LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4290 28.10.2013 Datum des Originals: 25.10.2013/Ausgegeben: 31.10.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1632 vom 7. August 2013 des Abgeordneten Bernhard Schemmer CDU Drucksache 16/4052 Weshalb arbeiten die zuständigen Ressorts bei der Bereitstellung von dringend benötigten Flächen für den Wohnungsbau nicht zusammen? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1632 mit Schreiben vom 25. Oktober 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für die bauliche Entwicklung im Ortsteil Alstätte der Stadt Ahaus werden seit Jahren dringend Wohnbaugrundstücke benötigt. Deshalb hatte der Rat der Stadt Ahaus u. a. ein Dorfentwicklungskonzept erstellen lassen. Darin wurde ein Grundstück als einzige Fläche im Ortsteil Alstätte als "gut geeignet" für die weitere wohnbauliche Entwicklung bezeichnet. Daraufhin hat der Rat beschlossen, den Grundstücksbereich im Entwurf des Flächennutzungsplanes als Wohnbaufläche darzustellen. Im Juli 2011 kam es zur Vertragsunterzeichnung zwischen insgesamt vier Parteien. Zur dauerhaften Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes eines der Beteiligten sollte dessen Mastbetrieb bzw. die Stallhaltung an anderer Stelle fortgeführt und erweitert werden. Zu diesem Zweck brachte die katholische Kirchengemeinde eine Teilfläche ein, die an den vorgenannten Landwirt veräußert wurde. Dieser war bereits Eigentümer des an diese Fläche angrenzenden Grundstücks. Den hierdurch erzielten Verkaufserlös reinvestierte die Kirchengemeinde durch Erwerb von Bauerwartungslandflächen von einem weiteren beteiligten Grundeigentümer. Sie behielt sich jedoch ein Rücktrittsrecht vom Vertrag für den Fall vor, dass diese Reinvestitionsfläche bauplanungsrechtlich, insbesondere aufgrund einer Immissionsproblematik nicht als Wohnbaufläche ausgewiesen werden konnte. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4290 2 Am 08. August 2011 wurde dem Büro Uppenkamp und Partner seitens der Stadt Ahaus der Auftrag zur Erstellung einer Geruchsimmissionsprognose erteilt. Die Ergebnisse dieses Geruchsgutachtens wurden am 20.12.2011 vorgestellt: danach bewegten sich die Geruchswahrnehmungshäufigkeiten zwischen 14 % und 24 %. Nach diesen gefundenen Ergebnissen war es der Wunsch der katholischen Kirchengemeinde , ein weiteres, durch das Ingenieurbüro Richters und Hüls zu erstellendes Gutachten in Auftrag zu geben. Dieses weitere Gutachten lag am 09.02.2012 vor: die Geruchswahrnehmungshäufigkeiten beliefen sich hiernach auf 7 % bis 14 %. Am 15.02.2012 wurden seitens der Stadt Ahaus folgende Unterlagen an den Kreis Borken als zuständige Immissionsschutzbehörde mit der Bitte um Prüfung weitergeleitet:  die vor bezeichnete Geruchsimmissionsprognose des Büros Uppenkamp und Partner ,  eine weitere Geruchsimmissionsprognose des gleichen Büros, aus der u.U. mittelbar Rückschlüsse auf die Situation der genannten Fläche möglich waren,  die Geruchsimmissionsprognose des Büros Richters und Hüls,  die Stellungnahme des Büros Richters und Hüls zu den beiden Prognosen des Büros Uppenkamp und Partner sowie  die Stellungnahme des Büros Uppenkamp und Partner zu der Prognose des Büros Richters und Hüls. Diese Unterlagen wurden am 24.02.2012 durch den Kreis Borken an das Landesamt für Natur , Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) mit der Bitte um Prüfung und Darstellung von Lösungsmöglichkeiten weitergeleitet. Ein Ergebnis bzw. eine Antwort hierauf steht bis heute aus. Die Rheinische Post berichtete in ihrer Ausgabe vom 6. August 2013: „Wir brauchen dringend mehr bezahlbaren Wohnraum", forderte auch NRW-Bauminister Michael Groschek (SPD). Die Kommunen müssten dafür mehr Grundstücke zur Verfügung stellen, und der Bund müsse mehr Geld bereitstellen.“ Vorbemerkung der Landesregierung Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz berät und unterstützt die Landesregierung und die Vollzugsbehörden bei der Beurteilung der Wirkung von Umweltschadstoffen auf den Menschen und ist Gutachter für den Stand der Umwelttechnik. In dieser Funktion erhielt das LANUV eine Anfrage des Kreises Borken vom 24.02.2012 zum Bebauungsplan „Ahaus-Alstätte-Süd“ und hier zum Thema „Kontroverse Ergebnisse in den Prognosen durch unterschiedliche Gutachter“ mit der „Bitte um Prüfung und Darstellung von Lösungsmöglichkeiten“. Im Rahmen der Bearbeitung extrahierte das LANUV 15 Fragen zum Thema Ausbreitungsrechnung und 7 Fragen zum Thema Tierhaltung. Am 15.11.2012 wurde bei einer Dienstbesprechung unter Mitwirkung des Kreises Borken auch das Thema Bebauungsplan „Ahaus-Alstätte-Süd“ ausführlich besprochen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4290 3 Zusammenfassend ging es um die Frage, ob im Rahmen der Ermittlung der Geruchsbelastung für Bebauungspläne andere Ermittlungs- und Bewertungsmaßstäbe angesetzt werden können/sollten