LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4344 07.11.2013 Datum des Originals: 04.11.2013/Ausgegeben: 12.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1694 vom 14. Oktober 2013 der Abgeordneten Kai Abruszat, Mark Lürbke und Thomas Nückel FDP Drucksache 16/4216 „Heimat NRW – Wo das Herz zu Hause ist“ – Wie beurteilt die Landesregierung, dass der WDR die Kommunen in Ostwestfalen-Lippe offenbar ignoriert? Die Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien hat die Kleine Anfrage 1694 mit Schreiben vom 4. November 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In den Jahren 1946/1947 wurde Nordrhein-Westfalen aus drei unterschiedlichen Landesteilen gebildet: Aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz, der preußischen Provinz Westfalen und dem Land Lippe. Bis heute gibt es in den einzelnen Landesteilen regionale Identitäten, die kultiviert und gefördert werden. Ein wichtiges Ziel (teil-) staatlicher Förderung ist dabei die Ausgewogenheit zwischen den einzelnen Landesteilen. Dennoch kommt es hierbei immer wieder zu gefühlten und tatsächlichen Benachteiligungen. So zum Beispiel im Jahr 2012 bei der Besetzung des Vorstandes der Nordrhein-WestfalenStiftung . Seinerzeit wurde durch die Landesregierung kein Stiftungsvorstand aus WestfalenLippe benannt, was eine politische Diskussion nach sich zog. Ebenso sei daran erinnert, dass es in der jüngeren Vergangenheit auch Diskussionen darüber gegeben hat, ob und inwieweit die Teilregionen des Landes Nordrhein-Westfalen beispielsweise in Schulbüchern angemessen Berücksichtigung finden. Aktuell gibt es wieder einen Anlass, der eine ausgewogene Berücksichtigung der unterschiedlichen Teile Nordrhein-Westfalens in Frage stellt. In der WDR-Serie „Heimatabend“ werden zehn nordrhein-westfälische Städte vorgestellt. Der Sender möchte dabei wissen, „warum Menschen gerne in ihrer Stadt leben und sie vielleicht gar nicht mehr verlassen wol- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4344 2 len“. Eine Stadt aus der Region Ostwestfalen-Lippe ist in der Sendereihe nicht berücksichtigt , obwohl rund zwei Millionen Einwohner in der Region zu Hause sind. Es stellt sich daher die Frage, warum der WDR in „450 Sendeminuten voller Heimat“, wie in dem WDR-Magazin „Print“ (Ausgabe 2013) zu lesen ist, eine ganze Teilregion des Landes NRW ignoriert, obwohl gerade diese Sendereihe des WDR nach eigenem Bekunden „nicht weniger als eine Hommage an unser Land“ darstellen soll. Auch die regionalen Medien haben diese Thematik aufgegriffen und die WDR-Reihe kritisch beleuchtet. In der Ausgabe der Neuen Westfälischen vom 7. Oktober mit der Artikelüberschrift „WDR-Heimatabende ohne OWL“ stellt der Autor des Artikels nüchtern fest: „Nur der Regierungsbezirk Detmold bleibt in neuer Serie ein weißer Fleck.“ Dieses ist umso bedauerlicher, hatte doch die Ministerpräsidentin selbst dem Fragesteller in der Antwort zur Kleinen Anfrage 431, die sich auf die Personalentscheidungen des Vorstandes der NRW-Stiftung bezog, wörtlich geantwortet: „Ebenso steht für mich aber außer Frage, dass regionale Identitäten Teil unseres Landes sind.“ Und weiter: „Heimat ist für mich ein ganz zentraler Begriff, bedeutsam für den Zusammenhalt der Gemeinschaft in unserem Land. Das werden wir auch zukünftig im Blick behalten.“ 1. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass in einer Sendereihe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens über Städte in Nordrhein-Westfalen die Region Ostwestfalen-Lippe zumindest bislang unberücksichtigt ist? 2. Wie will die Landesregierung in Zukunft sicherstellen, dass auch die Teilregion Ostwestfalen-Lippe bei speziellen Sendeformaten, die im Übrigen auch für die teilnehmenden Kommunen einen nicht zu unterschätzenden Marketingeffekt haben, angemessen berücksichtigt wird? Der Landesregierung steht es weder zu, den von der FDP-Fraktion in dem Antrag geschilderten Sachverhalt zu bewerten, noch kann oder will sie sicherstellen, dass und in welchem Umfang die Teilregion Ostwestfalen-Lippe Gegenstand von Berichterstattung oder Sendeformaten des WDR ist. Dem steht eindeutig Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 und 3 Grundgesetz entgegen, der die Rundfunkfreiheit gewährleistet und Zensur verbietet. