LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4312 30.10.2013 Datum des Originals: 30.10.2013/Ausgegeben: 04.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1659 vom 27. September 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4120 Ergebnisse bei der Feststellung des Sprachstands nach Delfin 4 in Oberhausen – Wie hat sich der Bedarf an vorschulischer Sprachförderung von Kindern in Oberhausen quantitativ und strukturell entwickelt? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1659 mit Schreiben vom 30. Oktober 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Bildungsbiographie in unserem Land. Zu Beginn der Grundschulzeit wurde jedoch in der Vergangenheit bei etlichen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund immer wieder festgestellt, dass enorme Defizite und Verzögerungen bei der Sprachentwicklung vorliegen oder Kinder ausländischer Herkunft gänzlich ohne deutsche Sprachkenntnisse eingeschult worden sind. Von Chancengleichheit am Start konnte daher oftmals nicht die Rede sein. Es ist offensichtlich, dass Sprachförderung so früh wie möglich beginnen sollte. Mit der Einführung verbindlicher Sprachtests und Sprachförderung haben FDP und CDU daher bereits während ihrer Regierungszeit im Jahr 2007 erstmals damit begonnen, den Sprachstand vierjähriger Kinder in Nordrhein-Westfalen systematisch zu testen, zu erfassen und bei Bedarf entsprechende Sprachfördermaßnahmen daraus herzuleiten. Um festzustellen, ob Kinder über altersgerechte Sprachkenntnisse und eine altersgemäße Sprachentwicklung in der deutschen Sprache verfügen, wird entsprechend § 36 Abs. 2 des Schulgesetzes auch heute noch bei allen Kindern der Sprachstand verpflichtend getestet. Die Feststellung des Sprachstandes erfolgt in Nordrhein-Westfalen nun verbindlich mit dem Testinstrument und Verfahren Delfin 4 (Diagnostik, Elternarbeit und Förderung der Sprach- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4312 2 kompetenz in Nordrhein-Westfalen bei 4-Jährigen). Es wird also bei allen nordrheinwestfälischen Kindern zwei Jahre vor der Einschulung eine Sprachstandsfeststellung durchgeführt . So bleiben bis zur Einschulung bei Bedarf noch mindestens zwei Jahre Zeit, um ein Kind gezielt sprachlich adäquat fördern zu können. Verantwortlich für die Durchführung des Testverfahrens sind die Schulämter bei den Kreisen bzw. kreisfreien Städten. Beim Sprachtest Delfin 4, der von der Pädagogin Lilian Fried an der Technischen Universität Dortmund entwickelt worden ist, handelt es sich um ein zweistufiges Verfahren, mit dem auf spielerische Weise die Sprachkompetenz überprüft werden kann, eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Beschulung. Die erste Teststufe steht unter dem Oberthema „Besuch im Zoo“ und ähnelt dem Brettspiel „Mensch ärgere Dich nicht“. In gewohnter Umgebung des Kindes in der Kindertagesstätte spielen die Kinder mit einer Erzieherin das Testspiel. Sie werden dabei von einer Grundschullehrerin beobachtet, die protokolliert, wie die Vierjährigen sich beim Spiel verhalten. Es soll sich dabei darauf konzentriert werden, wie sich die Sprache bei den Kindern bereits entwickelt hat. Aufgaben im Spiel sind beispielsweise, altersgerechte Sätze, Quatschsätze oder Fantasieworte nachzusprechen. Die Testsituation dauert etwa eine halbe Stunde. Das fachliche Protokoll der begleitenden Lehrerin entscheidet über das weitere Vorgehen. Kinder, bei denen die Sprachfähigkeit unklar bleibt oder die nicht den Kindergarten besuchen und so in Stufe 1 nicht erfasst werden, werden in einer zweiten