LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4115 30.09.2013 Datum des Originals: 27.09.2013/Ausgegeben: 02.10.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1585 vom 27. August 2013 der Abgeordneten Rainer Deppe und Holger Müller CDU Drucksache 16/3909 Planungsbereiche zur hausärztliche Versorgung im Rheinisch-Bergischen Kreis Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 1585 mit Schreiben vom 27. September 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Trotz insgesamt nach wie vor steigender Arztzahlen kommt es insbesondere in strukturschwachen Regionen zunehmend zu Problemen bei der Nachbesetzung von Arztpraxen. Das GKV-Versorgungsstrukturgesetz hat daher die Instrumente der Bedarfsplanung stärker flexibilisiert und regionalisiert. Anstelle starrer zentraler Vorgaben sollen Regelungen gelten, die stärker auf die Bedingungen vor Ort eingehen. Hierdurch soll auch in Zukunft in ganz Deutschland eine flächendeckende, möglichst wohnortnahe und bedarfsgerechte medizinische Versorgung gewährleistet sein. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat auf dieser Grundlage Ende 2012 eine Neufassung der Bedarfsplanung beschlossen. Mit der Umsetzung der Richtlinie hat es im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) eine Neueinteilung der Planungsbereiche für die hausärztliche Versorgung gegeben. Danach werden die acht Städte und Gemeinden im Rheinisch-Bergischen Kreis (278.183 Einwohner) fünf verschiedenen Planungsbereichen zugeordnet. Dabei sind die Planungsbereiche zum Teil auf einzelne Städte bezogen, wie Leichlingen (27.478 Einwohner ) und Wermelskirchen (34.934 Einwohner). Ein Planungsbereich wurde aus den Städten Bergisch Gladbach (108.878 Einwohner) und Overath (26.968 Einwohner) sowie den Gemeinden Kürten (19.531 Einwohner) und Odenthal (14.824 Einwohner) gebildet. Die Stadt Burscheid (18.078 Einwohner) wurde dem Planungsbereich Leverkusen (158.984 Einwohner ) zugeordnet. Die Einwohner Burscheids repräsentieren einen Anteil von 10,2 Prozent des neu geschaffenen Planungsbereichs. Die Stadt Rösrath (27.492 Einwohner) wurde so- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4115 2 gar dem Planungsbereich der Stadt Köln (1.005.775 Einwohner) zugeordnet, wo sie gerade einmal 2,7 Prozent der Einwohnerschaft ausmacht. Die Zuordnung der Städte Burscheid und Rösrath entbehrt nach Aussage der Kreisstelle der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein Rheinisch-Bergischer Kreis jeder sachlichen Grundlage . Auf Grund der räumlichen Nähe und der topographischen Situation bestehen vielfältige Verbindungen zwischen der Stadt Burscheid und der Gemeinde Odenthal. Die Patienten werden von niedergelassenen Ärzten in beiden Gemeinden versorgt. Die Kreisstelle Rheinisch -Bergischer Kreis sieht einen Bedarf für zusätzliche Hausärzte in Burscheid. Der Planungsbereich Leverkusen ist jedoch wegen einer bestehenden Überversorgung in Leverkusen als Ganzes für weitere Niederlassungen gesperrt. Die gewünschte Verbesserung für Burscheid tritt durch die neue Zuordnung auf jeden Fall nicht ein. Ähnlich ist die Situation in Rösrath zu bewerten, wo traditionell zahlreiche wechselseitige Verbindungen zur benachbarten Stadt Overath bestehen. Beide Städte sind eher ländlich geprägt und weisen im Vergleich zur Millionenstadt Köln eine wesentlich ähnlichere Siedlungs - und Bevölkerungsstruktur auf, die zutreffend als landärztliche Versorgungsbereiche beschrieben werden kann. Es bestehen bei der Kreisstelle und bei der örtlichen Politik erhebliche Zweifel, dass die aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis „ausgegliederten“ Städte die Lebenswirklichkeit der Bevölkerung widerspiegeln. Durch die Bildung von großen Planungsbereichen besteht die Möglichkeit, Kassenarztsitze innerhalb des Planungsbereiches zu verlegen. Allgemein ist zu beobachten, dass Arztpraxen zunehmend an Standorten mit einer hohen Bevölkerungsdichte und einer sehr guten verkehrlichen Erreichbarkeit konzentriert werden. Zudem ist damit zu rechnen, dass Entwicklungen in die beiden außerhalb der jeweiligen Kreisstelle liegenden Städte in den neuen Planungsbereichen nicht mit der gleichen Aufmerksamkeit beobachtet werden, wie es in kleineren , auf die jeweilige Kommune bezogenen Planungsbereichen der Fall wäre. Es besteht die Befürchtung, dass sich die hausärztliche Versorgung in den beiden Städten mittelfristig verschlechtern wird. Politik und Bevölkerung beobachten mit Sorge die Gefährdung der hausärztlichen Versorgung insbesondere in der Gemeinde Kürten. Nach der letzten Feststellung