LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4348 07.11.2013 Datum des Originals: 07.11.2013/Ausgegeben: 12.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1666 vom 26. September 2013 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking CDU Drucksache 16/4140 Smart Grids und Datenschutz Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 1666 mit Schreiben vom 7. November 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien, dem Minister für Inneres und Kommunales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Ein wesentliches Element der Energiewende ist neben der Steigerung des Anteils der Erneuerbaren Energien, die intelligente Auswertung des Stromverbrauchs und damit einhergehend Maßnahmen zur Verminderung des Stromverbrauches. Diese Smart Grids, oder intelligente Netze, haben Vorteile. Sie werfen jedoch auch datenschutzrechtliche Fragen für die Verbraucherinnen und Verbraucher auf. So äußert beispielsweise die europäischen Verbraucherschutzzentrale BEUC Bedenken. Ein Vertreter der RWE ist der Auffassung, die Installation von digitalen Stromzählern in jedem Haushalt sei überflüssig. Eine Installation an bestimmten Knotenpunkten sei ausreichend und sogar effektiver. Vorbemerkung der Landesregierung Intelligente Stromnetze – so genannte Smart Grids – sollen zukünftig einen wesentlichen Beitrag zu Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit sowie Klima- und Umweltverträglichkeit der Energieversorgung leisten. Der bislang geschlossene energiewirtschaftliche Markt mit LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4348 2 definierten Rollen, Akteuren und Prozessen wird dabei zu einem offenen Markt. Um dezentral erzeugte und gespeicherte Energie aufnehmen zu können, müssen z.B. auch Kleinanbieter integriert werden, daneben müssen auch Kooperationen von Nachfragern und Anbietern ebenso wie ein schneller Rollenwechsel möglich sein. Die mit der EU-Richtlinie 2009/72/EG (Strom) festgelegten Rahmenbedingungen für den Einsatz von intelligenten Stromzählern geben vor, dass in Europa bis spätestens 2020 ein Anteil intelligenter Zähler von mindestens 80 Prozent erreicht wird. In Umsetzung der EURichtlinie legt der deutsche Gesetzgeber im § 21i Abs. 1 Nr. 8 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) sowohl die Durchführung einer wirtschaftlichen Betrachtung (Kosten-NutzenAnalyse ) als auch Zeitplan und Details eines Rollouts von intelligenten Messsystemen und Zählern fest. Auf dieser Basis können die europäischen Mitgliedsstaaten ggf. von der Zielvorgabe abweichen. Auf der Grundlage des § 21c EnWG sind zukünftig alle Letztverbraucher, die die dort genannten Pflichtfälle erfüllen, mit einem „intelligenten Messsystem“ auszustatten. Dies bedeutet , dass nur solche intelligenten Messsysteme verwendet werden dürfen, die neben eichrechtlichen Vorgaben insbesondere den Anforderungen des BSI Schutzprofils und der Technischen Richtlinie genügen. Zusammen mit der Kommunikationseinheit, dem Smart Meter Gateway (SMGW) sowie einem Sicherheitsmodul wird der Zähler zum intelligenten Messsystem . Vor diesem Hintergrund hatte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) bei Ernst & Young eine Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis (Stand Juli 2013) kommt, dass das beschriebene EU-Szenario für Deutschland nicht zu empfehlen sei. Die Kosten-Nutzen-Analyse entwickelt und betrachtet, unter Einbeziehung des EU-Modells, fünf verschiedene Rollout-Szenarien. Die Studie empfiehlt statt des EU-Modells ein sog. Rollout-Szenario Plus, das ein Rollout bis 2022 von 68% (32,6 Mio. Geräte) vorsieht. Diesem Szenario zufolge soll allerdings nur etwa ein Drittel (11,9 Mio.) als intelligente Messsysteme mit Gateway zur Außenkommunikation installiert werden. Zwei Drittel (20,7 Mio.) der installierten Geräte sollen aus intelligenten Zählern ohne Netzeinbindung bestehen. Diese sollen aber jederzeit zu intelligenten Messsystemen aufrüstbar sein und turnusgemäß eingebaut werden. 