LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/3988 12.09.2013 Datum des Originals: 12.09.2013/Ausgegeben: 17.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1556 vom 13. August 2013 des Abgeordneten Dr. Ingo Wolf FDP Drucksache 16/3806 Mehrkosten für den Kreis Heinsberg durch schulische Inklusion – Welche fachliche Konzeption verfolgt die Landesregierung zur Sicherstellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bei Schülern im Kreis Heinsberg angesichts des aktuellen Gutachtens der kommunalen Spitzenverbände in Nordrhein-Westfalen? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1556 mit Schreiben vom 12. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die rot/grüne Landesregierung plant weitreichende Änderungen bei der Beschulung von Kindern mit Behinderungen. In den kommenden Jahren sollen nach dem Willen der Landesregierung weniger Schüler in Förderschulen unterrichtet werden, und diese stattdessen allgemeine Schulen besuchen. Bei diesem Vorhaben ist jedoch einerseits fraglich, ob die heutige qualifizierte Förderung dieser Kinder durch entsprechend fachlich versiertes Lehrpersonal an Förderschulen auch im allgemeinen Schulsystem aufrechterhalten werden kann. Für die FDP-Landtagsfraktion sollte stets das Wohl eines jeden Kindes Entscheidungsgrundlage für den passenden Ort schulischer Förderung sein. Andererseits ist politisch hoch umstritten, wer die zusätzlichen Kosten dieser Inklusion zu tragen hat. Nach Auffassung der Landesregierung und ihrer grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann besteht bei dieser Frage keine Konnexitätsrelevanz. Wenn sich diese Auffassung letztlich bei der Gesetzesverabschiedung im Herbst 2013 durchsetzt, haben die nordrheinwestfälischen Kommunen und Kreise in Zukunft erhebliche Mehrkosten für die Beschulung von Kindern mit Behinderung zu tragen. Auch im Kreis Heinsberg wird diese Frage derzeit politisch kontrovers diskutiert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3988 2 Kritiker des Vorgehens der Landesregierung werden durch ein aktuelles Gutachten der drei kommunalen Spitzenverbände bestätigt: Das Gutachten eines Teams von Bildungs- und Finanzwissenschaftlern hat den zusätzlichen kommunalen Finanz- und Investitionsbedarf bei der Umsetzung der Inklusion in ausgewählten Beispielkommunen gründlich untersucht. Für den Kreis Borken ergeben sich demnach Mehrkosten in einer zweistelligen, für die Ruhrgebietsstadt Essen sogar Mehrkosten in einer mittleren zweistelligen Millionengrößenordnung. „Inklusion könnte Essen etwa 40 Millionen Euro kosten“ überschreibt die WAZ am 16. Juli 2013 einen Artikel, der die Ergebnisse dieses Gutachtens vorstellt, das der Städtetag, der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund in Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben haben. Mit dem Gutachten ist nun auch belegt, was seitens der FDP-Landtagsfraktion bereits seit langem vorgetragen wird: Die ohnehin finanziell angeschlagenen nordrheinwestfälischen Kommunen und Landkreise werden sich die hohen Investitionen für die von der Landesregierung geplante schulische Inklusion kaum leisten können, wenn sie dafür nicht gravierende Einschnitte an zahlreichen anderen Stellen der kommunalen Daseinsvorsorge hinnehmen wollen. Im Fall der Ruhrgebietsstadt Essen müssten laut Information der WAZ allein „für den Bau, den Umbau und die Ausstattung der erforderlichen Klassen- und Differenzierungsräume, der Fach- und Therapieräume sowie für die Herstellung von barrierefreien Zugängen zu den Schulgebäuden“ bis zum Jahr 2019/2020 mindestens 18 Millionen Euro investiert werden. Damit wären jedoch nur die Grundlagen geschaffen. Flankiert man diese Maßnahmen noch durch notwendige pädagogische Standards, wie beispielsweise verkleinerte Klassengrößen, sind allein für Essen Investitionen in Höhe von über 40 Millionen Euro einzuplanen. Hinzu kämen in den Jahren danach laufende Kosten für die Inklusion in Höhe von zwölf Millionen Euro pro Jahr für die Ganztagsbetreuung von Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf, für Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter, Integrationshelfer sowie Lehr- und Lernmittel. Die Gutachter bemängeln ferner, dass