LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3963 09.09.2013 Datum des Originals: 09.09.2013/Ausgegeben: 13.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1552 vom 15. August 2013 der Abordneten Kau Abruszat und Marcel Hafke FDP Drucksache 16/3799 Anspruch kommunaler Fraktionen auf die Einberufung von Ausschusssondersitzungen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1552 mit Schreiben vom 9. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im kommunalen Raum wurde die Frage aufgeworfen, inwieweit Fraktionen Anspruch auf die Einberufung von Ausschusssondersitzungen haben. Im konkreten Fall wurde die Einberufung einer beantragten Ausschusssondersitzung seitens des Ausschussvorsitzenden verweigert . Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Verweis darauf, dass § 58 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW in diesem Zusammenhang keine Anwendung finde . Demzufolge können die Fraktionen kommunaler Vertretungen zwar die unverzügliche Einberufung des Rates, nicht jedoch eines Ausschusses verlangen. Diese Sichtweise ist in mehrfacher Hinsicht in Zweifel zu ziehen. Sie verstößt nicht nur gegen das Prinzip der Spiegelbildlichkeit von Räten und Ausschüssen, sondern auch gegen das Prinzip der funktionalen Homogenität, nach dem Ratsausschüssen sinngemäß die gleiche Funktion wie Parlamentsausschüssen zukommt, für die der Begriff der „Fraktion im Ausschuss “ höchstrichterlich anerkannt ist (vgl. nur BVerfG NJW 2002, 1936, 1937 – Parteispendenuntersuchungsausschuss ). In den Ausschüssen wird die eigentliche Parlamentsarbeit geleistet; in ihnen haben insbesondere fachkundige Abgeordnete die Möglichkeit, einen Beratungsgegenstand zur abschließenden Entscheidung durch das Plenum vorzubereiten. Dementsprechend verweist § 58 Abs. 2 Satz 1 GO NRW für das Verfahren in den Ausschüssen auf die für den Rat gelten- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3963 2 den Regelungen, darunter die Einberufungspflicht des § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW auf Antrag eines Fünftels der Ratsmitglieder oder eben einer Fraktion. Die Verweisung des § 58 Abs. 2 Satz 1 GO NRW auf das Ratsverfahren wird vor diesem Hintergrund in der kommunalrechtlichen Kommentarliteratur durchweg dahin verstanden, dass sie auch und gerade für die Einberufung der Ausschüsse gilt. Deutlich formuliert dies Stibi, in: Kleerbaum Palmen, GO NRW, 1. Aufl. 2008, § 58 Nr. 1 f.: „[…] Im Hinblick auf das Verfahren [in den Ausschüssen, Anm. d. Verf.] finden insbesondere die Vorschriften der §§ 47, 48 bis 52 entsprechende Anwendung, soweit sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. […] Eine Rechtspflicht zur Einberufung ergibt sich außerdem aus der entsprechenden Anwendung des § 47 Abs. 1 S. 4, sodass der Ausschuss unverzüglich einzuberufen ist, wenn mindestens ein Fünftel der Ausschussmitglieder oder eine Fraktion dies unter Angabe der zur Beratung zu stellenden Gegenstände verlangt. […]“ 1. Wie bewertet die Landesregierung den oben beschriebenen Fall vor dem Hinter- grund geltender Normen sowie der zugehörigen Rechtsprechung? Eine Bewertung des beschriebenen Einzelfalles kann nicht vorgenommen werden, da der Landesregierung der konkrete Fall nicht bekannt ist. 2. Inwieweit findet § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW auch in den Ausschüssen kommuna- ler Vertretungen Anwendung? Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der Landesregierung, sondern der Gerichte, Rechtsnormen verbindlich auszulegen. Da der beschriebene Einzelfall der Landesregierung zudem nicht bekannt ist (siehe Antwort zu Frage 1), können die folgenden Antworten daher nur allgemein gehalten werden. Gemäß § 56 Absatz 1 Satz 1 GO NRW sind Fraktionen freiwillige Vereinigungen von Ratsmitgliedern oder von Mitgliedern einer Bezirksvertretung, die sich auf der Grundlage grundsätzlicher politischer Übereinstimmung zu möglichst gleichgerichtetem Wirken zusammengeschlossen haben. Anerkanntermaßen bestehen im Ausschuss keine Fraktionen, so dass Ausschussmitglieder, die im Rat der gleichen Fraktion angehören, im Ausschuss hingegen keinen Fraktionsstatus und auch keine Fraktionsrechte - wie z.B. zur Gestaltung der Tagesordnung - haben (Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, § 58 II. 3.; Kleerbaum/Palmen, GO NRW, § 58 IV. 2.). