LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/432 26.07.2012 Datum des Originals: 25.07.2012/Ausgegeben: 31.07.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 64 vom 25. Juni 2012 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/104 Abschaffung der Befristung von Normen einschließlich Berichtspflichten? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 64 mit Schreiben vom 25. Juli 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit allen Ressorts beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach Art. 122 des Fünften Gesetzes zur Befristung des Landesrechts vom 5. April 2005 hat die Nordrhein-Westfälische Landesregierung dem Landtag jährlich alle Gesetze zu benennen, die zum Zweck der Evaluierung eine Verfallsklausel oder eine Berichtspflicht aufweisen und deren Befristung innerhalb des nächsten oder übernächsten Jahres ausläuft. Die Berichte beinhalten neben tabellarischen Listen aller auslaufenden Rechtsnormen für jede Rechtsvorschrift einen kurzen Vorschlag zum weiteren Umgang mit der Befristung sowie zur geplanten Evaluation (z. B. „Verlängerung der Befristung durch Mantelgesetz“, „Aufhebung der Befristung“ mit jeweils einer kurzen Begründung, „Evaluation des Gesetzes wird 2010 erfolgen“, „Das Gesetz kann entfallen“ oder „Der Bericht wird rechtzeitig vorgelegt werden“). Diese Berichtspflicht führt dazu, dass der Landtag längere Zeit vor Befristungsablauf über den geplanten Umgang der Landesregierung mit der auslaufenden Befristung informiert wird und ggf. intervenieren kann. Zu den Befristungsterminen ist vom Gesetzgeber jeweils die Entscheidung über die Fortexistenz der betroffenen Rechtsnormen zu treffen. Die Befristung von Normen dient dem übergeordneten Ziel der Bürokratievermeidung. Eine regelmäßige entsprechende Evaluierung ermöglicht eine nachträgliche Wirkungsbeobachtung der Normen und Erfolgskontrolle durch die Landesregierung und den Landtag, zwingt zu deren Selbstkontrolle sowie zur periodischen Neubefassung und trägt mittels ständiger Rechtsbereinigung zur Qualitätssteigerung der Normen sowie zu Deregulierung bei. Nach § 111 Ziffer 1 S. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Nordrhein-Westfalen (GGO) war durch die Ministerien in den Entwürfen neuer Gesetze und Rechtsverordnungen grundsätzlich eine Befristung vorzusehen. Gemäß § 111 Ziffer 6 GGO LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/432 2 endete „die Verpflichtung der Ministerien, eine Befristung vorzusehen, (…) mit Ablauf des Jahres 2011.“ Auf der Grundlage einer Evaluierung war durch die Landesregierung rechtzeitig darüber zu entscheiden, ob diese Verpflichtung fortbestehen soll. Nachdem die rot-grüne Landesregierung in der Vergangenheit bereits vielfach gesetzlich vorgeschriebenen Berichtspflichten erst deutlich verspätet nachgekommen ist (vgl. etwa Drs. 15/2800) und Fristen teilweise sogar verlängern musste (vgl. z.B. zum Polizeiorganisationsgesetz – Artikel 2 in Drs. 15/2325), plant die Landesregierung nunmehr augenscheinlich die Abschaffung der Befristungen einschließlich Berichtspflichten in bestehenden Gesetzen und hat offensichtlich mit der Umsetzung bereits begonnen. So ist im Gesetzentwurf der Landesregierung vom 01.06.2012 „Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose – GHBG“ (Ds. 16/15) in der Begründung (S.6) formuliert: „Zu 5. - Gesetze, die in Kraft sind, sieht die Landesregierung gemäß ihres Kabinettsbeschlusses vom 20.12.2011 als zwingend notwendig an. Befristungen und Berichtspflichten sind daher nicht mehr erforderlich. § 10 des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose ist daher zu streichen. (…)“ 1. Inwieweit beabsichtigt die Landesregierung, den Landtag an den Erkenntnissen aus der Evaluierung gemäß § 111 Ziffer 6 GGO teilhaben zu lassen, um eine grundsätzliche Diskussion im Landtag über Änderungen an der bisherigen Grundentscheidung (Erstes bis Fünftes Befristungsgesetz 2004/2005) zur Befristung von Normen einschließlich Berichtspflichten in Nordrhein-Westfalen zu ermöglichen? Die Landesregierung hat mich in dem zitierten Beschluss vom 20. Dezember 2011 ausdrücklich gebeten, im Benehmen mit der Staatskanzlei den Präsidenten des Landtags über die beabsichtigten Änderungen der Gesetzgebungspraxis der Landesregierung (Artikel 65 der Landesverfassung) vor dem 1. Januar 2012 zu unterrichten und den Vorschlag der Landesregierung zu übermitteln, auch weiterhin eine einheitliche Praxis bezüglich des Befristungsmanagements in Nordrhein-Westfalen zu pflegen. Dieser Bitte bin ich am 28. Dezember 2011 mit einem Schreiben an den Landtagspräsidenten nachgekommen. Im Übrigen erhält der Landtag weiterhin jährlich die vom Fragesteller erwähnten Berichte der Landesregierung nach Artikel 122 des Fünften Gesetzes zur Befristung des Landesrechts, mit denen der Landtag über die geplanten Vorschläge der Landesregierung zu auslaufenden Befristungen informiert wird. 2. Bei welchen Gesetzen und Rechtsverordnungen soll nach Auffassung der Landesregierung zukünftig die Befristung einschließlich Berichtspflichten