der Landesregierung (Stand 15.04.2013) droht neben der Gemeinde Kürten auch in Odenthal eine Gefährdung der hausärztlichen Versorgung (Quelle: http://www.mgepa.nrw.de/mediapool/pdf/gesundheit/Hausaerzte_-_Anlage_2_- _Gemeinden_1.pdf). Durch die Schaffung eines einheitlichen Planungsbereichs mit der Großstadt Bergisch Gladbach ist zu erwarten, dass die Dichte der Hausarztpraxen in den beiden ländlichen Gemeinden trotz der Schaffung weiterer Niederlassungsmöglichkeiten nicht zunehmen, sondern sich tendenziell weiter verschlechtern wird. Für die zehn Arztgruppen, die zur allgemeinen fachärztlichen Versorgung gezählt werden, sieht der neue Bedarfsplan für die Planungsbereiche keine Überschreitung der Verwaltungsgrenzen der Kreise und kreisfreien Städte vor. Der Bedarfsplan wurde dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen gemäß § 99 Abs.1 Satz 5 SGB V vorgelegt und nicht beanstandet . Vorbemerkung der Landesregierung Die Regelungen zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung und Bedarfsplanung werden bundesgesetzlich festgelegt. NRW hat gemeinsam mit den anderen Bundesländern im Rahmen des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes (GKV-VStG) besonderen Wert auf eine bedarfsorientiertere Steuerung der ärztlichen Kapazitäten gelegt. So konnten die Länder durch- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4115 3 setzen, dass im Rahmen der ambulanten ärztlichen Bedarfsplanung die Versorgung auf der Ebene der sog. Mittelbereiche kleinteiliger / regionaler betrachtet und insbesondere im hausärztlichen Bereich unterhalb der Ebene der Kreise und kreisfreien Städte wohnortnäher geplant wird. Die kleinräumigere Bedarfsplanung im hausärztlichen Bereich ist somit eine Möglichkeit zur bedarfsgerechteren Verteilung der ärztlichen Kapazitäten. Die Sicherstellung der ambulanten Versorgung ist nach wie vor in erster Linie Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Losgelöst davon steht das Land zu seiner politischen Verantwortung auch in diesem Bereich, auch wenn dem Land leider nicht ausreichend Instrumente zur Verfügung gestellt wurden, um hier steuernd einzuwirken. Weitergehende Möglichkeiten hat die Bundesregierung trotz Forderungen der Bundesländer im Rahmen der letzten Gesundheitsreform abgelehnt. Zur Bedarfsplanungsrichtlinie: Gemäß § 11 Abs. 3 der neuen Bedarfsplanungsrichtlinie (BPRL ), die am 1. Januar 2013 in Kraft getreten ist und bundesweit gilt, ist der Planungsbereich für die hausärztliche Versorgung der Mittelbereich in der Abgrenzung des Bundesinstituts für Bau, Stadt- und Raumforschung. Aufgrund dieser Einteilung bestehen 94 nordrheinische Planungsbereiche. Zuvor sah die BP-RL auch für die hausärztliche Versorgung Planungsbereiche vor, die den kreisfreien Städten und Kreisen entsprachen. Für Nordrhein bedeutete dies in der Vergangenheit eine Planung mit 27 Planungsbereichen. Für die Arztgruppe der Hausärztinnen und Hausärzte gibt es bundesweit einheitlich eine Verhältniszahl: 1.671 Einwohnerinnen und Einwohner je Hausärztin / Hausarzt. Lediglich für die Sonderregion Ruhrgebiet wird für die nächsten fünf Jahre die alte Verhältniszahl von 2.134 Einwohnerinnen und Einwohnern beibehalten . 1. Wie könnte eine Steuerungsmöglichkeit aussehen, mit der geregelt wird, an wel- chem Ort bzw. in welchem Stadtteil innerhalb eines Planungsbereichs eine Hausarztpraxis erhalten bzw. eröffnet werden kann? Eine genaue Steuerung von Niederlassungen in Orts- bzw. Stadtteile ist unter den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen und vor dem Hintergrund der Freiberuflichkeit von Ärztinnen und Ärzten nicht möglich. Grundsätzlich gilt das Prinzip der Niederlassungsfreiheit für Ärztinnen und Ärzte. Solange eine Planungsregion rein rechnerisch nach BP-RL nicht überversorgt (= Versorgungsgrad > 110 Prozent) ist, können Ärztinnen und Ärzte selbst entscheiden , wo sie sich in dieser Planungsregion niederlassen wollen. Davon unabhängig steht die Landesregierung in stetigem und engem Austausch mit den für die Sicherstellung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungen und kommunalen Akteuren, um Versorgungsengpässen nachzugehen und Lösungen zu finden, die der Bedarfssituation vor Ort gerecht werden. Die Landesregierung verweist ferner darauf, dass im Zusammenhang mit einer Niederlassung – insbesondere in ländlichen Regionen – die sog. weichen Standortfaktoren wie z.B. Freizeitangebote, kulturelle Angebote, Berufsmöglichkeiten des Partners oder der Partnerin und die Möglichkeiten zur Kinderbetreuung eine immer größere Rolle spielen werden. Hier sind die Kommunen in der Mitverantwortung für die Niederlassung von Ärztinnen und Ärzten, weil sie auf diese Faktoren Einfluss nehmen können und müssen. Darüber hinaus setzt das Land mit dem Aktionsprogramm "Stärkung der hausärztlichen Medizin und Versorgung in Nordrhein-Westfalen" (Hausarztaktionsprogramm - HAP) finanzielle LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4115 4 Anreize, um die Niederlassung für Hausärztinnen und Hausärzte in ländlichen Regionen attraktiver zu machen und punktuellen Engpässen in der ambulanten hausärztlichen Versorgung entgegen zu wirken. 