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Homogenitätsprinzip des Artikels 28 Absatz 1 Grundgesetz oder aus dem Grundsatz der Spiegelbildlichkeit von Rat und Ausschüssen . Danach repräsentiert der Rat die Gemeindebürger und diese Repräsentation vollzieht sich auch in den Ausschüssen des Rates, so dass diese als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum grundsätzlich widerspiegeln müssen (OVG NRW, Urteil vom 30.03.2004, Az.: 15 A 2360/02). Die Existenz von "Fraktionen im Ausschuss" auf kommunaler Ebene ergibt sich hieraus nicht. Soweit in der Kleinen Anfrage die Kommentierung von Kleerbaum/Palmen zu § 58 GO NRW zitiert wird, ist diese Kommentarstelle deshalb so zu verstehen, dass in entsprechender Anwendung des § 47 Absatz 1 Satz 4 GO NRW Fraktionen des Rates die Einberufung des Ausschusses unter Angabe der zur Beratung zu stellenden Gegenstände verlangen können. Während andere einschlägige Kommentare der GO NRW sich zu dieser Fragestellung nicht ausdrücklich äußern, gelangt Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, § 58 II. 3. zu LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3963 3 dem gleichen Ergebnis. Diese Auslegung der Regelung des § 58 Absatz 2 Satz 1 GO NRW erscheint vor dem Hintergrund der Begründung des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung - GO-Reformgesetz vom 9.10.2007, LT-Drs.14/3979, jedenfalls nachvollziehbar . Dort heißt es auf Seite 143 dazu: "Die vom Innenminister eingesetzte Reformkommission empfiehlt, der Ratsfraktion das Recht zu geben, auf die Gestaltung der Tagesordnung eines Ausschusses einwirken zu können (Landtag NRW Vorlage 13/1242 Seite 32). Diese Empfehlung knüpft an die Verweisung auf die "entsprechende Anwendung" der §§ 47 und 48 und daran an, dass eine Fraktion im Rat, nicht aber im Ausschuss besteht." Mit der Einfügung der Sätze 3 und 4 in § 58 Absatz 2 GO NRW durch das GO-Reformgesetz wurde erreicht, dass sowohl der Bürgermeister als auch die Ratsfraktion aus ihrem Interesse an der Ratsarbeit ("vorgelagerte Ratsarbeit" - siehe OVG NRW vom 19.04.2004, Az.: 15 A 4544/02) auf die Gestaltung der Tagesordnung des Ausschusses einwirken können (Held/Winkel/Wansleben, GO NRW, § 58 8.1 ). In diesem Kontext erscheint es vertretbar, den Fraktionen des Rates in entsprechender Anwendung des § 47 Absatz 1 Satz 4 GO NRW das Recht einzuräumen, die Einberufung einer Ausschusssondersitzung zu verlangen. 3. Darf der Ausschussvorsitzende einer kommunalen Vertretung die Einberufung einer fraktionsseitig beantragten Ausschusssondersitzung grundsätzlich verweigern ? Siehe Antwort zu Frage 2. 4. Aus welchen besonderen Gründen darf der Ausschussvorsitzende einer kom- munalen Vertretung die Einberufung einer fraktionsseitig beantragten Ausschusssondersitzung verweigern? In der Fragestellung wird vorausgesetzt, dass Fraktionen eine Ausschusssondersitzung beantragen können. Siehe dazu die Antwort auf Frage 2. Allgemein lässt sich feststellen, dass in den §§ 58 Absatz 2 Satz 1, 47 Absatz 1 Satz 4 GO NRW keine besonderen Gründe genannt werden, aus denen die Einberufung einer Rats- oder Ausschusssitzung ausnahmsweise abgelehnt werden kann. Ob gleichwohl in konkreten Fällen ausnahmsweise Gründe vorliegen können, eine Einberufung zu verweigern, kann immer nur aufgrund aller Umstände des Einzelfalles bewertet werden. 5. Welche Rechtsmittel empfiehlt die Landesregierung, um gegen Fehlentschei- dungen im oben beschriebenen Sinne vorzugehen? Da der konkrete Einzelfall der Landesregierung nicht bekannt ist, kann auch keine Aussage über mögliche Rechtsmittel gemacht werden. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe der Landesregierung , in Streitfällen einzelnen Fraktionen oder Ratsmitgliedern Empfehlungen zu möglichen Rechtsbehelfen zu geben.