LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4072 20.09.2013 Datum des Originals: 19.09.2013/Ausgegeben: 25.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1572 vom 15. August 2013 des Abgeordneten Rainer Deppe CDU Drucksache 16/3854 Verbot bleihaltiger Jagdmunition Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1572 mit Schreiben vom 19. September 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Landesregierung NRW hat durch ihren Umweltminister Johannes Remmel auf den Landesjägertagen 2012 in Düsseldorf und 2013 in Münster verkünden lassen, dass sie eine rasche Einführung eines Verbotes bleihaltiger Büchsenmunition bei der Jagd auch in NRW anstrebe. Diese Aussage hat sie in Beantwortung der Kleinen Anfrage 1291 (Drs. 16/3359) insofern konkretisiert, dass sie plant, in ihr sog. „ökologisches Landesjagdgesetz“ ein landesweites Verbot bleihaltiger Munition aufzunehmen. Des Weiteren führt die Landesregierung aus, dass ihr eigene Untersuchungen zum Thema Jagdmunition nicht vorliegen. Als Grundlage für ihre Entscheidung, im Staatswald ausschließlich Munition ohne einen Anteil von Blei zuzulassen, führt die Landesregierung an, sie stütze sich auf Untersuchungen, die das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Auftrag gegeben habe. Auf einem Symposium zur Jagdmunition im Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin -Marienfelde am 18. und 19. März 2013 wurden Erkenntnisse mehrerer aus Bundeshaushaltsmitteln finanzierter Forschungsvorhaben zu Abprallverhalten, Tötungswirkung und Lebensmittelsicherheit vorgestellt und diskutiert. Dabei wurden bleihaltige und bleifreie Geschosse verglichen, sowie jagdliche Fragen sowie Aspekte des Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzes erörtert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4072 2 Nach Angaben des BMELV sind allerdings noch nicht alle von ihm initiierten Forschungsvorhaben zum Abschluss gekommen. Die derzeitigen Aussagen, z.B. zur Untersuchung zur Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret, beruhten erst auf rund 1/3 der im Stichprobenplan vorgesehen Proben. Auch die Untersuchung zur Tötungswirkung von bleifreien Büchsengeschossen sei noch nicht abgeschlossen. Offenbar bestehen also nach wie vor Zweifel, ob bleifreie Büchsenmunition hinsichtlich ihres Abprallverhaltens und ihrer Tötungswirkung die jagdlichen Anforderungen erfüllen kann. Dies wird auch im Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der Abgeordneten des SSW im Landtag von Schleswig-Holstein zur Änderung des dortigen Landesjagdgesetzes erkennbar. Dieser sieht trotz des beabsichtigten generellen Verwendungsverbots bleihaltiger Büchsenmunition eine Verordnungsermächtigung vor, die in § 19 Abs. 1 Nr. 2 a und b BJG vorgegebenen Mindestkaliber und Mindestauftreffenergien für Geschosse zu modifizieren, falls sich dies im Zuge „weiterer ballistischer Untersuchungen sowie durch Praxiserfahrungen “ als notwendig erweise. Aus alledem ergibt sich, dass abschließende Erkenntnisse über die Verwendung bleifreier Büchsenmunition bei der Jagdausübung im Hinblick auf die Lebensmittelsicherheit des Wildbrets , die Unfallverhütung (Abprallverhalten der Geschosse) sowie die tierschutzgerechte Tötungswirkung noch nicht vorliegen. Im Gegenteil, die von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Auftrag gegebenen Studie der HNE Eberswalde vom 30.11.2012 kommt zu dem Ergebnis, dass die derzeit erhältliche bleifreie Büchsenmunition die gesetzlichen Mindestvorgaben des § 19 Abs. 1 Nr. 2 a und b BJG nicht durchgängig erfüllt . Nach der Förderalismusreform von 2006 steht nach Auffassung der Bundesregierung die waffenrechtliche Gesetzgebungskompetenz ausschließlich dem Bund zu, da es zur Vereinheitlichung von Mindeststandards der bei der Jagdausübung zulässigen Büchsenmunition einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf 1. Auf Grund welcher Untersuchungsergebnisse hält die Landesregierung die in der Vorbemerkung der Anfrage aufgeführten offenen Fragen zu den Auswirkungen der Verwendung bleifreier Munition für hinreichend geklärt? Seit 2006 wird über die Nachteile bleihaltiger Munition bei der Jagd diskutiert. Aussagen aus nachstehenden Untersuchungen liegen vor: - Schlussbericht der Deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen e. V. zu „Abprallverhalten von Jagdmunition“ - Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern