LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4096 25.09.2013 Datum des Originals: 24.09.2013/Ausgegeben: 30.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1591 vom 30. August 2013 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/3922 Träger- bzw. Eigentümerwechsel bei der Provinzial Rheinland Holding AöR und der Provinzial NordWest Holding AG Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1591 mit Schreiben vom 24. September 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1280 des Abgeordneten Ralf Witzel vom 27.06.2013 (Drs. 16/3397) führte die Landesregierung zu Frage 3 hinsichtlich der Anschaffungskosten der Sparkassenverbände bezüglich Anteilen an der Provinzial aus: „Bei den Anschaffungskosten der Sparkassenverbände handelt es sich um vertrauliche Angaben , die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.“ In der 28. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses vom 04.07.2013 wurde auf Nachfrage , ob die in Frage 3 der Kleinen Anfrage 1280 abgefragten Daten dem Finanzministerium vorliegen, seitens des Finanzministeriums erklärt, bezüglich eines Gewährträgerwechsels von der WestLB auf den Westfälischen Sparkassen- und Giroverband sei das Finanzministerium über den Kaufpreis, den die WestLB erhalten habe, nicht informiert. Der Frage, ob der Finanzminister rechtlich dazu befugt sei, sich die in Frage 3 der Kleinen Anfrage 1280 abgefragten Zahlen zu beschaffen, wich der Finanzminister unter Hinweis auf den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss II („WestLB“) aus. Nach der neueren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung wird allerdings insbesondere das parlamentarische Fragerecht nicht durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verdrängt (BVerfG, Beschluss vom 01.07.2009 – 2 BvE 5/06 – DVBl. 2009, 1103 (1105)). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4096 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die Gewährträgerschaften für die in NRW tätigen öffentlich-rechtlichen ProvinzialVersicherungsanstalten lagen vor 1945 bei den Provinzialverbänden. Mit der Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen wurden die Rechte und Pflichten der preußischen Provinzialverbände vom Land wahrgenommen (VO Nr. 46 der Britischen Militärregierung vom 23.08.1946). § 33 Abs. 1 der Landschaftsverbandsordnung vom 12. Mai 1953 übertrug diese Aufgaben auf die Landschaftsverbände. Das preußische Gesetz betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten vom 25. Juli 1910 (sog. Sozietätengesetz) regelte ursprünglich den Umfang und die Vorschriften für die Gebäudefeuerversicherung der Westfälischen Provinzial-Feuersozietät und der ProvinzialFeuerversicherungsanstalt der Rheinprovinz. Am 01.01.1997 trat das Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Westfälischen ProvinzialVersicherungsanstalten und über die Aufhebung des Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten in Kraft. Damit wurde erstmalig eine einheitliche Rechtsgrundlage für beide Anstalten, die Westfälische Provinzial-Feuersozietät und die Westfälische Provinzial -Lebensversicherungsanstalt, geschaffen. 1. Welche rechtsgeschäftlichen bzw. normativen Änderungen der Anteilseigner- bzw. Gewährträgerstruktur haben bei der Provinzial Rheinland Holding AöR und der Provinzial NordWest Holding AG sowie deren Rechtsvorgängern, soweit Nordrhein -Westfalen als Geschäftsgebiet betroffen gewesen ist, seit 1953 stattgefunden (bitte mit Angaben von Datum und Umfang des jeweiligen Vorgangs)? Provinzial NordWest Holding AG (Westfalen): In der ehemaligen Provinz Westfalen wurde die Gewährträgerschaft für die westfälischen Versicherungsanstalten 1953 vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe übernommen. Eine Änderung der Gewährträgerschaft erfolgte 1970 durch einen Mantelvertrag, der am 03.12.1969 geschlossen wurde. Ab diesem Zeitpunkt übertrug der Landschaftsverband Westfalen-Lippe 25 % seiner Gewährträgerschaft