LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4284 23.10.2013 Datum des Originals: 23.10.2013/Ausgegeben: 28.10.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1616 vom 11. September 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/3991 Equator Principles, Bio-Zertifizierung im nachhaltigen Betriebsrestaurant, Biologische Stationen und produktökologische Fragestellungen im Namen der WestLB-Erben – Wo liegt eigentlich der Schwerpunkt der geschäftlichen Aktivitäten der Portigon AG? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1616 mit Schreiben vom 23. Oktober 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den letzten Wochen und Monaten ist die ernste wirtschaftliche Situation der Portigon AG als Rechtsnachfolger der WestLB verschiedentlich umfangreicher Erörterungsgegenstand in den zuständigen Landtagsgremien gewesen. Die traurige Situation, dass es der Portigon AG als Portfolio Servicer bislang trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist, in nennenswertem Umfang Kundenaufträge jenseits der beiden institutionell verpflichteten öffentlichen Kunden WestLB-Bad Bank EAA und Helaba in der Nachfolge des Verbundbankgeschäfts zu finden, führt zu der für die derzeit noch im Unternehmen Beschäftigten zu einem drastischen Abbau der Planstellen und zu hohen Belastungen für den Landeshaushalt und damit auch für alle Steuerzahler. In dem soeben erschienenen Halbjahresbericht der Portigon AG für das erste Halbjahr 2013 findet sich der interessante Hinweis, für die nächsten beiden Jahresabschlüsse 2013 und 2014 würden erneut Verluste in jeweils dreistelliger Millionenhöhe erwartet. Auf Seite 19 heißt es dazu wörtlich: „Der Transformationsprozess von Portigon bleibt mit hoher Unsicherheit verbunden und wird weiterhin negative Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft haben. Der Umbau in einen international tätigen Portfolio Servicer für Finanzdienst- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4284 2 leister und dessen Etablierung am Markt wird mit Anlaufverlusten verbunden sein. Wir gehen davon aus, dass Portigon im IFRS-Konzernabschluss das Geschäftsjahr 2013 mit einem Verlust in mittlerer, das Geschäftsjahr 2014 in niedriger dreistelliger Millionenhöhe abschließen wird. Der Anfall weiterer Restrukturierungsaufwendungen ist abhängig vom Fortgang der Transformation.“ Zugleich ist die Personalplanung bekannt, der zufolge sich die Portigon AG aufgrund ihres anhaltenden Auftragsmangels von 2013 bis 2016 von insgesamt 2.450 Beschäftigten trennt, um eine neue Zielgröße von 150 Beschäftigten zu erreichen. Betriebsbedingte Kündigungen und Outsourcing-Programme sind wahrscheinlich oder werden bereits praktiziert. Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, welch bemerkenswerte betriebliche Aktivitäten die Portigon AG gegenüber potentiellen Kunden in ihrem aktuellen Internetauftritt kommuniziert, mit dessen Hilfe sie eigentlich dringend Neugeschäft einwerben sollte. An den Dienstleistungen der Portigon AG denkbar interessierte Geschäftspartner erfahren unter anderem folgendes: „Umwelt- und Klimaschutz müssen an jedem Arbeitsplatz gelebt werden. Die Portigon AG fördert durch stetige Information und Schulung das Umweltbewusstsein ihrer Mitarbeiter/- innen. (...) Umwelt- und Klimaschutz bei Auftragnehmern sind Entscheidungskriterien bei der Auftragsvergabe. (...) Umweltschutz bei Kunden ist ein Kriterium der Leistungserbringung. Die Position der Portigon AG und ihre Wertvorstellungen sind Verpflichtung nach außen. Als Unternehmen in öffentlicher Eigentümerschaft wirken wir bei der Erbringung unserer Leistungen für Kunden auf die Einhaltung branchenüberdurchschnittlicher Umweltstandards hin. Beispielsweise empfehlen wir unseren Kunden die Entwicklung eigener Umweltleitlinien.