das Land bislang keine verbindlichen Standards benannt und festgelegt habe, die jedoch eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung eines inklusiven Schulsystems seien, wenn die Qualität der sonderpädagogischen Förderung nicht völlig außer Acht gelassen werden solle. Fest steht: Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf bedürfen einer professionellen, verlässlichen und zielgerichteten Unterstützung. Die bestmögliche Förderung dieser Kinder und Jugendlichen stellt eine der zentralen Herausforderungen der Politik auch für den Kreis Heinsberg dar. Die Umsetzung dieses Anspruchs muss mit dem Ziel erfolgen, höchste Qualitätsstandards zu wahren. Die Herausforderung besteht daher darin, für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf qualitativ hochwertige Förderbedingungen zu entwickeln. Dies gilt auch dann, wenn Schüler an allgemeinen Schulen betreut werden. Der Kreis Heinsberg darf vom Land nicht bei dieser Mammutaufgabe alleingelassen werden. Für die Ruhrgebietsstadt Essen und den Kreis Borken ist also durch das vorgenannte Gutachten bekannt, welche enormen auch finanziellen Herausforderungen für die Kommune und Kreise zu stemmen sind, um Inklusion umzusetzen. Es ist davon auszugehen, dass auch seitens des Kreises Heinsberg Investitions- und Betriebskosten in erheblicher Millionenhöhe aufgewendet werden müssen, um die bestmöglichste sonderpädagogische Förderung der Schüler vor Ort auch zukünftig gewährleisten zu können. Das Schulministerium legt in seiner Veröffentlichung zur sonderpädagogischen Förderung in Nordrhein-Westfalen (Vorlage 16/420) umfangreiches Zahlenmaterial vor, das allerdings LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3988 3 keine direkten Rückschlüsse auf die Situation in den einzelnen Städten und Gemeinden zulässt . Eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation in den Schulen vor Ort ist aber für die Schulplanung ebenso zwingend notwendig wie die Kenntnis der zu erwartenden Kosten. 1. In etwa welcher Höhe ist für den Kreis Heinsberg mit zusätzlichen Investitions- und Betriebskosten zu rechnen, wenn man den Berechnungen für den Kreis Heinsberg analog die konzeptionellen Überlegungen, Zahlen und Daten des Gutachtens der Ruhrgebietsstadt Essen bzw. des Landkreises Borken zugrunde legt? 2. Welchen Anteil der sich für den Kreis Heinsberg zusätzlich ergebenden Kosten ist die Landesregierung bereit, dem Kreis durch ergänzende Mittelzuweisung zur Verfügung zu stellen, falls diese zur Ausweitung ihrer schulischen Inklusionsplätze zukünftig schulgesetzlich verpflichtet werden sollte? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Die Fragen lassen sich vor dem Hintergrund des Gutachtens der kommunalen Spitzenverbände „Mögliche kommunale Folgekosten der Umsetzung der Inklusion im Schulbereich in Nordrhein-Westfalen am Beispiel der Stadt Essen und des Kreises Borken“ für den Kreis Heinsberg nicht beantworten. Die Landesregierung hat dieses Gutachten analysiert. Für die Landesregierung liefert das von den Kommunalen Spitzenverbänden (KSV) im Juli vorgestellte Gutachten zu möglichen kommunalen Folgekosten der schulischen Inklusion kein zutreffendes Bild der tatsächlichen Kosten, die sich aus dem Entwurf für das erste Gesetz zur schulischen Inklusion ergeben. Dies ist aus meinem Bericht vom 5. September 2013 an den Landtagsausschuss für Kommunalpolitik ersichtlich, mit dem ich der Bitte der FDP-Fraktion des Landtags nach einer schriftlichen Stellungnahme zu kommunalen Folgekosten der schulischen Inklusion in Nordrhein-Westfalen nachkomme und aus meinem Schreiben an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung gleichen Datums. Hierzu verweise ich auf die Landtagsvorlagen 16/1090 (Bericht) und 16/1091 (Schreiben). 3. Wie viele Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind im zurückliegen- den Schuljahr in den namentlich jeweils einzelnen Schulen im Kreis Heinsberg unter Angabe der jeweiligen Förderschwerpunkte unterrichtet worden? (bitte aufschlüsseln für alle allgemeinen Schulen und Förderschulen) Die Daten können der Tabelle im Anhang entnommen werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden Zellen, in denen weniger als 5 Schülerinnen und Schüler genannt werden, mit einem „X“ ausgewiesen. Diese Schülerzahlen werden in den Fällen bei den Randsummen nicht berücksichtigt, in denen anhand der Randsummen eine Rückrechnung auf die nicht ausgewiesenen Schülerdaten erfolgen könnte. 