zum „Vergleich der Gefährdung durch abgeprallte bleihaltige und bleifreie Jagdgeschosse“ - Abschlussbericht der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde zu „ergänzende Untersuchungen zur Tötungswirkung bleifreier Geschosse“. Erste Auswertungen bei der Untersuchung zur „Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret“ zeigen schon jetzt, dass Wildbret, wenn es mit Bleigeschossen gejagt wird, signifikant höhere Gehalte an Blei aufweist als die analogen Proben von Tieren, die bleifrei erlegt wurden. Aus den bis heute vorliegenden Untersuchungsaussagen, wie sie anlässlich der beiden Symposien in 2011 und 2013 in Berlin umfangreich vorgestellt wurden, ergeben sich keine Hinweise, die gegen ein Verbot bleihaltiger Munition sprechen. Bleifreie Munition wird bereits LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4072 3 heute auf freiwilliger Basis von Jägerinnen und Jägern verwendet. Entsprechende bleifreie Munition ist am Markt erhältlich. Das Produktangebot für bleifreie Munition wird seitens der Munitionshersteller ständig durch Entwicklungsfortschritte erweitert. Brandenburg und Rheinland Pfalz haben für den Staatswald seit 01.04.2013 ebenfalls die Verwendung bleifreier Munition vorgegeben. Niedersachsen hat für den Staatswald angekündigt , ab 01.04.2014 bleifreie Munition vorzuschreiben. 2. Auf welche Erkenntnisse stützt die Landesregierung ihre Gewissheit, dass die derzeit am Markt erhältliche bleifreie Büchsenmunition Mindestvorgaben des § 19 Abs. 1 Nr. 2 a und b BJG erfüllt und eine tierschutzgerechte und effiziente Jagdausübung gewährleistet? Das Angebot an bleifreier fabrikmäßig hergestellter Büchsenmunition ist in Deutschland bereits umfangreich. Für die verschiedenen Jagdzwecke (Drückjagd, Jagd auf schweres Wild, größere Schussdistanzen u. a.) gibt es entsprechende bleifreie Geschosskonstruktionen. Auch für bleifreie Geschosse liegen ballistische Daten vor, anhand dessen die Mindestvorgaben des § 19 BJG abgeglichen werden können. 3. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Jäger in NRW zurzeit noch keine flächendeckende Möglichkeit besitzen, ihre Jagdwaffen mit bleifreier Munition auf dafür geeigneten und zugelassenen Schießständen einschießen und damit üben zu können? Es trifft zu, dass derzeit nicht alle jagdlich genutzten Schießstände für die Verwendung bleifreier Munition zugelassen sind. Nach Auskunft des Landesjagdverbands NRW sind aktuell 11 jagdlich genutzte Schießstände für bleifreie Munition zugelassen. Die Umrüstung der Schießstätten bildet einen Förderschwerpunkt bei der Verwendung der Mittel aus der Jagdabgabe, so dass die Zahl der bleifrei nutzbaren Schießstände kontinuierlich steigt. Hinzu kommen Schießstände von privaten Betreibern und Fachgeschäften der Büchsenmacher -Innung. 4. Aus welchen Gründen hält die Landesregierung die Einführung der ausschließli- chen Verwendung bleifreier Jagdmunition durch den Landesbetrieb Wald und Holz NRW, dem doch eine gewisse Vorbildfunktion zugemessen wird, zum 1. April 2013 bei der Verwaltungsjagd mit Blick auf die Unfallverhütung und den Tierschutz für vertretbar, obwohl nach den von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen und auf den Symposien des BfR vorgestellten Untersuchungen abschließende Ergebnisse zum Abprallverhalten und zur tierschutzgerechten Tötungswirkung bleifreier Jagdmunition noch ausstehen? Siehe Antwort zu Frage 1. 5. Wie begründet die Landesregierung angesichts der von der Bundesregierung vertretenen Auffassung der ausschließlichen waffenrechtlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes die kompetenzielle Zuständigkeit des Landtags für das auf dem gesamten Landesgebiet vorgesehene Verbot bleihaltiger Büchsenmunition ? LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4072 4 Die Landesregierung teilt die Auffassung des Bundes nicht, sondern sieht in § 19 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 1 BJagdG eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für landesrechtliche Regelungen. Diese Regelung ermächtigt die Länder, die sachlichen Verbote des § 19 Absatz 1 BJagdG (u. a. Regelungen zur geeigneten Jagdmunition) zu erweitern oder aus besonderen Gründen zu beschränken. Im Übrigen wird eine bundeseinheitliche Regelung bevorzugt. Sollte diese jedoch nicht zeitnah geschaffen werden, wird die Landesregierung dem Gesetzgeber eine landesrechtliche Regelung vorschlagen.