zu welchem Zeitpunkt entfallen? Die Landesregierung hat insoweit am 20. Dezember 2011 beschlossen, dass die zum 1. Januar 2012 in Kraft befindlichen Stammgesetze als zwingend notwendig erscheinen. In zukünftigen Änderungsentwürfen der Landesregierung soll vorgeschlagen werden, die in diesen Stammgesetzen enthaltenen Befristungsregelungen (Verfallklauseln oder Berichtspflichten) zu streichen. Das gleiche gilt für zum 1. Januar 2012 in Kraft befindliche Verordnungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/432 3 Über diese beabsichtigten Änderungen der Gesetzgebungspraxis der Landesregierung ist der Präsident des Landtags mit dem in der Antwort auf Frage 1 bezeichneten Schreiben informiert worden. Der Kabinettbeschluss trägt dem Umstand Rechnung, dass die befristeten Stammgesetze und Verordnungen, die derzeit bestehen, bereits eine umfangreiche Rechtsprüfung im Rahmen der Befristungsgesetzgebung und Normprüfung durchlaufen haben. Nachdem in umfangreichen Evaluierungsverfahren die Notwendigkeit dieser Vorschriften bestätigt wurde, ist dem nach der Begründung zum ersten Befristungsgesetz maßgeblichen Gesichtspunkt der Beweislastumkehr (betreffend die Notwendigkeit der Beibehaltung von Rechtsvorschriften) hinreichend Rechnung getragen. Welche bereits bestehenden Gesetze und Rechtsverordnungen im Einzelnen diesen Überlegungen entsprechen und ob der Vorschlag gemacht werden soll, diese zu entfristen, entscheiden und begründen die jeweils zuständigen Ressorts in Zusammenhang mit zukünftigen Änderungsentwürfen. 3. Inwieweit sind für die Landesregierung Gesetze und Rechtsverordnungen denkbar, bei denen entgegen dem im Gesetzentwurf der Landesregierung "Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose - GHBG" (LT-Drs. 16/15) referenzierten Beschluss des Kabinetts vom 20.12.2011 Befristungen einschließlich Berichtspflichten weiterhin sinnvoll erscheinen? Die Landesregierung hat insoweit am 20. Dezember 2011 beschlossen, dass in Entwürfen der Landesregierung zu neuen Stammgesetzen und neuen Verordnungen grundsätzlich eine Befristung vorgesehen werden soll. Dazu soll in Zukunft der Zeitrahmen der Befristung zwischen mindestens fünf und höchstens zehn Jahren flexibel gestaltet werden können. Über das Fortbestehen des Befristungserfordernisses für diese Normen soll spätestens 2016 entschieden werden. Über diese beabsichtigten Änderungen der Gesetzgebungspraxis der Landesregierung ist der Präsident des Landtags mit dem in der Antwort auf Frage 1 bezeichneten Schreiben informiert worden. Gegenüber den Überlegungen zu bereits bestehenden Stammgesetzen und Verordnungen (siehe Antwort zu Frage 2) hat das Kabinett sich bei der Regelung zu neuen Stammgesetzen und Verordnungen von der Erwägung leiten lassen, dass diese in der Praxis noch den Beweis für ihre Notwendigkeit erbringen müssen. Daher sollen sie, um dem durch die Befristungsgesetzgebung erreichten hohen Qualitätsniveau der Gesetzgebung zu genügen und sich in den Normenbestand einzufügen, zunächst gemäß den bisher gültigen Maßstäben befristet werden, wie sie sich aus § 111 GGO ergeben. 4. Welche Gesetze und Rechtsverordnungen sind bereits von einer Befristung einschließlich Berichtspflichten ausgenommen? Nach dem von der Landesregierung am 14. September 2004 beschlossenen Kriterienkatalog sind Ausnahmen von der Befristung neuer Stammgesetze und Verordnungen möglich bei Fundamentalrecht, Bekanntmachungen von Staatsverträgen und bei Delegationsvorschriften, soweit sie bundesgesetzlich vorgegeben, auf die niedrigste Ebene LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/432 4 delegiert sind und Bürokratieabbaupotential nicht erkennbar ist. Nach dem genannten Beschluss ist ein Absehen von der Anordnung eines Verfallsdatums zugunsten einer Berichtspflicht möglich bei der Umsetzung von EU- und Bundesrecht, bei verfassungsrechtlich gebotenen Regelungen, bei Organisationsgesetzen und Zuständigkeitsregelungen. Darüber hinaus sind nur Ausnahmen im Einzelfall aus besonders wichtigem Grund zulässig. Im Übrigen verweise ich auf die in der Antwort auf Frage 1 bereits benannten jährlichen Berichte der Landesregierung, mit denen der Landtag über die geplanten Vorschläge der Landesregierung zu auslaufenden Befristungen informiert wird, sowie auf die dem Landtag derzeit vorliegenden Änderungsentwürfe. 5. Mit welchen Mitteln will die Landesregierung bei Wegfall der Befristungen die ursprünglich damit verbundenen Ziele (z. B. effiziente Qualitätskontrolle, Abbau von Überregulierungen, Ermittlung und gegebenenfalls Zurücknahme nicht gerechtfertigter Standards, sinnvolle Konzentration von Zuständigkeiten und Vereinfachung von Verfahren) bestehender Gesetze und Rechtsverordnungen gewährleisten? In erster Linie ist es Aufgabe der Ressorts, die genannten Ziele im Blick zu halten und gegebenenfalls mit Entwürfen zur Änderung bestehender Gesetze und Rechtsverordnungen anzustreben. Die Ressorts werden dabei von der ressortübergreifenden Normprüfstelle unterstützt, die mit Kabinettbeschluss vom 24. Oktober 2006 eingerichtet wurde.