4. Wie viele der insgesamt gestellten Anträge auf Eröffnung eines AO-SF- Verfahrens sind während des zurückliegenden Schuljahres im Kreis Heinsberg abgelehnt worden? (bitte Quote und absolute Zahlen benennen) Informationen zur Anzahl der Anträge auf Eröffnung eines AO-SF-Verfahrens und der Zahl bzw. Quote der Ablehnungen liegen dem Ministerium für Schule und Weiterbildung nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/3988 4 5. Wie hat sich in den letzten fünf Schuljahren im Kreis Heinsberg die Zahl der Sonderpädagogen absolut und im Verhältnis zur Zahl der Schüler mit festgestelltem sonderpädagogischen Förderbedarf entwickelt? (bitte schuljahresbezogene Darstellung) Die entsprechenden Daten können der nachstehenden Tabelle entnommen werden. Als Sonderpädagogin oder Sonderpädagoge wird jede Person erfasst, die mindestens eines der folgenden Lehrämter erworben hat:  Sonderpädagogische Förderung  Sonderpädagogik  Sonderschulen – altes Lehramt –  Sonderpädagogik und Primarstufe  Sonderpädagogik und Sekundarstufe I  Sonderpädagogik LPO 03  Sekundarstufe II und Sonderpädagogik oder als Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter, Erzieherin oder Erzieher bzw. sonstige pädagogische Unterrichtshilfe über eine sonderpädagogische Zusatzausbildung verfügt. 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen 190 197 204 199 188 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf 1.595 1.528 1.504 1.551 1.494 Schülerinnen und Schüler mit sonderpäd. Förderb. je Sonderpädagogin/-pädagoge 8,4 7,8 7,4 7,8 7,9 Kreis Heinsberg Zeitreihe Verhältnis der Lehrkräfte mit sonderpädagogischen Lehrämtern – Kreis Heinsberg – Schuljahr bezogen auf Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf Kleine Anfrage 1556 - Drucksache 16/3806 Anlage zu der Frage 3 Emotionale und soziale Entwicklung Geistige Entwicklung Hören und Kommunikation Körperliche und motorische Entwicklung Lernen Sehen Sprache zusammen allgemeine Schule Erkelenz, GH Zehnthofweg 5 - - - - - X 5 Erkelenz, Gym Cornelius-Burgh-Gymnasium X - - - - X - X Erkelenz, KG Franziskus-Schule 11 X - X 7 X 12 36 Erkelenz, RS Europaschule - X X - - - - X Gangelt, GH Mercartorstraße 10 - - - X - X 15 Gangelt, KG Nikolaus X - - X X - X 5 Geilenkirchen, BK des Kreises Heinsberg 11 - - - - - - 11 Geilenkirchen, BK Erlenweg - - - - 23 - - 23 Geilenkirchen, GG Sittarder Str. X X - X X - - 9 Geilenkirchen, KG Brucknerstr. X - - - 8 X - 8 Heinsberg, GG Westpromenade 9 - - X 19 - X 32 Heinsberg, GH Oberbruch 5 - - - 31 X - 36 Heinsberg, RS Im Klevchen - - X - - - - X Heinsberg, RS Parkstr. X - X - - - - 5 Hückelhoven, GE Hückelhoven - - - X X - - X Hückelhoven, GG Dinstühlerstr. X - X - 7 - X 13 Hückelhoven, GG Johann-Holzapfel - - - - - X - X Hückelhoven, GG Mühlenbachschule - - - - X - - X Hückelhoven, GG VII Im Weidengrund - - - - X - - X Hückelhoven, GH C.F. von Weizsäcker X - - - - - - X Hückelhoven, GH In der Schlee 5 - - - 32 - - 37 Übach-Palenberg, GG Frelenberg 5 - - X 16 - 5 26 Übach-Palenberg, GG Lindenschule X - - - X - X 5 Übach-Palenberg, GH Friedensstr. - - - - 21 - - 21 Übach-Palenberg, KG Freiheitstr. - - - - - X - X Wassenberg, GE Betty-Reis X - - - 6 - - 6 Wassenberg, KG Birgelen 12 - X - 16 X 5 33 Wegberg, GG Kastanienschule X - - - X - X 8 Wegberg, GH Schule am Grenzlandring 8 - - X 11 - - 19 Wegberg, KG Arsbeck X - - - 7 - 9 16 Förderschule Erkelenz, FÖ LE Pestalozzischule - - - - 146 - - 146 Gangelt, FÖ LE Mercator-Schule X X - - 109 X - 117 Geilenkirchen, FÖ ES Janusz-Korczak 143 - - - - - - 143 Heinsberg, FÖ GG Rurtal-Schule - 234 - - - - - 234 Heinsberg, FÖ LE Don-Bosco-Schule - - - - 141 - - 141 Heinsberg, FÖ SQ Gebrüder-Grimm-Schule - - - - - - 112 112 Hückelhoven, FÖ LE, ES, SQ Peter-Jordan 55 - - - 96 - 5 156 Übach-Palenberg, FÖ LE Comenius-Schule - - - - 47 - - 47 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach Schulart, Schule und Förderschwerpunkt Kreis Heinsberg – Schuljahr 2012/13 Schule Förderschwerpunkt