LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4088 24.09.2013 Datum des Originals: 24.09.2013/Ausgegeben: 27.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1581 vom 28. August 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3898 Finanzminister sorgenfrei im Steuerparadies – Welchen konkreten eigenen Aufklärungsbeitrag leistet der Portigon-Aufsichtsrat zur transparenten Untersuchung des Offshore-Pensionssystems auf Jersey? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1581 mit Schreiben vom 24. September 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Obwohl, so der Finanzminister, der Einstieg in die Fragestellung erhebliche Zweifel an deren Ernsthaftigkeit aufwirft. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sucht gezielt im Vorfeld der Bundestagswahl eine offene Konfrontation mit der Bundesregierung im Wettstreit um die härteste Vorgehensweise gegen Steuerdelikte in unserem Land. In einer aktuellen Medieninformation vom 19. August 2013 unterstellt er dem Bund beispielsweise, „offenkundig bewusst inkonsequent gegen Steuerhinterziehung“ zu agieren. Ausweislich seines Pressestatements Nr. 676 führt der Finanzminister unter anderem dazu wörtlich aus: „Das zeigt die wahre Haltung dieser Bundesregierung gegenüber organisierter Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Mit der Wahl des Zeitpunkts für die Unterschrift in den Sommerferien hat der Bundesfinanzminister offenbar geglaubt, dass es die Masse der Bürgerinnen und Bürger nicht merkt, aber eine gewisse Klientel noch vor der Wahl das Signal erhält, dass es mit den starken Tönen gegen Steuerhinterziehung nicht ganz so ernst gemeint ist.“ An diesem artikulierten eigenen Anspruch wird sich der Finanzminister sicher auch selber gern messen lassen wollen, wenn es um die lückenlose Aufklärung der in Rede stehenden Konstruktion des Portigon-Pensionsfonds geht. In seinem Recherchebeitrag „Sorgenfrei im Steuerparadies“ vom 2. August 2013 tätigt das Handelsblatt bemerkenswerte Enthüllungen zu den Aktivitäten der Personalservicegesellschaft „Portigon International Services Ltd.“, die seit 1998 Pensionspläne für Anspruchsinhaber des WestLB-Konzerns betreibt. Die sich im LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4088 2 alleinigen Landeseigentum befindende Portigon AG betreibt als Rechtsnachfolger der WestLB in der Offshore-Destination Jersey eine Briefkastenfirma ohne eigenes Personal für die Altersvorsorge der WestLB-Beschäftigten. Die Kanalinsel Jersey gilt als Steueroase, die bisher kaum am internationalen Austausch von Bankdaten teilnimmt. Jersey gehört nicht zum Vereinigten Königreich und ist nicht vom britischen Parlament abhängig und verfügt daher über eine eigene Gesetzgebung, Verwaltung und ein autonomes, völlig unabhängiges Steuersystem, mit dem das Ziel verfolgt wird, diverse ausländische Investoren anzulocken. Die Pensionspläne der Landesbank werden auch gegenwärtig und weiterhin von Jersey aus administriert. Mit einer zeitnahen Beendigung dieses Geschäfts ist nicht zu rechnen. Inhalt dieser Plattform ist es offenbar, Altersvorsorge durch Gehaltsumwandlung zu bilden. Zu der Frage, welche steuerlichen Auswirkungen dieses Pensionssystem für den deutschen Fiskus hat, gibt es bislang keine hinreichende Klarheit. Die zuvor zitierte Berichterstattung legt die Vermutung nahe, „dass es auch bei der WestLB um ein System zur – wenn auch möglicherweise legalen – Steuervermeidung für Bankerboni ging.“ Vergleiche mit anderen Pensionsplänen zeigten die Intention der Errichter, hohe Boni vor dem Zugriff des Fiskus zu bewahren. Die Zulässigkeit dieser Konstruktionen werde daher auch gegenwärtig im Ausland vor Gerichten verhandelt. Begünstigte des innovativen Pensionssystems sind offenbar Spitzenbanker der WestLB am Finanzplatz London, die angeblich nicht britischer Nationalität gewesen sind. Sollten auch in Deutschland steuerpflichtige Großverdiener der Landesbank von diesem Jersey-Konstrukt betroffen sein, stellt sich mithin nicht nur die allgemeine Frage, warum bloß Modelle für eine auch hierzulande übliche Entgeltumwandlung in Altersvorsorge ausgerechnet von besagter Kanalinsel aus aufgelegt worden sind und nicht im deutschen Rechtsrahmen, sondern ob und wie sichergestellt gewesen ist, dass die deutschen Steuerbehörden vollumfänglich Kenntnis von den Finanzströmen gehabt haben. Bereits gegenüber der Rheinischen Post (im Artikel „WestLB-Geschäfte in Steueroasen“ vom 6. Mai 2013) hat Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans erklärt: „Mir liegen weder Informationen über legale noch über illegale Praktiken der WestLB beziehungsweise Portigon im Zusammenhang mit der Umgehung von Steuerzahlungen vor." Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans sitzt derzeit als Eigentümervertreter für das Land im Aufsichtsrat der Portigon AG. Es ist aufgrund seiner bisherigen Einlassungen fest davon auszugehen, dass er im Interesse des nordrhein-westfälischen Steuerzahlers die lückenlose Aufklärung des Jersey-Pensionssystems proaktiv vorantreibt, seitdem ihm diese Umstände bekannt sind, um alle nach der öffentlichen Berichterstattung aufgeworfenen Fragen auch vollumfänglich zu klären. Dies dürfte insbesondere auch im hohen Interesse der Portigon AG liegen – insbesondere dann, wenn es keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Grund für ein Schweigen zu den Vorgängen geben sollte. 