“ Man betont ferner: Zu produktökologischen Fragestellungen würden diese Leitlinien noch durch die Nachhaltigkeitsgrundsätze der Portigon AG ergänzt. Dort erfährt man präziser, was die Portigon AG alles regelt, dokumentiert und analysiert: Equator Principles beschäftigen sich mit der Weiterentwicklung von Umwelt- und Sozialstandards im Finanzierungsgeschäft, die Portigon AG freut sich, den Strom an allen deutschen Standorten zu 100 Prozent aus Wasserkraft zu beziehen, sie verfügt über eine ISO-Zertifizierung im Umweltmanagement, mit der Umweltauditoren bestätigen, dass das Unternehmen seine Umweltauswirkungen systematisch analysiert und an deren kontinuierlichen Verringerung arbeitet. Die Portigon AG rechnet sowohl direkte wie indirekte Emissionen in ihre Treibhausgasbilanz nach Greenhouse -Protokoll ein. Portigon rühmt sich ferner, für die Zusammenarbeit mit einigen Branchen die weltweit ersten Geschäftsgrundsätze dieser Art aufgestellt zu haben: „Die Geschäftsgrundsätze definieren Mindeststandards und Ausschlusskriterien: Auf Basis eines Indexes werden Ländergruppen erstellt, für die jeweils verschiedene Mindest- oder Ausschlusskriterien gelten. Berücksichtigt werden bspw. die Treibhausgasemissionen pro Kopf im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung und zum Entwicklungsstand (UN Human Development Index), aber auch der jeweils vorhandene Energiemix eines Landes sowie die Veränderungen hierbei.“ Seit seiner Bio-Zertifizierung trägt das nachhaltige Betriebsrestaurant der Portigon-Zentrale den Hinweis „Mahlzeiten aus ökologischer Agrarwirtschaft“. Mit der Erhöhung des Anteils von Nahrungsmitteln aus ökologischem Anbau leistet die Portigon AG so auch einen Beitrag zum Klimaschutz. In direkter Nähe zu ihrem hochwertigen Schloss Krickenbeck mit seinem erstklassigen Event-, Kongress- und Beratungsangebot sowie Bildungsprogramm unterhält die Portigon AG ferner noch eine Biologische Station. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4284 3 Aber damit nicht genug: Die Portigon-Kunstsammlung stellt ein wichtiges und sichtbares Zeugnis für den Kunsteinsatz der Bank dar und umfasst die Bereiche Klassische Moderne, abstrakte und konstruktivistische Kunst sowie zeitgenössische Kunst und Fotografie. Der geneigte Leser erfährt: „Künstler wie Joseph Beuys, Imi Knoebel, Gotthard Graubner, die Zerokünstler Uecker, Piene , Mack und Luther, Isa Genzken, Hans Peter Feldmann und Katharina Grosse sind nur einige Namen, die in unserer Sammlung mit wichtigen Arbeiten vertreten sind.“ Auch die Portigon-Instrumentensammlung ist beeindruckend, der die zwei Violinen „Lady Inchiquin“ und “ExCroall” von Antonio Stradivari sowie das Violoncello von Joseph Rocca (mit Zertifikat von William E. Hill & Sons, 1939) zugehörig sind. Im weiteren macht sich die Portigon AG bei ihrer Selbstdarstellung in der Rubrik „Unsere Verantwortung“ noch im Detail Gedanken über alle möglichen betriebsökologischen Fragen vom Umfang nationaler und internationaler Unterschiede beim Einsatz chlorfreier Frischfasern in Büropapier und Umschlägen, über die Aufschlüsselung der Abfallmengen im Dreijahresvergleich bis zur Analyse von Produktherkunft und Anbauart im Food- und BeverageBereich auf Schloss Krickenbeck. Eine eigene Organisationseinheit der Portigon AG versichert im letzten „Umweltbericht 2012 neu mit Umweltprogramm bis 2013“: „Mit dem Übergang der alten WestLB in die Portigon gehen diese Errungenschaften nicht verloren, sie werden auch in den neuen Unternehmen ihren Niederschlag finden. So werden wir die Datenerhebung und die Zertifizierung unseres Umweltmanagementsystems weiter fortführen und auch im nächsten Jahr wieder über die Ergebnisse berichten. Unsere Erfahrungen und Kompetenzen im Bereich des betrieblichen Umweltschutzes und des Umweltmanagementsystems werden wir zukünftig als Dienstleistung auch anderen Unternehmen wie z. B. der EAA zur Verfügung stellen.