als im Genehmigungsverfahren für Tierhaltungsbetriebe. Aus Sicht des Landesamtes geht es immer um die fachlich korrekte und sachgerechte Ermittlung von Geruchsbelastungen (z.B. Gesamtbelastung nach der Geruchsimmissionsrichtlinie GIRL). Bei gleichem Sachverhalt sollten Geruchsgutachten, egal ob sie im Bebauungsplanverfahren oder im Anlagengenehmigungsverfahren erstellt werden, zu weitgehend gleichen Geruchsstundenhäufigkeiten führen. Nur unter dieser Bedingung kann im Einzelfall eine sachgerechte Bewertung der Situation vorgenommen werden. Im Nachgang zur Dienstbesprechung wurde der Sachverhalt mit dem Kreis Borken fachlich diskutiert (Telefonate). Dabei ist die Problematik der Zusammenführung von rechnerischen Ergebnissen zweier anerkannter Gutachterbüros und die Möglichkeit der Durchführung einer Geruchsimmissionsmessung (Rasterbegehung nach GIRL) erörtert worden. Aus Sicht des LANUV stellen sich zu allen vorliegenden Gutachten Plausibilitätsfragen, zudem sind ggf. weitere Prüfungen erforderlich. Eine abschließende Aussage zur Geruchsimmissionsbelastung auf der Planfläche Bebauungsplan „Ahaus-Alstätte-Süd“ ist somit nicht möglich. Das LANUV sieht nach diesem fachlichen Meinungsaustausch keine weitere Notwendigkeit, zu den Immissionsgutachten für den Bebauungsplan „Ahaus-Alstätte-Süd“ weitergehend schriftlich Stellung zu beziehen. 1. Wann kann der Kreis Borken mit einer Antwort durch eine Landesbehörde rech- nen? Das LANUV ist bei der Bearbeitung der Anfrage des Kreises Borken mehrfach involviert gewesen und hat schließlich seine fachliche Auffassung dem Kreis Borken mündlich dargelegt (s. Vorbemerkung). 2. Wie beurteilt das Wohnungsbauministerium den Sachverhalt? Die Ausweisung von neuen Wohnbauflächen in den gemeindlichen Bauleitplänen erfolgt im Rahmen der kommunalen Planungshoheit. Hierbei sind die gemeindlichen Bauleitpläne gem. § 1 Abs. 4 Baugesetzbuch (BauGB) an die Ziele der Raumordnung anzupassen. Die Ziele der Raumordnung ergeben sich über den Landesentwicklungsplan (LEP) und die jeweiligen Regionalpläne. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind gem. § 1 Abs. 7 BauGB die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Hierzu zählen auch die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere die umweltbezogenen Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt. Es ist insofern nachvollziehbar, dass die Geruchsproblematik einer sachgerechten Lösung zugeführt werden soll. 3. Weshalb arbeiten das Umwelt- und das Wohnungsbauministerium bei der Frage der Bereitstellung von Wohnraumflächen nicht zusammen? Regional- und Bauleitplanung haben gem. Ziel C. I. 2.1 des gültigen LEP durch Darstellung und Festsetzung ausreichender Wohnsiedlungsbereiche, Bauflächen und Baugebiete in den Gebietsentwicklungs-, Flächennutzungs-und Bebauungsplänen die Baulandversorgung für LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4290 4 den regionalen und kommunalen Bedarf sicherzustellen. Diese Zielvorgabe ist in der gemeindlichen Planung zwingend zu beachten. Die Bereitstellung von ausreichenden Wohnsiedlungsbereichen ist somit sichergestellt. Im Rahmen der Erarbeitung entsprechender Festlegungen des neuen Landesentwicklungsplans arbeiten das Umwelt- und das Wohnungsbauministerium sowie andere betroffene Ressorts sachgerecht und lösungsorientiert zusammen. 4. Sind der Landesregierung weitere Fälle bekannt, bei denen die Entscheidungen für notwendige Ausweisungen von Wohnflächen durch das LANUV oder sonstigen Landesbehörden noch ausstehen? (Bitte auflisten) Das Verfahren zur Aufstellung von Bauleitplänen ist im BauGB normiert. Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind gem. § 1 Abs. 7 BauGB die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Zur Ermittlung der unterschiedlichen Belange führt die Gemeinde gem. §§ 3 und 4 BauGB ein zweistufiges Beteiligungsverfahren durch. Diese Verfahrensschritte dienen auch der Rechtssicherheit der Bauleitpläne und sichern somit eine dauerhafte Ausweisung von Wohnbauflächen. In den zuständigen Fachabteilungen des LANUV sind keine weiteren Fälle zu Geruchsstoffen und Landwirtschaft im Zusammenhang mit Bebauungsplänen bekannt. 5. Wie beurteilt die Landesregierung die Forderung von Minister Groschek an die Kommunen, mehr Grundstücke zur Verfügung zu stellen, angesichts der o. g. Verzögerungen durch eine Landesbehörde? Über die reine Ausweisung von Wohnbauflächen hinaus ist es Kommunen möglich, über sogenannte Baulandmodelle oder den Abschluss städtebaulicher Verträge preiswertes Bauland zur Verfügung zu stellen oder eine Quotierung zugunsten geförderter Wohnungen zu erreichen. Das Land unterstützt die Gemeinden bei der Schaffung preiswerten Wohnraums über die Bereitstellung von Wohnungsbaufördermitteln. Bei der Bewertung der Geruchsbelastung für Bebauungspläne durch das LANUV sind Verzögerungen nicht zu erkennen.