1. Inwieweit teilt die Landesregierung die Bedenken von Daten-schützern, die den Einsatz von Smart Grids unter datenschutz-rechtlichen Aspekten für bedenklich einstufen? Aufgrund der Verarbeitung und Zusammenführung personenbezogener Verbrauchsdaten in Messsystemen sowie möglicher negativer Rückwirkungen auf die Energieversorgungssicherheit ergeben sich hohe Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit. Bekannt gewordene Hackerangriffe auf intelligente Messsysteme, unter anderem in den USA, und neuere Gefährdungen, zum Beispiel durch Schadsoftware, machen die Notwendigkeit für sichere Lösungen für die Einführung intelligenter Messsysteme deutlich. Den Risiken durch Smart Meter lässt sich aus datenschutzrechtlicher Sicht aus zwei Perspektiven begegnen: Dem Datenschutz bei der Verwendung solcher Daten nach ihrer Erhebung einerseits und dem Datenschutz bei der Gestaltung der Zähler und deren Nutzung andererseits . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4348 3 2. Was unternimmt die Landesregierung, um den datenschutzrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen? Exemplarisch gibt die "Orientierungshilfe zum datenschutzgerechten Smart Metering" vom 27. Juni 2012 der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder Empfehlungen zum datenschutzgerechten Betrieb von neuen intelligenten Zählern. Mithilfe von Anwendungsfällen werden die einzelnen Datenverarbeitungsprozesse beim Smart Metering beschrieben und bewertet, vom Messen der Strommengen über die Verarbeitung im Zähler bis zur weiteren Nutzung für die Energielieferung und -abrechnung. Die Orientierungshilfe erläutert, wie die zentralen Datenschutzforderungen berücksichtigt werden können, und gibt Hilfestellung zur datenschutzgerechten Konzeption und Gestaltung der technischen Systeme. Unter der Zielsetzung „Privacy by Design“ soll die Technik dem Letztverbraucher Hilfe dabei geben, alle notwendigen Informationen, Optionen und Kontrollmöglichkeiten zu erhalten, die ihm die Kontrolle seines Energieverbrauchs und die Gestaltung seiner Privatsphäre ermöglichen. Dabei darf der Stand der Technik nicht unterschritten werden. Die Empfehlungen der Datenschutzaufsichtsbehörden werden von der Landesregierung unterstützt. Daneben stellt sich die IKT-Branche in Nordrhein-Westfalen, insbesondere auch im Segment der IT-Sicherheit, unter dem Dach des Clusters IKT.NRW, mit der Unterstützung des MWEIMH den Herausforderungen. Gemeinsam wird an benutzbaren und sicheren Authentifizierungslösungen für Cyber Physical Systems gearbeitet, wie sie auch intelligente Energienetze darstellen. Über die gegenwärtig eingesetzten Verfahren hinaus, die die spezifischen Anforderungen dieser großen Systeme nur bedingt erfüllen, stehen dabei spezifische Lösungen im Fokus, die die Anonymität und Privatsphäre der Benutzer schützen. Im Übrigen werden die technischen Anforderungen fernauslesbarer Messsysteme durch die neue Verordnung über Messsysteme (MsysV) geregelt. Die Verordnung, die im BMWi mit Zustimmung der Länder erarbeitet wurde, regelt rechtlich nicht nur die technischen Mindestanforderungen an intelligente Messsysteme, sondern berücksichtigt durch die Regelung zu den Schutzprofilen auch in hohem Maße den Datenschutz und die Datensicherheit. 