“ Dass diese Fragen tatsächlich einen zentralen Stellenwert für die Portigon AG haben, belegt der Erscheinungstermin dieser instruktiven Publikation: In der Hochphase der WestLBZerschlagung und Transformation, im Juni 2012, werden wertvolle Ratschläge zu den zentralen Herausforderungen des Unternehmens gegeben. Eine wichtige Erkenntnis lautet: „Der Anteil der Bahnkilometer an der Gesamtreiseleistung ist gesunken. Hier sollte geprüft werden, zu welchen Gelegenheiten Bahnfahrten als Standard verbindlich vorgegeben werden könnten.“ Viele der besonderen gesellschaftlichen Leistungen der Portigon AG sind moralisch zweifellos löblich und anerkennenswert. Sie bringen nur ein Problem mit sich: In diesen Zeiten des dramatischen geschäftlichen Niedergangs, den nicht ohne Grund nun ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss in den nächsten Jahren aufarbeitet, entsteht gegenüber Kunden ein Bild, dass die Portigon AG sich mit so ziemlich jeder gesellschaftlichen Fragestellung im Detail beschäftigt und dabei die Erwirtschaftung einer betrieblichen Ergebnisverbesserung völlig aus dem Fokus gerät. Vorbemerkung der Landesregierung Nach Rücksprache mit der Portigon AG ergibt sich in Sachen Corporate Social Responsibility (CSR) folgender Sachverhalt: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4284 4 Zur richtigen Einordnung der Aktivitäten der Portigon AG sind folgende grundsätzliche Klarstellungen zum Thema Corporate Social Responsibility (CSR) hilfreich:  CSR ist Branchenstandard Jedes Unternehmen aus der Finanzdienstleisterbranche muss Anforderungen von außen genügen, die über das Kerngeschäft hinausgehen. Stakeholder, Ratingagenturen, (künftige ) Kunden und Auftraggeber sowie potenzielle Investoren haben ein berechtigtes Interesse an den Sozial- und Umweltleistungen eines Unternehmens. Ein Umweltbericht ist die Minimalform, um den branchenweiten Standard der Finanzdienstleisterbranche zur Berichterstattung über die Umweltleistung einzuhalten. Ein extern geprüftes Zertifikat nach ISO 14001 wird beispielsweise als Beleg für die Funktionalität des Umweltmanagementsystems und die Belastbarkeit der Umweltaussagen gewertet .  CSR entspricht Kundenanforderungen Ein externes Kurzgutachten, das von der Portigon AG in Auftrag gegeben wurde, bestätigte Anfang 2013, dass eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001 bei der Auftragsakquisition als offizieller Nachweis über ein funktionierendes Umweltmanagement gilt und bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand und auch bei privaten Auftraggebern ein wichtiges Vergabekriterium ist. So gilt z.B. bei Ausschreibungsverfahren des Landes NRW das Gesetz über die Sicherung von Tariftreue und Sozialstandards sowie fairen Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (TVgG – NRW). Danach sind öffentliche Auftraggeber verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen Kriterien des Umweltschutzes und der Energieeffizienz zu berücksichtigen . 