LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4098 25.09.2013 Datum des Originals: 24.09.2013/Ausgegeben: 30.09.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1513 vom 30. Juli 2013 des Abgeordneten Josef Hovenjürgen CDU Drucksache 16/3735 Giftmüll in vier stillgelegten Zechen der heutigen RAG – Was weiß die Landesregierung und was tut sie? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 1513 mit Schreiben vom 24. September 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In verschiedenen Printmedien wurde heute und bereits in den letzten Tagen über die Einlagerung giftigen Sondermülls unter Tage berichtet. Demnach sollen in den 1990er Jahren mehr als 700.000 Tonnen toxischer Sonderabfälle in vier stillgelegten Zechen der heutigen RAG eingelagert worden sein. Sowohl der Bergbaubetreiber RAG als auch die Landesregierung haben bislang mehrfach versichert, dass von dem Giftmüll keine Gefährdung ausgehen könne. Ein Gutachten des früheren Abteilungsleiters im Umweltministerium, Harald Friedrich, kommt jedoch zu einem gegenteiligen Ergebnis. Vorbemerkung der Landesregierung Die Prüfung von Verwertungsmöglichkeiten für industrielle Massenabfälle erfolgte vor und in dem in der Vorbemerkung angesprochenen Zeitraum vor dem Hintergrund, dass Deponieraum knapp war, übertägige Flächen geschont werden sollten und der Verwertung von Reststoffen Vorrang vor einer Deponierung gegeben werden sollte. Daher wurde als eine Verwertungsmöglichkeit auch der Versatz in untertägige Hohlräume des Steinkohlenbergbaus geprüft . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4098 2 Mitte 1987 wurde vom damaligen Landesamt für Wasser und Abfall Nordrhein-Westfalen (LWA) ein Arbeitskreis unter Beteiligung des Umweltministeriums und des Wirtschaftsministeriums des Landes einberufen, der eine Aufgabenstellung für eine entsprechende wissenschaftlich -gutachterliche Machbarkeitsstudie erarbeiten sollte. Im Jahre 1988 wurde diese Machbarkeitsstudie vom LWA in Auftrag gegeben. Sie sollte klären, unter welchen Bedingungen aufgelassene Grubenräume lebender, stillgelegter oder stillzulegender Bergwerke der Ruhrkohle AG im rechtsrheinischen Steinkohlenrevier zur untertägigen Abfallentsorgung in Untertagedeponien oder zum Einsatz von Reststoffen als Wirtschaftsgut (z. B. als Versatzoder Baustoffe) genutzt werden könnten. Gegenstand und Ergebnis der 1991 vorgelegten Studie waren Konzepte für eine „immissionsneutrale Verbringung“ von bergbaufremden Abfällen nach unter Tage und eine Verbringung nach dem „Prinzip des vollständigen Einschlusses “. Im Vorfeld und begleitend zu den durch die damaligen Bergämter zu führenden bergrechtlichen Betriebsplanverfahren wurde unter Federführung des Landesoberbergamtes in Arbeitskreisen gemeinsam mit Vertretern des Geologischen Landesamtes, des LWA, der jeweiligen Bezirksregierung, der staatlichen Umweltämter, der Kreise bzw. kreisfreien Städte, der Kommunen für jedes Bergwerk geprüft, ob die standortspezifischen Gegebenheiten im jeweils geplanten Versatzbereich die Randbedingungen der Machbarkeitsstudie erfüllten. Das in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage angesprochene Gutachten des Büros für Umweltconsulting und Projektmanagement wurde der Landesregierung erst am 16.09.2013 überlassen. Die Landesregierung wird eine unabhängige gutachtliche Überprüfung veranlassen, die sich vor allem auf die Fragen konzentrieren soll, wie die Grundannahmen, die Basis der damaligen Entscheidungen