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass einzelne Gemeinden aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis jetzt dem Planungsbereich benachbarter kreisfreier Städte (Köln, Leverkusen) zugeordnet werden? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, dass im Bereich der hausärztli- chen Versorgung einzelne Gemeinden (Burscheid, Rösrath) Planungsbereichen außerhalb des Kreisgebiets des Rheinisch-Bergischen Kreises zugeordnet sind, während der Planungsbereich für die fachärztliche Versorgung jeweils exakt den Grenzen der Kreise und kreisfreien Städte entspricht? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Die Einteilung der Planungsregionen entspricht den rechtlichen Vorgaben der BP-RL. NRW hat sich mit Erfolg für eine kleinräumigere und wohnortnähere Bedarfsplanung für den hausärztlichen Bereich eingesetzt. Dadurch wird eine bedarfsgerechtere Verteilung und somit ein bedarfsgerechteres Angebot von Ärztinnen und Ärzten möglich. Dies gilt grundsätzlich auch für die genannten Gemeinden. Planungsbereich in der fachärztlichen Versorgung ist dagegen wie bisher der Kreis bzw. die kreisfreie Stadt, da hier eine weniger große räumliche Nähe zu den Versicherten/Patienten erforderlich ist als bei den Hausärzten. Die bisherige Kategorisierung in zehn verschiedene Kreistypen wurde jedoch auf fünf Typen reduziert. Gleichzeitig wurde der ländliche Raum hierbei aufgewertet, um die Versorgung dort zu verbessern. Im Übrigen hat die "KV Nordrhein" (KV NO) nach unserer Kenntnis für den RheinischBergischen Kreis aufgrund von Anregungen der entsprechenden Kreisstelle sowie anderer Betroffener die Kreisstellen Köln und Leverkusen um Stellungnahme bezüglich der neuen sie betreffenden Mittelbereiche gebeten. Sollten hier Probleme erkennbar werden, wird dies dem zuständigen Landesausschuss in einer seiner nächsten Sitzungen zur Beratung vorgelegt werden. Die KV NO hat ausgeführt, dass mit einer sachlich fundierten und rechtlich abgesicherten Begründung von der BP-RL bezüglich des Zuschnitts der Mittelbereiche für die Bereiche Köln, Leverkusen und Rheinisch-Bergischer-Kreis abgewichen werden kann. 4. Teilt die Landesregierung die Sorgen, dass sich durch eine schleichende Verlagerung der Praxissitze in die genannten kreisfreien Städte die hausärztliche Versorgung in den kreisfreien Städten zugeordneten Städten mittelfristig verschlechtern wird? 5. Die Stadt-/Gemeindegebiete von Bergisch Gladbach, Kürten, Odenthal und Overath werden nach der aktuellen Einteilung des Bedarfsplans einem einheitlichen Planungsbereich zugeordnet. Welche Vorstellungen hat die Landesregierung , wie in den gefährdeten Gemeinden Kürten und Odenthal die hausärztliche Versorgung auf Dauer sichergestellt wird? Die Landesregierung hat grundsätzlich die Sorge, dass aufgrund der Altersstruktur der Ärzteschaft künftig frei werdende Arztsitze nicht nachbesetzt werden können. Die kleinräumigere und wohnortnähere Bedarfsplanung für den hausärztlichen Bereich führt erfreulicherweise zu einer Aufwertung der ländlichen Räume im Gegensatz zu Ballungsgebieten. Jedoch ist es wichtig, die freien Arztsitze auch zu besetzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4115 5 So ist auch durch die Schaffung des gegenüber dem früheren Rheinisch-Bergischen Kreis kleineren Planungsbereichs "Bergisch-Gladbach/Overath" die Niederlassungssteuerung bereits verbessert worden. In diesem Planungsbereich sind noch 13,5 Zulassungen möglich. Daraus wird deutlich, dass sich aus der Bedarfsplanung keine Verschlechterung der Versorgungssituation für die Gemeinden Kürten und Odenthal ergibt. Im Übrigen hat die Landesregierung im Rahmen der Weiterentwicklung des HAP ergänzende Eckpunkte / Bausteine zur Verbesserung der medizinischen Versorgung definiert. Dazu gehören u.a. die Stärkung der hausärztlichen Medizin im Studium, wofür das Land bei den Hochschulen wirbt, die Fortsetzung der Niederlassungsförderung und die Anwerbung ausländischer Ärztinnen und Ärzte.