3. Inwieweit unterstützt die Landesregierung Unternehmen, die sich in den Berei- chen Smart Grids (intelligente Netze) und Smart Metering (Messverfahren) engagieren ? Die IKT-Branche in Nordrhein-Westfalen, insbesondere auch im Segment der IT-Sicherheit, stellt sich unter dem Dach des Clusters IKT.NRW mit der Unterstützung des MWEIMH diesen Herausforderungen. Gemeinsam wird an benutzbaren und sicheren Authentifizierungslösungen für Cyber Physical Systems gearbeitet, wie sie auch die intelligenten Energienetze darstellen. Über die gegenwärtig eingesetzten Verfahren hinaus, die die spezifischen Anforderungen dieser großen Systeme nur bedingt erfüllen, stehen dabei spezifische Lösungen im Fokus, die die Anonymität und Privatsphäre der Benutzer schützen. Darüber hinaus werden durch das MKULNV diverse Technologie-Projekte in den Themenbereichen Smart Grids und Smart Metering über das Programm progres-Innovation gefördert. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4348 4 4. Wie hoch ist nach Auffassung der Landesregierung das zu erzielende Stromeinsparvolumen für die Verbraucherinnen und Verbraucher? Der durchschnittliche Jahresstromverbrauch liegt bei ca. 2.500 kWh bzw. ca. 5.000 kWh (2- Personen-Haushalt bzw. 4 Personen-Haushalt). Haushalte mit einem Jahresstromverbrauch von weniger als 6.000 kWh. sollen gemäß § 21c Abs. 1 b EnWG nicht zum Einbau intelligenter Messsysteme verpflichtet werden. Kunden mit einem Jahresverbrauch von weniger als 6.000 kWh profitieren von intelligenten Messsystemen über Stromeinsparungen und Lastverlagerungen mit höchstens 66 Euro p.a, aber eine verpflichtende Einführung wäre mit Kosten in Höhe von rd. 90 Euro p.a. verbunden . Eine solche Verpflichtung ist daher unverhältnismäßig und unwirtschaftlich. Die nachfolgende Tabelle fasst die angenommenen Energieeinspar- und Lastverlagerungspotenziale in Abhängigkeit von den jeweiligen Verbrauchsklassen und die dadurch erzielten mittleren und maximalen Kosteneinsparpotenziale durch die Einführung von intelligenten Messsystemen zusammen. Die Monetarisierung der Stromeinsparungen erfolgt mit dem Endkundenpreis, d.h. mit dem Arbeitspreis, den die einzelnen Kundengruppen durchschnittlich zu zahlen haben. Das zu erzielende Stromeinsparvolumen für die Verbraucherinnen und Verbraucher als Haushaltskunden beträgt demnach maximal 2%. Tabelle: Einsparpotenzial Stromverbrauch und -kosten durch intelligente Messsysteme Verbrauchsklasse Einspar- potenzial in % Verlage- rungs- potenzial in % Kosteneinsparung in Euro p.a. je Zähler (gerundete Werte) Mittelwert Maximal < 2.000 kWh/a -0,5 0,25 – 5 2,50 4,50 2.000 - 3.000 kWh/a -1,0 0,5 – 10 10,- 17,- 3.000 - 4.000 kWh/a -1,5 0,75 – 15 20,- 35,- 4.000 - 6.000 kWh/a -2,0 1 – 20 39,- 66,- > 6.000 kWh/a -2,5 1,25 – 25 75,- 130,- Quelle: Ernst & Young auf der Basis von Pilotprojekten, Erfahrungen aus anderen Ländern und anderen Studien 5. Wie hoch sind die Mehrkosten durch digitale Stromzähler für die Verbraucherin- nen und Verbraucher? Es wird zunächst unterstellt, dass mit „digitalen Stromzählern“ intelligente Zähler gemeint sind. Diese sind mit insgesamt rd. 40 Euro p.a. deutlich günstiger als intelligente Messsysteme , die mit rund 90 Euro p.a. anzusetzen wären (s. Antwort zu Frage 4). Ergänzend kann hinzugefügt werden, dass daher der Austausch alter konventioneller Zähler erst bei einem Turnuswechsel, d.h. in der Regel mit Ablauf der Eichgültigkeitsdauer, mit einem intelligenten Zähler empfohlen wird.