gewesen sind, aus heutiger fachlicher Sicht bewertet werden, ob Gefährdungen insbesondere des Grund- und Oberflächenwassers im Einzugsbereich der Steinkohlenbergwerke zu befürchten sind und welche gegensteuernden Maßnahmen ggf. ergriffen werden müssten. Zudem soll die Frage beantwortet werden, wie das Monitoring erweitert werden muss, um ggf. auftretende Gefährdungen frühzeitig zu erkennen. Dazu werden auch die Ausführungen des vg. Gutachtens zu prüfen sein. 1. Stützt sich die Landesregierung bei der Bewertung, dass von dem in Altbergwer- ken der RAG eingelagerten Giftmüll keine Gefahren für die Umwelt, Natur, Trinkwasser und Menschen ausgehen, auf eigene Erkenntnisse oder auf von der RAG erhobene Daten? Neben der in der Vorbemerkung benannten Machbarkeitsstudie wurden von den zuständigen Behörden (LWA, Bergbehörde) weitere Studien und gutachterliche Stellungnahmen zur Übertragbarkeit der hydrogeologischen Randbedingungen der Machbarkeitsstudie auf verschiedene Abbaubereiche und zum Verhalten von mobilisierten Schadstoffen in der Umgebung von Untertagedeponien beauftragt. Zur Verifizierung der in den Studien festgelegten Anforderungen wurde in den jeweiligen Betriebsplanzulassungen festgelegt, dass begleitend zu den zugelassenen Verbringungsmaßnahmen ein Qualitätssicherungsprogramm für die Bergwerke durchzuführen ist, auf denen besonders überwachungsbedürftige Abfälle nach dem Prinzip des vollständigen Einschlusses in den Bruchhohlraum von untertägigen Gewinnungsbetrieben verbracht wurden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4098 3 Mit der Durchführung des Qualitätssicherungsprogramms waren Wissenschaftler der TU Berlin von der Ruhrkohle Montalith GmbH beauftragt. In ihrem im November 1995 vorgelegten Endbericht für die Steinkohlenbergwerke Haus Aden/ Monopol, Consolidation und Walsum heißt es dazu, dass: „…die aus der Machbarkeitsstudie abgeleiteten Rahmenbedingungen für die Verbringung von überwachungsbedürftigen Abfällen in den ausgewählten Verbringungsbereichen in geologischer, hydrogeologischer und verfahrenstechnischer Sicht für eine umweltverträgliche Einbringung uneingeschränkt und in vollem Umfang erfüllt, teilweise sogar übererfüllt wurden“. Die an den verschiedenen Wasserhaltungen gehobenen Grubenwässer und die Einleitstellen in die Vorfluter wurden und werden regelmäßig insbesondere vor dem Hintergrund des Grubenwasseranstiegs kontrolliert. Dazu erfolgten Probenahmen und Analysen sowohl im Auftrag des Unternehmens aufgrund von Festlegungen in behördlichen Genehmigungen als auch durch behördliche Stellen (Umweltverwaltung, Bergbehörde) mehrmals jährlich. Die Bergbehörde hat anlassbezogen in der 30. bis 33. Kalenderwoche 2013 an allen in Betrieb befindlichen Wasserhaltungsstandorten des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet Probenahmen durchgeführt. Die Ergebnisse der ersten Analysen der Grubenwässer lieferten keine Hinweise auf einen etwaigen Austritt abfalltypischer Schadstoffe aus dem eingebrachten Versatz. 