1. Seit welchem Datum genau hat Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans erstmals Kenntnis von dem Umstand der Existenz des Jersey-Pensionssystems erlangt? Anlässlich der Presseberichterstattung am 06. Mai 2013 über WestLB-Geschäfte in Steueroasen hatte der Vorstand der Portigon AG den Aufsichtsrat taggleich über die Hintergründe der in der Presse genannten Beteiligungen informiert. In diesem LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4088 3 Zusammenhang erlangte Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans erstmals Kenntnis von der Existenz des Jersey-Pensionssystems. 2. Wann genau hat der Finanzminister in Wahrnehmung seiner Eigentümerverantwortung, jeweils differenziert nach den einzelnen Maßnahmen, konkrete Schritte zur Aufklärung der Vorgänge und Konstruktion des Jersey-Pensionssystems unternommen? Die Verantwortung des Eigentümers Land und des Bundes als mithaftendem Beteiligten wird nicht durch einen einzelnen Amtsträger, sondern durch die Gesamtheit der Eigentümervertreterinnen und -vertreter im Aufsichtsrat wahrgenommen. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat den Vorstand noch am Tag der Presseberichterstattung zu einer umfassenden Erklärung aufgefordert. Mit Schreiben vom 06. Mai 2013 wurde der Aufsichtsrat der Portigon AG als Reaktion auf die Presseberichterstattung vom Vorstand über die WestLB-Geschäfte in Steueroasen unterrichtet. Ferner wurde dem Aufsichtsgremium am 3. Juni 2013 die Antwort der Portigon AG auf ein institutsübergreifendes Auskunftsersuchen der Deutschen Bundesbank zugeleitet. Darüber hinaus wurde der Aufsichtsrat am 2. August 2013 angesichts weiterer Pressemeldungen zu den Aktivitäten der WestLB in Steueroasen vom Vorstand umfassend über den Geschäftszweck der WestLB International Services Ltd., Jersey, informiert. 3. Wie viele Deutsche sowie in Deutschland üblicherweise steuerpflichtige Personen haben sich seit Gründung des Jersey-Pensionssystems im Kreis dieser Anspruchsberechtigten befunden? (Angaben bitte in absoluten Zahlen und anteilig an der Gesamtzahl der vom Pensionssystem Begünstigten) Zum Kreis der Anspruchsberechtigten, der aus gut zwanzig Personen besteht, zählen drei deutsche Staatsbürger. 4. Auf welche Weise ist seitens der WestLB / Portigon AG sichergestellt oder wenigstens darauf hingewirkt (worden), dass eine ordnungsgemäße steuerliche Behandlung dieser Ansprüche aus dem Jersey-Pensionssystem erfolgt? Die WestLB International Services Ltd., Jersey (zwischenzeitlich umfirmiert in Portigon International Services) wurde im Jahr 1998 von der damaligen Tochtergesellschaft der WestLB, der West Merchant Bank, auf Basis der in Großbritannien geltenden gesellschaftsrechtlichen Erfordernisse gegründet. Es handelt sich dabei um einen marktüblichen, international steuerlich anerkannten und von den Steuerbehörden in Großbritannien akzeptierten Pensionsplan. Die Tätigkeit der Gesellschaft war Gegenstand von Prüfungen der Steuerbehörden auf Jersey sowie der britischen Steuerbehörde HM Revenue Customs (HMRC) und gab zu Beanstandungen keinerlei Anlass. Mitarbeiter, die an dem Pensionssystem teilnahmen bzw. noch teil-nehmen, waren bei der WestLB in London angestellt, aber nicht britischer Nationalität. Sie hatten die Möglichkeit, aus ihrem Gehalt im Wege einer – auch in Deutschland üblichen – Entgeltumwandlung (Deferred Compensation) eine Altersversorgung aufzubauen. Konkret bedeutete das: Der Arbeitgeber zahlte einen monatlichen Beitrag in den Pensionsplan ein. Der Mitarbeiter konnte aus seiner variablen Vergütung zusätzliche Beiträge hinzufügen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4088 4 Bei Renteneintritt erhalten die betroffenen Mitarbeiter daraus eine monatliche Rente. Welchem Steuerrecht der relevante Auszahlungsbetrag unterliegt, ist abhängig vom dann jeweils gültigen Wohnsitz des Begünstigten. Es liegt in der Verantwortung des Einzelnen, die Pensionszahlung – wie es auch bei anderen Einkünften üblich ist – entsprechend der zum Auszahlungszeitpunkt anzuwendenden Regelungen zu versteuern. 5. Welchen konkreten Sachgrund hat es dafür gegeben, ein Pensionssystem auf Basis von Entgeltumwandlung in der genau hier praktizierten Konstruktion und Funktionsweise ausgerechnet in der Offshore-Destination Jersey bislang und weiterhin zu betreiben? (präzise Erläuterung der Wirkungsweise dieses Pensionsmodells ausdrücklich erbeten) Um im harten Personalwettbewerb am Standort London erfolgreich zu sein, war es aus Sicht der damaligen WestLB unumgänglich, attraktive Vergütungskonzepte zu bieten. Ein marktüblicher, international steuerlich anerkannter und von den Steuerbehörden in Großbritannien akzeptierter Pensionsplan erschien hierzu als ein wesentlicher Bestandteil.