LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4080 23.09.2013 Datum des Originals: 23.09.2013/Ausgegeben: 26.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1583 vom 28. August 2013 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/3907 Erhebungsaufwand für die Besteuerung kleinerer und mittlerer Unternehmen – Welcher Bürokratieaufwand entsteht durch Erbschaftsteuerfälle bei kleineren und mittleren Unternehmen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1583 mit Schreiben vom 23. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die rot/grüne Landesregierung versucht aus Sicht der FDP-Landtagsfraktion unverändert, durch eine Umverteilungsdebatte von den Auswirkungen ihrer schlechten Finanzpolitik abzulenken . Dazu gehört auch der erklärte Wille, wieder eine Steuer auf Vermögen in unserem Land einzuführen. Dies soll geschehen, obwohl das Bundesverfassungsgericht die Vermögensteuer alter Konstruktion im Jahr 1995 schon einmal mit guten Gründen für verfassungswidrig erklärt hat. Neben vielen fachlichen Argumenten gegen die Einführung einer neuen Vermögensteuer, die auch die Landtagsanhörung unlängst verdeutlicht hat, gibt es unverändert berechtigte Zweifel, ob der enorme Datenerhebungsaufwand in einem adäquaten Verhältnis zu denkbaren Erträgen steht. Bereits heute ist die Veranlagung zur Erbschaftsteuer bei kleineren und mittleren Unternehmen mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden. Bei Großunternehmen ist dieser Aufwand noch vergleichsweise gut leistbar, da dort die Konzernbetriebsprüfung nahezu ganzjährig im Haus ist und dem Finanzamt sämtliche Unterlagen im Detail bekannt sind. Problematisch ist jedoch die Situation bei kleineren und mittleren Unternehmen nach KMUDefinition der EU. Bei einer Vermögensteuerveranlagung ist der Aufwand ungleich größer als für die Bewertung einer Erbschaft. Derlei Generationsübergänge in Betrieben finden durchschnittlich selten statt, wohingegen geplant ist, die Vermögensteuer jährlich abzuführen und somit dort auch die Notwendigkeit der jährlichen Überprüfung besteht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4080 2 Vor dem Hintergrund besorgter Hinweise mittelständischer Unternehmen aus NordrheinWestfalen und den aus der Einführung der Vermögensteuer resultierenden enormen zusätzlichen Kosten für den Landeshaushalt ist es für das Parlament von hohem Interesse, präzise zu erfahren, wie sich der bürokratische Aufwand durch die Erbschaftsteuer bereits heute darstellt und welche Erkenntnisse sich daraus für eine mögliche zukünftige Erhebung einer Vermögensteuer aus Sicht des Finanzministeriums ableiten lassen. Vorbemerkung der Landesregierung Wie bereits in der Antwort der Landesregierung vom 14.05.2013 (Drucksache 16/2936) zur Kleinen Anfrage 1053 der Abgeordneten Ralf Witzel und Henning Höne der Fraktion der FDP vom 10.04.2013 (Drucksache 16/2566) dargestellt, ist der für die Erbschaftsteuer entstehende Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Aufkommen angemessen und akzeptabel. Auf die dortigen Ausführungen wird ergänzend verwiesen. Aus Sicht der Landesregierung sind Steuergerechtigkeit und eine faire Finanzierung des Gemeinwesens tragende Grundpfeiler eines funktionierenden und handlungsfähigen Staatswesens . Die Landesregierung hält die stärkere Beteiligung hoher Einkommen und großer Vermögen an der Finanzierung staatlicher Aufgaben für erforderlich und gerecht. Die Bildung und Sicherung von Vermögen ist ohne ein leistungsfähiges Gemeinwesen nicht denkbar. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine grundsätzliche Reform zur verfassungsfesten Ausgestaltung der Erbschaftsteuer sind wesentliche Beiträge zur Wiederherstellung der Steuergerechtigkeit in Deutschland und wichtige Bausteine im Rahmen des steuerpolitischen Gesamtkonzepts der Landesregierung. Als erster wichtiger Schritt ist ganz wesentlich auf Initiative der Landesregierung und nach langem Widerstand der FDP-Bundestagsfraktion im Rahmen des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.06.2013 die Streichung des Gestaltungsmodells der sogenannten „Cash-GmbH“ gelungen, die dazu dienten, dass die erbschaftsteuerliche Privilegierung kleiner Unternehmen für die Umgehung der Erbschaftsteuer auf große Privatvermögen missbraucht wurde. 