2. In welcher Form beabsichtigt die Landesregierung transparent und neutral zu überprüfen, ob von dem eingelagerten Giftmüll Gefahren für die Umwelt, Natur, Trinkwasser und Menschen ausgehen? Wie in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt, liegen der Landesregierung bisher keine Hinweise auf einen etwaigen Austritt abfalltypischer Schadstoffe aus dem eingebrachten Versatz vor. Die Landesregierung hat die zuständigen Behörden gebeten, die dort vorliegenden Informationen zu - Art, Menge, Ort und Lage der in die jeweiligen Bergwerke verbrachten Abfälle, - Grund- und Grubenwasserständen - Untersuchungsergebnissen von Boden, Grundwasser und Oberflächengewässern vorzulegen. Die Zusammenstellung und Auswertung der Informationen bei den zuständigen Behörden dauert noch an. Daneben werden die zuständigen Behörden die analytische Überwachung der an verschiedenen Wasserhaltungen gehobenen Grubenwässer und der Einleitstellen in die Vorfluter konsequent fortsetzen. Überdies wird die Landesregierung eine unabhängige gutachterliche Überprüfung des Sachverhalts veranlassen, wie dies bereits in der Vorbemerkung ausgeführt ist, und wird die Öffentlichkeit zeitnah über die Ergebnisse informieren. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4098 4 3. In der oben genannten Berichterstattung ist von Erträgen durch die Sondermüllverklappung unter Tage die Rede. Inwieweit haben diese Erträge den Zuschussbedarf bei der Kohleförderung des Landes und des Bundes reduziert? 4. An welcher Stelle sind die Erträge in den Bilanzen aufgeführt? Nach Auskunft der RAG AG stellt sich der Sachverhalt wie folgt dar: Die für die Bruchhohlraumverfüllung geeigneten Stoffe wurden u.a. durch Tochtergesellschaften der RAG AG, die dem sog. „weißen Bereich“ zuzuordnen waren, am Markt akquiriert , auf die Bergwerke geliefert und dann von RAG AG dort in der Bruchhohlraumverfüllung eingesetzt. Erlöse wurden dabei sowohl bei der Tochtergesellschaft als auch bei der RAG AG erzielt. Die Erlöse, die die RAG AG aus der Verbringung der Reststoffe auf den Bergwerken erzielt hat, sind in der Kostenrechnung als kohlenfremde Nebenerlöse (Betriebseinnahmen ) behandelt worden und haben in voller Höhe die subventionsfähigen Kosten Kohle gemindert . Nach Kenntnis der Landesregierung sind im relevanten Zeitraum alle Beihilfeabrechnungen geprüft und abgeschlossen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass aus dem sog. „Weißen Bereich“ entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Bund, Land und RAG AG festgelegte Beträge in den schwarzen Bereich abgeführt wurden. Nach Auskunft der RAG AG sind die durch die Annahme der Reststoffe erzielten Erlöse in der bilanziellen Rechnung der RAG AG – hier Gewinn- und Verlustrechnung – unter “Sonstigen Leistungen“ erfasst worden und somit unter den Umsatzerlösen ausgewiesen worden. 5. Wie bewertet die Landesregierung, dass ein Großteil der Unterlagen über die Son- dermüllverklappung unter Tage nicht mehr auffindbar ist? Die Aussage, dass ein Großteil der behördlichen Unterlagen über die Verbringung von überwachungsbedürftigen Abfällen in Steinkohleberg-werke der RAG nicht mehr auffindbar ist, trifft nicht zu. Nach Mitteilung der Bezirksregierung Arnsberg ist ein größerer Teil der ursprünglich bei den ehemaligen zuständigen Bergämtern vorhandenen Betriebsakten nach deren Schließung und Ablauf der vorgeschriebenen Aufbewahrungsfristen an die Landesarchive Düsseldorf und Münster abgegeben worden. Ein kleinerer Teil der Akten ist nach Ablauf der Aufbewahrungsfristen von 5 Jahren nach Schließung der jeweiligen Akte bei der Zusammenlegung bzw. Schließung von Bergamtsstandorten vernichtet worden. Grundlage für diese Vorgehensweise ist die Aktenordnung der Bezirksregierung Arnsberg, die aufgrund des § 2 der Geschäftsordnung für die Bezirksregierungen vom 26.03.2008 (SMBl. NW 20020) erlassen wurde. Die für die Reststoffverwertung relevanten bergbehördlichen Akten sind verfügbar.