1. Welchen finanziell messbaren Erfolgsbeitrag haben die dargestellten Corporate Social Responsibility-Aktivitäten einerseits zum betrieblichen Gesamtergebnis sowie andererseits für die Gewinnung neuer Kunden der Portigon AG im letzten Jahr konkret gebracht? Eine Gesamterhebung des Erfolgsbeitrags der CSR-Aktivitäten ist aufgrund des damit verbundenen Rechercheaufwands nicht darstellbar. Im Folgenden werden die Effekte deshalb an ausgewählten Beispielen verdeutlicht:  Allein innerhalb der letzten drei Jahre (2010 bis 2012) konnte der Gesamtenergieverbrauch für die von der Portigon AG in Düsseldorf genutzten Gebäude um rund 2.800 Megawattstunden verringert werden. Der Einspareffekt liegt trotz gestiegener spezifischer Energiebezugspreise bei rund 400.000 €.  Der Wasserbedarf der Portigon AG wurde um 25.000 m³ verringert; damit konnten Einsparungen in Höhe von weiteren rd. 100.000 € erzielt werden.  Die Abfälle des Unternehmens konnten ebenfalls allein innerhalb der letzten drei Jahre um 781 Tonnen verringert werden, was eine Einsparung von gut 100.000 € bedeutet .  Der CO2-Austoß des Standortes Düsseldorf der Portigon AG konnte insgesamt um 70% reduziert werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4284 5 2. In welchem Umfang tragen derzeit nennenswerte weitere Kunden neben den institutionell vereinbarten Kunden EAA und Helaba zum betrieblichen Ergebnis und Umsatzvolumen und Erlösen bei? (Angaben bitte absolut und in % der externen Kundenaufträge an dem gesamten Umsatz- und Erlösvolumen)? Derzeit bilden die EAA und die Helaba die „Ankerkunden“ der Portigon AG. Darüber hinaus konnte die Portigon AG bei der Gewinnung neuer Kunden erste Erfolge erzielen. So stellt die Portigon AG unter anderem einer Förderbank eine Softwarelösung zur Ratingbestimmung zur Verfügung und übernimmt für ein Abwicklungsinstitut Aufgaben im Bereich des regulatorischen Meldewesens. Die vereinbarten Honorare unterliegen der Vertraulichkeit. 3. Wie viel Geld haben WestLB bzw. Portigon AG insgesamt in den letzten drei Jah- ren für die Gesamtheit ihrer Corporate Social Responsibility-Aktivitäten aufgebracht ? (Angaben bitte vollständig mit allen auch anteiligen Sach- und Personalkosten ) 4. Wie viele Beschäftigte der Portigon AG sind derzeit noch mit Aufgabenwahr- nehmungen im Bereich von Corporate Social Responsibility-Aktivitäten befasst und werden dies auch zukünftig noch nach Umsetzung der geplanten drastischen Personalabbaumaßnahmen sein? Die Fragen 3 bis 4 werden zusammen beantwortet. Eine Gesamterhebung der Kosten bzw. Beschäftigten ist aufgrund des damit verbundenen Rechercheaufwands nicht darstellbar. Anzumerken ist, dass die mit CSR-Aktivitäten befassten Beschäftigten weitestgehend Funktionen ausüben, die z. B. aufgrund gesetzlicher Vorschriften ohnehin vorzuhalten sind. Beispielsweise werden im Bereich Arbeitssicherheit neben dem kompletten Brand- und Arbeitsschutz auch alle Aufgaben des Umweltmanagementsystems und die Sicherstellung der gesetzlichen Anforderungen im Bereich Umweltschutz wahrgenommen. 5. Welche einzelnen ökologischen Vorgaben und Projekte sowie Umweltleitlinien haben jeweils die EAA und die Helaba als institutionelle Kunden der Portigon AG bislang auf Initiative der Portigon AG bei sich in der eigenen Organisation realisiert ? (bitte vollständige Enumeration) Die Portigon AG ist wesentlicher Dienstleister der EAA. Im angefragten Kontext haben die EAA und die Portigon AG eine vertragliche Verpflichtung über ein Umweltmanagementsystem geschlossen. Im Auftrag der EAA erstellt die Portigon AG für die EAA jährlich u.a. eine Ökobilanz. Zu den CSR-Aktivitäten der Helaba liegen der Portigon AG keine spezifischen Informationen vor.