LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4089 24.09.2013 Datum des Originals: 24.09.2013/Ausgegeben: 27.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1582 vom 29. August 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3899 Enthüllungen zum dubiosen Pensionssystem der WestLB/Portigon AG auf Jersey – Welche Mitteilungen zur Existenz und Funktionsweise von Offshore-Briefkastenfirmen hat der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende Peer Steinbrück erhalten? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1582 mit Schreiben vom 24. September 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hat dem Parlament gegenüber zuletzt wiederholt dargelegt, die Landesregierung setze sich mit Nachdruck gegen legale wie illegale Tricks zur Steuervermeidung ein, auch wenn diese von den öffentlich-rechtlichen Instituten praktiziert worden wären. Daher dürfte auch der Finanzminister ein hohes Interesse daran haben, den unlängst vom Handelsblatt berichteten Enthüllungen zum dubiosen Pensionssystem der WestLB auf der Kanalinsel Jersey im Detail nachzugehen und die Funktionsweise dieses Konstrukts genau zu durchleuchten. Das Wirtschaftsmedium hat in seinem Recherchebeitrag „Sorgenfrei im Steuerparadies“ vom 2. August 2013 nun die fragwürdigen Aktivitäten der Personalservicegesellschaft „Portigon International Services Ltd.“ dargestellt, die seit 1998 Pensionspläne für Anspruchsinhaber des WestLB-Konzerns administriert hat. Die sich im alleinigen Landeseigentum befindende Portigon AG betreibt als Rechtsnachfolger der WestLB in der Offshore-Destination Jersey demnach eine Briefkastenfirma ohne eigenes Personal für die Altersvorsorge der WestLBBeschäftigten . Die Kanalinsel Jersey gilt als Steueroase, die bisher kaum am internationalen Austausch von Bankdaten teilnimmt. Jersey ist schon zu Zeiten der Verantwortung von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück von der roten Liste der Steueroasen gestrichen worden, da diese Kanalinsel, wie diverse andere Steueroasen auch, ein sogenanntes Informationsaustauschabkommen unterzeichnet hat. Internationale Experten bezweifeln allerdings dessen tatsächliche Wirksamkeit als in der Praxis abschreckende Maßnahme gegen Steuervermeidung. Dem Vernehmen nach müssen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4089 2 deutsche Steuerfahnder zuerst etliche Informationen über potentielle Steuersünder schon selbst ermittelt haben, bevor ihnen von den Behörden auf Jersey geholfen wird. Die Pensionspläne der Landesbank werden auch gegenwärtig und weiterhin von Jersey aus administriert. Mit einer zeitnahen Beendigung dieses Geschäfts ist wohl nicht zu rechnen. Inhalt dieser Plattform ist es offenbar, Altersvorsorge durch Gehaltsumwandlung zu bilden. Die zuvor zitierte Berichterstattung legt die Vermutung nahe, „dass es auch bei der WestLB um ein System zur – wenn auch möglicherweise legalen – Steuervermeidung für Bankerboni ging.“ Vergleiche mit anderen Pensionsplänen zeigten die Intention der Errichter, hohe Boni vor dem Zugriff des Fiskus zu bewahren. Die Zulässigkeit dieser Konstruktionen werde daher auch gegenwärtig im Ausland vor Gerichten verhandelt. Zu der Frage, welche steuerlichen Auswirkungen dieses Pensionssystem für den deutschen Fiskus hat, gibt es bislang ebenso keine hinreichende Klarheit wie zu dem Sachgrund, warum diese Konstruktion ausgerechnet in Jersey gegründet worden ist. Begünstigte des innovativen Pensionssystems sind offenbar Spitzenbanker der WestLB am Finanzplatz London, die angeblich nicht britischer Nationalität gewesen sind. Die Aufbau- und Ausbauphase der interessanten Gesellschaft hat in der Zeit stattgefunden, als das nordrhein-westfälische Kabinettsmitglied Peer Steinbrück für das Land die Funktion des stellvertretenden Verwaltungsratsvorsitzenden bei der WestLB ausgeübt hat. Gemäß der erwähnten Handelsblatt-Berichterstattung hat sich der Betroffene zu diesem Sachverhalt wie folgt wörtlich geäußert: „Meiner Erinnerung nach hat das Thema Offshore-Beteiligungen in keiner der Verwaltungsratssitzungen, an denen ich teilgenommen habe, eine Rolle gespielt.