1. In wie vielen Fällen sind jeweils jährlich in den zurückliegenden fünf Jahren Sachverhalte steuerwirksam geworden, bei denen Betriebsvermögen vererbt worden ist? Erbschaftsteuerfälle mit Betriebsvermögen sind in den letzten fünf Jahren in NordrheinWestfalen in nachfolgenden Fallzahlen veranlagt worden: 2008: 902 Fälle 2009: 780 Fälle 2010: 830 Fälle 2011: 985 Fälle 2012: 984 Fälle Diese Fallzahlen enthalten sämtliche Erstfestsetzungen unbeschränkt Steuerpflichtiger mit positivem Betriebsvermögen und positivem steuerpflichtigen Erwerb des jeweiligen Jahres. Schenkungen sind nicht enthalten. Differenzierte Aussagen zu kleinen und mittleren Unternehmen (KMU-Unternehmen) und sonstigen Fällen sind nicht möglich, da entsprechende Daten nicht vorliegen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4080 3 2. Wie viele Erbschaftsteuerfälle bei KMU-Unternehmen gemäß EU-Definition haben seit dem Jahr 2000 mehr als drei Jahre bis zu ihrer abschließenden Regelung angedauert? (Angaben bitte absolut und in Prozent) Eine Aussage speziell zu KMU-Fällen ist nicht möglich, da entsprechende Informationen nicht vorliegen. Es kann lediglich eine Aussage zu allen Erbschaftsteuerfällen (ohne Differenzierung ) getroffen werden. Außerdem liegen keine Statistiken vor zu Fällen, bei denen sich die Bearbeitung länger als drei Jahre hinzog. Es können nur Zahlen zu den sog. "Altfällen " genannt werden. Altfälle sind wie folgt definiert: - Offene Fälle ohne Erklärungsversand, die älter als 1 Jahr sind, zuzüglich - offene Fälle mit Erklärungsversand, aber noch ohne Erklärungs-eingang, die älter als 2 Jahre sind. Stichtag Fallzahlen (Altfälle) absolut Altfälle bezogen auf alle Erbfälle des Jahres 31.12.2000 3 892 1,54 % 31.12.2001 4 561 1,47 % 31.12.2002 3 108 1,03 % 31.12.2003 4 100 1,35 % 31.12.2004 2 171 0,74 % 31.12.2005 1 702 0,59 % 31.12.2006 898 0,32 % 31.12.2007 854 0,30 % 31.12.2008 833 0,29 % 31.12.2009 523 0,18 % 31.12.2010 721 0,25 % 31.12.2011 503 0,18 % 31.12.2012 512 0,18 % Die hohe Anzahl an Altfällen zu Beginn des angefragten Zeitraums steht in Zusammenhang mit der grundlegenden Reform der Erbschaftsteuer im Jahr 1997. Unter anderem als Folge umfangreicher Vorarbeiten der Verwaltung im Bereich der Herausgabe grundlegender Weisungen , der IT-Unterstützung, der Vordruckentwicklung und der erforderlichen Einarbeitung der Beschäftigten in das neue Recht hatten sich bei den Erbschaftsteuerfällen hohe Rückstände aufgebaut, die in den Folgejahren schrittweise abgebaut wurden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4080 4 3. Wie viele Erbschaftsteuerfälle bei KMU-Unternehmen gemäß EU-Definition haben eine gerichtliche Klärung erfordert? (Angaben bitte absolut und in Prozent) Zu dieser Frage liegen der Landesregierung keine Zahlen vor. 4. Wie groß ist für die Finanzverwaltung der zeitliche Aufwand für die Prüfung einer durchschnittlichen Erbschaftsteuererklärung bei KMU-Unternehmen gemäß EUDefinition ? Zeitwerte für die Prüfung einer durchschnittlichen Erbschaftsteuererklärung liegen der Landesregierung nicht vor, und damit auch nicht für Erklärungen bei KMU-Unternehmen. Der Personalbedarf für die Bearbeitung der Erbschaftsteuerfälle wird anhand pauschaler Parameter (Einwohnerzahl und Bruttowertschöpfung des regionalen Gebietes) ermittelt. 5. Gibt es bezüglich der Bearbeitungsdauer und Konfliktquote bei Erbschaftsteuer- fällen einen Unterschied zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Bundesschnitt bzw. Erfahrungswerten anderer Bundesländer? Hinsichtlich der erfragten Kennzahlen liegen keine Vergleichswerte aus anderen Ländern vor. Ein Bundesdurchschnitt ist ebenfalls nicht bekannt. Für Nordrhein-Westfalen können folgende Zahlen genannt werden: Bei den im Jahr 2012 durch Steuerfestsetzung erledigten Erbschaftsteuerfällen betrug die mittlere Durchlaufzeit 374 Kalendertage. Durchlaufzeit ist der Zeitraum zwischen Eingang der Sterbeanzeige und der erstmaligen Steuerfestsetzung (Datum des Bescheids). Die auf alle Erbschaftsteuerfälle bezogene Anfechtungsquote (ohne Unterscheidung in KMUUnternehmen und andere Fälle) belief sich im Jahr 2012 auf 12,89 %. Die Anfechtungsquote errechnet sich aus der Anzahl der eingelegten Rechtsbehelfe zur Zahl der erlassenen Steuerbescheide .