage. In weiteren 23 von möglichen 60 Zahler-Kommunen würden die niedrigen tatsächlichen Hebesätze der Gewerbesteuer als die gesetzlich festgelegte fiktive Hebesatz dazu führen, dass die fiktive Finanzkraft wesentlich höher errechnet wird, als die tatsächliche. Diese fiktive Finanzkraft, wird abzüglich des fiktiven Finanzbedarfs, in bestimmter Höhe als Kommunal-Soli abgeschöpft . 1. Warum stellt die Landesregierung bei der Bemessung des sog. Kommunal-Soli auf die fiktive Realsteuerkraft statt auf die tatsächliche Realsteuerkraft der Kommunen ab? 2. Wie beurteilt es die Landesregierung, dass abundante Gemeinden mit unter- durchschnittlichen Hebesätzen bei Gewerbe- und Grundsteuer durch die Finanzausgleichsumlage - jeweils abhängig vom Grad der Abweichung vom Hebesatzdurchschnitt - in ihrem tatsächlichen Finanzaufkommen verhältnismäßig stärker belastet werden als die anderen abundanten Kommunen? 3. Wie beurteilt die Landesregierung das mögliche Problem, dass allein durch die Erhöhung der Steuerkraft durch Verwendung fiktiver Hebesätze, anstatt der realen Hebesätze, der Kommune fiktiv Steuerkraft zugestanden wird, die ihr mehr als vollumfänglich durch den Soli wieder abgeschöpft wird? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3959 3 4. Wie beurteilt die Landesregierung das mögliche Problem, dass abundante Kommunen mit unterdurchschnittlichen Hebesätzen durch den Kommunal-Soli im Gestaltungsspielraum bei der Hebesatzgestaltung beschränkt werden, mit der Folge, dass die betroffenen Kommunen zu Hebesatzanhebungen gedrängt werden ? 5. Wie beurteilt es die Landesregierung, dass das gemeinsam von Grundgesetz und Gewerbesteuergesetz verbürgte Recht der Kommunen, die Gewerbesteuer nach eigenem politischen Ermessen in Selbstverwaltung bis auf dem zulässigen Mindestsatz zu senken (200 Punkte) durch die geplante Landesregelung zum Kommunal-Soli faktisch unterlaufen wird, wenn durch die Abundanzumlage mehr abgeschöpft wird, als an Einnahmen aus dem Bereich tatsächlich vorliegt? Die Fragen 1 bis 5 werden zusammengefasst beantwortet: Der auf den am 16. Juli 2013 vom Kabinett beschlossenen "Eckpunkten für eine Solidaritätsumlage als Teil der von den Gemeinden zu erbringenden Komplementärmittel nach § 2 Abs. 3 Stärkungspaktgesetz" beruhende Gesetzentwurf wird voraussichtlich Mitte September 2013 von der Landesregierung beschlossen und im Anschluss daran in den Landtag eingebracht werden. Die sich daraus ergebenden Fragen und Einschätzungen werden im parlamentarischen Verfahren diskutiert werden. Im Übrigen wird auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1465 („Hat der geplante 'Kommunal-Soli' irgendetwas mit der wirklichen Finanzstärke einer Kommune zu tun?“, LT-Drs. 16/3640) verwiesen.