Stufe einzeln getestet. Hier steht ein „Besuch im Pfiffikus-Haus“ an; also wieder eine spielerische Situation, nach der entschieden wird, ob die Sprache besonders gefördert werden muss. Sollten Defizite festgestellt werden, ist eine weitere verpflichtende Sprachförderung vorgesehen, möglichst direkt in der Kindertagesstätte des zu fördernden Kindes. Insbesondere im Ruhrgebiet mit seinem hohen Migrationsanteil und bei einem verstärkten Vorhandensein bildungsferner Elternhäuser ist die vorschulische Sprachförderung von ganz besonderer Bedeutung. Dem Parlament sollte daher bei Anforderung ein umfassendes Bild auch über die lokalen Ergebnisse der Sprachstandsfeststellung nach Delfin 4 ermöglicht werden. Dafür bedarf es einer detaillierten Information über die quantitative wie strukturelle Entwicklung aktueller wie bereits zurückliegender Ergebnisse. Vorbemerkung der Landesregierung Die vorliegende Kleine Anfrage ist Teil einer Serie von fast inhaltsgleichen Kleinen Anfragen zu den Ergebnissen der Feststellung des Sprachstands in einzelnen Schulamtsbezirken in Nordrhein-Westfalen, die von Abgeordneten der Fraktion der FDP gestellt wurden. Die Beantwortung erfolgt jeweils nach einem gleichlautenden Schema. Eine frühzeitig einsetzende und durchgängige Sprachbildung ist nach Auffassung der Landesregierung eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Kinder und Jugendliche ihre Fähigkeiten und Potentiale entfalten können. Auf die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage 3 der Fraktion der CDU „Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung im Elementarund Primarbereich sowie im Übergang zu weiterführenden Schulen in Nordrhein-Westfalen“ vom 19.06.2013 - Landtagsdrucksache 16/3328 – wird verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4312 3 1. Welche Ergebnisse haben jeweils einzeln für alle Durchführungstermine seit dem Jahr 2010 unter Angabe der getesteten Kinderzahl die Sprachstandsfeststellungen Delfin 4 in der 1. Stufe für die Stadt Oberhausen genau hervorgebracht? 2. Welche Ergebnisse haben jeweils einzeln für alle Durchführungstermine seit dem Jahr 2010 unter Angabe der getesteten Kinderzahl die Sprachstandsfeststellungen Delfin 4 in der 2. Stufe für die Stadt Oberhausen genau hervorgebracht? (Nennung bitte jeweils mit differenzierter Angabe des Testanlasses für die teilnehmenden Kinder in der 2. Stufe) Frage 1 und Frage 2 werden in nachstehender Tabelle zusammengefasst beantwortet: Anzahl der Kinder mit und ohne zusätzlichem Sprachförderbedarf in Oberhausen: 2010 2011 Festgestellter Förderbedarf noch keine Aussage kein Förderbedarf Festgestellter Förderbedarf noch keine Aussage kein Förderbedarf 1. Stufe 377 408 814 297 310 682 2. Stufe 222 354 194 317 gesamt 599 1168 491 999 2012 Festgestellter Förderbedarf noch keine Aussage kein Förderbedarf 1. Stufe 342 312 799 2. Stufe 219 284 gesamt 561 1083 Der Delfin-Test ermittelt mit Blick auf unterschiedliche Bereiche sprachlichen Handelns, ob die Sprachentwicklung der Kinder altersgerecht ist und ob zusätzlicher Sprachförderbedarf vorliegt. Der Testanlass der in der 2. Stufe getesteten Kinder wird nicht statistisch erhoben. Die hierfür genutzte Abfragemaske ist im Übrigen seit 2008 wegen des dann unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwandes für die Schulämter nicht verändert worden. Kinder, die in der 1. Stufe getestet wurden und für deren Sprachentwicklung noch keine gesicherten Aussagen gemacht werden konnten, werden zur 2. Stufe eingeladen. Darüber hinaus nehmen diejenigen Kinder an der 2. Stufe teil, die aus unterschiedlichen Gründen bisher nicht erreicht wurden. Die Testergebnisse finden sich in der Summe der Kinder der 2. Stufe mit dem Ergebnis „kein Förderbedarf“ oder festgestellter Förderbedarf“ wieder. 