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts schließt Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar eine Anstalt oder Gesellschaft beherrscht , die Rundfunksendungen veranstaltet. In dem Beherrschungsverbot erschöpft sich die Garantie der Rundfunkfreiheit gegenüber dem Staat aber nicht. Vielmehr soll jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks ausgeschlossen werden. Dieser Schutz bezieht sich nicht nur auf die manifesten Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßregelung des Rundfunks. Er umfasst vielmehr auch die subtileren Mittel indirekter Einwirkung, mit denen sich staatliche Organe Einfluss auf das Programm verschaffen oder Druck auf die im Rundfunk Tätigen ausüben. Da bereits jede Bewertung einzelner Programme und insbesondere die erstrebte Sicherstellung einer bestimmten Berichterstattung dem eindeutig widersprechen und den berechtigten Eindruck einer versuchten Einflussnahme erwecken würden, ist dies der Landesregierung zum einen bereits grundgesetzlich versagt und widerspricht zum anderen auch ihrem Selbstverständnis . Nur ein Rechtsverstoß würde ein Tätigwerden in dem konkreten Einzelfall im Rahmen der Rechtsaufsicht rechtfertigen. Ein solcher Verstoß wird von der FDP-Fraktion nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4344 3 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt aus guten Gründen Programmautonomie. Im Übrigen weist der von mir beteiligte WDR ungeachtet seiner Programmautonomie noch auf folgendes hin: „Der WDR betreibt mit großem Aufwand insgesamt elf Regionalstudios und liefert mit den „Lokalzeiten" sowie der täglichen „Aktuellen Stunde" ein regional differenziertes Programm. Eine umfassende Berichterstattung aus Ostwestfalen ist dabei vor allem durch das WDRStudio Bielefeld sowie durch die beiden WDR-Regionalbüros in Detmold und Paderborn sichergestellt . Darüber hinaus produziert und sendet der WDR regelmäßig Dokumentationen, die sich geografisch und landesgeschichtlich mit Ostwestfalen-Lippe beschäftigen. Exemplarisch seien hier die Dokumentationen "Adelsdynastien in NRW: Lippe und sein Fürstenhaus" (Erstausstrahlung am 17.05.2013) oder "Die Herzöge von Ratibor und Corvey" (Erstausstrahlung am 26.04.2013) genannt. Auch die renommierte Sendereihe "Dynastien in NRW" hat sich mit der Dokumentation über „Die Oetkers", die im WDR-Fernsehen am 06.09.2013 wiederholt und im Ersten am 15.11.2010 erstausgestrahlt wurde, einem in Ostwestfalen ansässigen Unternehmen gewidmet. Ein weiteres Beispiel ist die Dokumentation "Die Schnapsbrenner aus Steinhagen: Familie Schlichte" vom November vergangenen Jahres; alles Dokumentationen, bei denen die eigentlichen Geschichten auch jeweils in die regionalen Gegebenheiten und Besonderheiten eingebettet wurden. Mit Blick auf die am 4. Oktober gestartete Sendereihe „Heimatabend" ist es zutreffend, dass die erste Staffel keine Stadt aus der Region Ostwestfalen-Lippe porträtiert; die zehn Sendungen sind den Städten Aachen, Bochum, Bonn, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Köln und Münster gewidmet. Ein Grund, weshalb der WDR sich zunächst für diese Städte entschieden hat, war und ist, dass die Programmkolleginnen und -kollegen hinsichtlich dieser Städte auf umfangreiches Archivmaterial von Institutionen und Verbänden vor Ort zurückgreifen konnte, auf dem die jeweilige Sendung in weiten Teilen aufbauen konnte. Es hat sich nämlich früh abgezeichnet, dass die Recherche und Materialsuche für ein solches Format viel Zeit und Aufwand in Anspruch nehmen würde. Ohne dieses Archivmaterial hätten die Sendungen von jeweils 45 Minuten Länge nicht innerhalb der vorgesehenen Zeit und mit so differenzierten Einblicken und Beiträgen produziert werden können. Städte, zu denen dem WDR kein so umfangreiches Archivmaterial zur Verfügung steht und die daher einen längeren und aufwändigeren Produktionsvorlauf benötigen, sollten daher erst in einem zweiten Schritt aufgegriffen werden. Hierzu zählt im Übrigen auch die Stadt Bielefeld, für die bereits heute ein Heimatabend passend zur 800-Jahrfeier der Stadt rund um den 20. Juni 2014 vorgesehen ist.” Wie die umfangreiche Stellungnahme belegt, setzt sich der WDR mit Kritik an seinem Programm sorgsam auseinander. Daher wäre die FDP-Fraktion unter Umständen besser beraten gewesen, diese Kritik auf dem dafür vorgesehen Weg der Programmbeschwerde gem. § 10 Absatz 1 WDR-Gesetz anzubringen oder sie dem WDR-Rundfunkrat anzutragen, in dem die FDP-Fraktion ebenfalls vertreten ist. Dieser hätte dann die Möglichkeit gehabt, die Sache im Programmausschuss zu beraten. Dieser Ausschuss ist aufgrund der zuvor beschriebenen Programmautonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch der einzige Ausschuss, an dem ein Vertreter der Rechtsaufsicht nicht einmal teilnehmen darf.