“ Peer Steinbrück hat in seinen unterschiedlichen Funktionen als Mitglied der nordrheinwestfälischen Landesregierung, nämlich als Wirtschaftsminister, als Finanzminister sowie als Ministerpräsident im Zeitraum vom 28. Oktober 1998 bis 22. Juni 2005 (insgesamt demnach fast sieben Jahre) maßgeblich die Eigentümerverantwortung des Landes für die WestLB mit getragen. Steinbrück ist ferner vom 29. Oktober 1998 bis 30. August 2002 in exponierter Position als stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates der WestLB und Mitglied weiterer Bankgremien wie des Präsidialauschusses gewesen. In dieser Zeit hat Peer Steinbrück bis auf jeweils eine Ausnahme an allen Sitzungen des WestLB-Verwaltungsrates sowie des Präsidialausschusses teilgenommen. In der Summe betrifft dies 15 von 16 Verwaltungsratssitzungen (Fehlsitzung nur am 24. November 1999) sowie 33 von 34 Präsidialausschusssitzungen (Fehlsitzung nur am 21. Dezember 1999). Die Portigon AG hat als Rechtsnachfolger der WestLB gegenüber der Rheinischen Post (im Artikel „Steinbrück: Wusste nichts von Offshore“ vom 3. Juli 2013) zur Rolle des besagten Verwaltungsrates bei den Offshore-Aktivitäten der WestLB erklärt: „Im Rahmen der Satzung und soweit diese dies vorschreibt (dies hängt von der Beteiligungshöhe und der Bedeutung des Beteiligungsunternehmens ab) wurde der Aufsichtsrat über die Gründung von Beteiligungen ordnungsgemäß informiert." Das Parlament hat einen Anspruch darauf, eine lückenlose Aufklärung über die Konstruktion des besagten Jersey-Pensionssystems zu erhalten, damit alle nach der Berichterstattung öffentlich aufgeworfenen Fragen auch vollumfänglich geklärt werden. Diese Klärung dürfte insbesondere auch im hohen Interesse der Portigon AG liegen – insbesondere dann, wenn LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4089 3 es keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Grund für ein Schweigen zu diesen Vorgängen geben sollte. 1. Ist die Thematik von Offshore-Beteiligungen der WestLB tatsächlich in keiner einzigen der oben aufgeführten 15 Verwaltungsratssitzungen oder der besagten 33 Sitzungen des Präsidialausschusses jemals Gegenstand einer Erwähnung gewesen? 2. Falls dort eine Erwähnung nicht erfolgt ist: Auf jeweils welchen anderen Wegen, wie zum Beispiel der schriftlichen Unterrichtung außerhalb von Gremiensitzungen, ist im besagten Zeitraum vom 29. Oktober 1998 bis zum 30. August 2002 eine Information der Mitglieder beider Gremien über die Gründung der jeweiligen Beteiligungen erfolgt, wie dies nach Angaben der Portigon AG doch offensichtlich praktiziert worden ist? (bitte vollständige Übersicht der Bekanntgaben zu den unterschiedlichen Gesellschaften) Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs zusammen beantwortet. Aufgrund der geringen Größe der West Merchant International Services Ltd. hat sich der Verwaltungsrat der WestLB satzungsgemäß nicht mit der Gründung der Gesellschaft im Jahr 1998 sowie deren anschließender Umfirmierung in WestLB International Services Ltd. befasst. Im Übrigen unterliegen Sitzungen der Gremien der Bank der aktiengesetzlichen Verschwiegenheitspflicht. 3. Welche einzelnen Voraussetzungen sind für die Teilnahme am Jersey- Pensionsfonds etabliert worden (wie beispielsweise Mindesteinzahlungsvolumina, teilnahmeberechtigte Personenkreise, Erfordernis bestimmter betrieblicher Funktionen oder einer besonderen Stellung im Konzern etc.)? Grundsätzlich hatten aufgrund behördlicher Rahmenbedingungen nur Mitarbeiter, die bei der WestLB in London angestellt, aber nicht britischer Nationalität waren, die Möglichkeit, am Pensionsplan teilzunehmen. Die Teilnahme war darüber hinaus nicht an spezielle Voraussetzungen gebunden. 4. Wie viele Anspruchsberechtigte dieses Pensionsfonds gibt es, die auch aktuell noch in einer vertraglichen Beziehung zur Portigon AG stehen (wie beispielsweise Beschäftigte mit noch gültigem Vertrag dort)? Es gibt keine Anspruchsberechtigten dieses Pensionsplans, die aktuell noch in einer vertraglichen Beziehung zur Portigon AG stehen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4089 4 5. Welche Personen oder Gremien bei der WestLB sowie beauftragte externe Dienstleister haben die Konstruktion dieses Pensionssystems entworfen bzw. eingeführt oder sind zumindest dafür verantwortlich? Es war Aufgabe des WestLB-Managements, einen marktüblichen, international steuerlich anerkannten und von den Steuerbehörden in Großbritannien akzeptierten Pensionsplan zu konzipieren und umzusetzen. Dabei zog das Management auch den Rat einer renommierten internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hinzu.