3. Wie stellen sich die quantitativen Ergebnisse des Förderbedarfs bei Sprach- standtests in der Stadt Oberhausen im Vergleich zu den regionalen (Verbandsgebiet des RVR) sowie den landesweiten Durchschnittswerten dar? Nachstehende Tabelle gibt die Vergleichsquoten der Kinder mit zusätzlichem Sprachförderbedarf wieder. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4312 4 2010 2011 2012 A n za h l d er K in d er m it F ö rd er b ed ar f A n za h l d er K in d er m it F ö rd er b ed ar f A n za h l d er K in d er m it F ö rd er b ed ar f % % % Oberhausen 599 33,9 491 45,05 561 34,12 Mittelwert RVR Region 31,22 31,42 30,84 NRW 40525 25,50 34386 25,81 38319 25,59 4. In welcher Form konkret unterstützt das Land Nordrhein-Westfalen die Träger der Kindertageseinrichtungen, in deren Verantwortung die inhaltliche und fachliche Ausgestaltung der zusätzlichen Sprachförderung liegt, insbesondere im Hinblick auf die Qualitätssicherung der Maßnahme? Die Landesregierung gewährt gem. § 21 Abs. 2 KiBiz für jedes Kind, das gem. § 36 Abs. 2 Schulgesetz einen Sprachförderbedarf bescheinigt bekommen hat, dem Jugendamt bis zum Schuleintritt des Kindes einen zusätzlichen Zuschuss in Höhe von 350 € pro Kindergartenjahr . Voraussetzung ist, dass das Jugendamt den Zuschuss an die Träger der Einrichtungen seines Bezirks weiterleitet. Seit 2010 unterstützt die Landesregierung die Träger darüber hinaus im Rahmen eines umfänglichen fachlichen Dialogs. Im Rahmen dieses Dialogs ist deutlich geworden, dass die von Anfang an mit dem Delfin4 Verfahren verbundene begründete Kritik aufgegriffen werden muss und die Sprachförderung in Nordrhein-Westfalen einer umfänglichen Weiterentwicklung bedarf. Wesentliches Ziel dabei wird die Sicherung und Steigerung der Qualität der pädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen sein. 5. In welcher Weise plant die Landesregierung, die Sprachstandsfeststellung mit- tels Delfin 4 samt entsprechender Fördermaßnahmen zu evaluieren und weiterzuentwickeln ? Die Landesregierung folgt bei der Weiterentwicklung der Instrumente zur Sprachstandsfeststellung den Empfehlungen der Bildungskonferenz sowie den Erkenntnissen aus den Regionalkonferenzen und dem kontinuierlichen Dialog mit den Trägern der Kindertageseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen. Die Beteiligten haben sich nachdrücklich dafür ausgesprochen, an der Individualverpflichtung zur Sprachstandserfassung 2 Jahre vor der Einschulung im Schulgesetz (Vorgriff auf die Schulpflicht) festzuhalten. Im Elementarbereich soll mit geeigneten Instrumenten kontinuierlich die sprachliche Entwicklung von Kindern in den Blick genommen werden. Das bisherige Verfahren, das allein auf einer Momentaufnahme basiert und in der hauptsächlichen Verantwortung von Grundschullehrkräften liegt, sollte mit dem Ziel verändert werden, es künftig prozessorientiert auszurichten und in den pädagogischen Alltag der Kindertageseinrichtung zu integrieren. Deshalb wird die Landesregierung die im Koalitionsvertrag 2012 bis 2017 festgeschriebenen Vereinbarung umsetzen und die Sprachdiagnostik und -förderung gemeinsam mit den Trägern und mit wissenschaftlicher Unterstützung weiterentwickeln und auf eine verlässliche konzeptionelle Grundlage stellen. Hierzu gehört auch die Überprüfung der erforderlichen Kosten und Verfahren.