an den Westfälischen Sparkassen- und Giroverband (WLSGV) und 25 % an die damalige Westdeutsche Landesbank Girozentrale in Münster. Nach dem Mantelvertrag zahlten die Gewährträger 3 Mio. DM Eigenkapital für die Feuersozietät und 1 Mio. DM für die Lebensversicherungsanstalt entsprechend ihrem Anteil ein. Das Stammkapital war aus dem Überschuss der Provinzial-Versicherungen mit 5 % p.a. zu verzinsen, zusätzlich zahlten die Anstalten 0,5 % p.a. vom eingezahlten Stammkapital an die Gewährträger als Haftungsentschädigung. Die Satzungen wurden dem Mantelvertrag entsprechend angepasst und von dem für die Fach- und Rechtsaufsicht zuständigen Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr genehmigt. 1988 beantragten die Westfälische Provinzial-Feuersozietät und die Westfälische ProvinzialLebensversicherungsanstalt eine Erhöhung des Stammkapitals der Gewährträger, und zwar für die Feuersozietät von 3 Mio. DM auf 26 Mio. DM und für die Lebensversicherungsanstalt von 1 Mio. DM auf 4 Mio. DM. Die Anteile verteilten sich entsprechend dem Haftungsanteil. Die Kapitalaufstockung von 26 Mio. DM erfolgte zur Hälfte aus Rücklagen der Anstalten und zur Hälfte durch von den Gewährträgern anteilig selbst eingebrachtem Kapital. Die damit verbundenen Satzungsänderungen wurden vom damals zuständigen Ministerium für Wirtschaft , Mittelstand und Technologie genehmigt. Am 20.12.1996 stellte der Vorstand der Westfälischen Provinzial-Feuersozietät einen weiteren Antrag auf Änderung der Satzung zur Erhöhung des Stammkapitals aus den Rücklagen der Westfälischen Provinzial-Feuersozietät von 26 Mio. DM auf 100 Mio. DM zum 01.01.1997. Der Antrag wurde am 18.12.1997 genehmigt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4096 3 Die Gewährträgerversammlung beschloss am 06.10.2001 eine Neufassung der Satzungen bei gleichzeitiger Umwandlung der Feuersozietät und der Lebensversicherungsanstalt in Aktiengesellschaften und Gründung der Provinzial Holding Westfalen als Anstalt des öffentlichen Rechts, die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und Abs. 5 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Westfälischen Provinzial-Versicherungsanstalten am 19.11.2001 genehmigt wurden. Das Ausscheiden der Westdeutschen Landesbank Girozentrale aus dem Gewährträgerkreis und die Übertragung des Stammkapitalanteils auf den WLSGV erforderte eine Änderung der Satzung. Die Genehmigung der Satzungsänderung vom 20.09.2002 erfolgte am 30.09.2002. Die Umwandlung der Provinzial Holding Westfalen, Anstalt des öffentlichen Rechts, in eine Aktiengesellschaft wurde am 21.04.2005 von der Gewährträgerversammlung beschlossen und vom Finanzministerium, als zuständiger Rechtsaufsicht, nach § 8 Abs. 3 und Abs. 5 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Westfälischen Provinzial-Versicherungsanstalten genehmigt. Provinzial Rheinland Holding AöR (Rheinland) Das Geschäftsgebiet der Provinzial Rheinland entspricht der ehemaligen preußischen Rheinprovinz, die auch Teile einschloss (Regierungsbezirke Trier und Koblenz), die seit 1949 zum Land Rheinland-Pfalz gehören. Für den Bereich des Landes Nordrhein-Westfalen übernahm die Gewährträgerschaft der Landschaftsverband Rheinland, für die Bereiche der ehemaligen preußischen Regierungsbezirke in Koblenz und Trier übertrug die Französische Militärregierung – veröffentlicht im Amtsblatt des Französischen Oberkommandos – die Gewährträgerschaft auf die Landesregierung des Landes Rheinland-Pfalz. Durch Mantelvertrag über die Trägerschaft der Provinzial -Feuer- und der Provinzial-Lebensversicherungsanstalt der ehemaligen preußischen Rheinprovinz vom 21. Juni 1957 wurden zwei Drittel der Gewährträgerschaft auf den Landschaftsverband Rheinland und ein Drittel auf das Land Rheinland-Pfalz übertragen. Um die rechtlichen Grundlagen, aber auch die Gewährträgerstruktur zu aktualisieren, wurde der Staatsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Land Rheinland-Pfalz über die Provinzial-Versicherungsanstalten der Rheinprovinz vom 14./21. Dezember 1995 geschlossen, der zum 01.06.1996 in Kraft getreten ist und die Bildung von Stammkapital aus den Mitteln der Anstalt oder durch Einzahlung vorsah (Art. 4 Staatsvertrag). Diese Regelungen finden sich auch in den Satzungen der Anstalten wieder. Die ProvinzialFeuerversicherungsanstalt der Rheinprovinz (§ 4 der Satzung) wurde auf Beschluss der Gewährträgerversammlung vom 07.05.1997 mit einem Stammkapital von 195 Mio. DM und die Provinzial-Lebensversicherungsanstalt (§ 4 der Satzung) der Rheinprovinz mit einem Stammkapital von 5 Mio. DM ausgestattet, das den Rücklagen entnommen wurde und aus dem Jahresüberschuss zu verzinsen ist. Gleichzeitig trat der Landschaftsverband Rheinland von seiner Gewährträgerschaft von 66 2/3 % an den Rheinischen Sparkassen- und Giroverband 34 % Punkte ab, das Land Rheinland-Pfalz übertrug seine Gewährträgerschaft von 33 1/3 % auf den Sparkassen- und Giroverband Rheinland-Pfalz. Gewährträger der Provinzial Rheinland sind seit diesem Zeitpunkt: – Rheinischer Sparkassen- und Giroverband (RSGV) mit 34 %, – Sparkassen- und Giroverband Rheinland-Pfalz (SGVRP) mit 33 1/3 % – Landschaftsverband Rheinland (LVR) mit 32 2/3 % Anteil. Die Satzungsneufassungen wurden von den für die Staatsaufsicht zuständigen Ländern NRW und Rheinland-Pfalz und dem damaligen für die Versicherungsaufsicht zuständigen Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) am 31.01. bzw. 22.01.1997 genehmigt . Das BAV war bereits zuständige Versicherungsaufsicht, da die Anstalten in zwei Bundesländern tätig waren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4096 4 Die Staatsvertragsänderung vom 14./21.September 2001 gestattete es den Unternehmen, die Rechtsformen der Anstalten zu ändern (Umwandlung in Kapitalgesellschaften). Die Gewährträgerversammlung beschloss am 08.03.2002 eine Neufassung der Satzungen bei gleichzeitiger Umwandlung der Feuerversicherungsanstalt in die Provinzial Holding Anstalt des öffentlichen Rechts. Das Versicherungsgeschäft der bisherigen Feuerversicherungsanstalt wurde auf die neu gegründete Provinzial Rheinland Versicherung AG übertragen , die Lebensversicherungsanstalt wurde in die Provinzial Rheinland Lebensversicherung Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Holding wurde mit einem Stammkapital von 200 Mio. € ausgestattet. 2. Welche Gegenleistungen bzw. Kompensationen sind bei der jeweiligen Änderung der Anteilseigner- bzw. Gewährträgerstruktur jeweils erfolgt? Ob und in welcher Höhe Gegenleistungen bzw. Kompensationen bei den jeweiligen Änderungen der Gewährträger- bzw. Anteilseigner erfolgten, ist dem Finanzministerium nicht bekannt und war auch nicht Gegenstand der einzelnen Genehmigungen. 3. Inwieweit verfügt die Landesregierung derzeit über die in Frage 3 der Kleinen An- frage 1280 erfragten Informationen? Bei der Sparkassenaufsicht sind diese Informationen nicht aktenkundig und liegen demnach nicht vor. 4. Inwieweit ist die Landesregierung rechtlich dazu befugt, sich die Daten über die Anschaffungskosten der Sparkassenverbände von diesen bzw. Dritten (beispielsweise der Portigon AG als Rechtsnachfolgerin der WestLB AG) zu beschaffen? Nach §§ 39 – 41 SpkG ist die Sparkassenaufsicht befugt, sich über sämtliche Geschäftsvorgänge bei den Verbänden zu informieren. Das schließt auch die Anschaffungskosten der Provinzialen ein. 5. Inwieweit ist die Landesregierung aus rechtlichen Gründen daran gehindert, die historischen Anschaffungskosten der Sparkassenverbände, also längst abgeschlossener Rechtshandlungen mit Landesbezug, dem Landtag mitzuteilen? Bei den Anschaffungskosten der Sparkassenverbände handelt es sich um vertrauliche, dem Geschäftsgeheimnis unterliegende Angaben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Die Sparkassenaufsicht erlangt nur im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse Kenntnis von betriebsinternen Angelegenheiten der Verbände.