LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4359 08.11.2013 Datum des Originals: 08.11.2013/Ausgegeben: 13.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1690 vom 9. Oktober 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4198 Risikovorsorge für WestLB-Lasten in der Mittelfristigen Finanzplanung 2013-2017 – Wie begründet der Finanzminister die scheinbar nicht mehr gegebene Notwendigkeit zur Ausweisung von Abschirmungskapital für Haftungsrisiken der Bad Bank EAA? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1690 mit Schreiben vom 8. November 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Bereits am 23. Oktober 2008 hat der nordrhein-westfälische Landtag das „Gesetz zur Errichtung eines Fonds für eine Inanspruchnahme des Landes Nordrhein-Westfalen aus der im Zusammenhang mit der Risikoabschirmung zugunsten der WestLB AG erklärten Garantie (Risikofondsgesetz)“ verabschiedet und damit ein Sondervermögen "Risikoabschirmung WestLB AG" geschaffen. Dies erfolgte, da das Land Nordrhein-Westfalen sich vertraglich verpflichtet hat, disquotal den Löwenanteil des Ausfallrisikos von zunächst fünf Milliarden Euro für Finanzinstrumente zu übernehmen, deren Risiko die WestLB AG am 31. Dezember 2007 getragen hat und die auf eine Zweckgesellschaft namens Phoenix light Ltd. übertragen worden sind. Das Sondervermögen dient der Ansammlung von Mitteln zur Abdeckung möglicher Inanspruchnahmen aus diesen Garantien sowie den Verpflichtungen des Landes aus der beabsichtigten Auslagerung der nicht-strategienotwendigen Geschäftsbereiche und Risikopositionen der WestLB AG auf eine Bad Bank als Erste Abwicklungsanstalt. Macht diese EAA also beim Verkauf der Risikopositionen Verluste, werden diese aus dem Risikofonds beglichen. Im dritten Nachtragshaushalt 2008 wurden in der Folgezeit 931 Millionen Euro angesetzt, die dem Sondervermögen zugeflossen sind. Seitdem sind keine weiteren Haushaltsmittel in den Haushaltsplänen veranschlagt worden. Die tatsächlich im Haushaltsvollzug an das Sonder- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4359 2 vermögen geflossenen Mittel weichen jedoch von dem Haushaltsansatz ab. Nach § 4 Abs. (3) des Risikofondsgesetzes sind im Haushaltsvollzug Zuweisungen an das Sondervermögen bis zur Höhe der im Gesamthaushalt nicht ausgeschöpften Ausgabeermächtigungen zulässig. Dies bedeutet nun, dass Mittel, die im Vollzug des Haushaltes nicht ausgegeben worden sind, potentiell auch für eine Aufstockung des Sondervermögens verwendet werden können. Diese Möglichkeit ist auch in Anspruch genommen worden. So wurde beispielsweise im Jahr 2009 das Sondervermögen um weitere 311 Millionen Euro sowie in den Jahren 2010 und 2011 um 7 respektive 34 Millionen Euro im Haushaltsvollzug aufgestockt. Insgesamt ergibt sich somit eine aus der Haushaltrechnung zu entnehmende Summe der Zuweisungen an das Sondervermögen von rund 1,3 Milliarden Euro (Stand: 31.12.2011). Rückschlüsse auf die im Jahr 2012 möglicherweise geflossenen Mittel lassen sich derzeit nicht ziehen, da die Haushaltsrechnung 2012 noch nicht vorliegt. Die aktuelle Höhe dieses Sondervermögens beträgt laut Presseinformation des Finanzministeriums vom 16. Juli 2013 rund 880 Millionen Euro. In der Vergangenheit ist die Landesregierung davon ausgegangen, dass die Mittel aus dem Risikofonds im Jahr 2014 erschöpft sein könnten und ab dem Jahr 2014 erneut Zuweisungen an das Sondervermögen nötig wären (vgl. LT-DS 16/301 sowie 16/1401). Die Mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2012 bis 2016 sah daher Zuweisungen von 900 Millionen Euro in dem Jahr 2014 und Zuweisungen von insgesamt 1,5 Milliarden Euro in den Jahren 2015 und 2016 vor. In der aktuellen Mittelfristigen Finanzplanung (LT-DS 16/3801) für die Jahre 2013 bis 2017 wird nunmehr keinerlei weitere Zuweisung an das Sondervermögen mehr eingeplant, da „der noch zur Verfügung stehende Vorsorgebetrag von rund 880 Millionen Euro länger reicht als ursprünglich berechnet wurde“ (siehe auch Presseinformation des Finanzministeriums vom 16. Juli 2013). Die Zahlenreihen der Landesregierung stellen sich nach Kabinettsbeschluss wie folgt dar: Mittelfristige Finanzplanung des FM für 2012 bis 2016 2012 2013 2014 2015 2016 in Mio. EUR Nettoneuverschuldung ohne WestLB-Altlasten 3.607 3.495 2.425 1.919 1.642 Restrukturierung der WestLB AG/Portigon AG 1.000 - - - - Risikovorsorge für Zwecke der Abschirmung von Haftungsrisiken der EAA - - 900 705 850 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4359 3 Mittelfristige Finanzplanung des FM für 2013 bis 2017 2013 2014 2015 2016 2017 in Mrd. EUR Nettoneuverschuldung ohne WestLB-Altlasten 3,39 2,46 1,92 1,43 1,38 Restrukturierung der WestLB AG/Portigon AG - - - - - Risikovorsorge für Zwecke der Abschirmung von Haftungsrisiken der EAA - - - - - Quelle: Finanzministerium NRW, 2012 bzw. 2013 Da Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans mehrfach betont hat, eine Inanspruchnahme sei hinreichend wahrscheinlich, die voraussichtlichen Lasten würden nämlich als Bugwelle in spätere Haushaltsjahre verschoben, stellt sich natürlich die Frage, vor welchem fachlichen Hintergrund ab sofort und für einen längeren Zeitraum sogar bis zum Jahr 2017 nun keinerlei Notwendigkeit mehr von der Landesregierung gesehen wird, die übliche Risikovorsorge in der Mittelfristigen Finanzplanung auszuweisen. 1. Welche sowohl haushaltsrechtliche als auch ökonomische Begründung gibt es im Detail für die große Diskrepanz bei der Einschätzung des Finanzministeriums bezüglich der notwendigen Risikovorsorge für Garantiezahlungen aus WestLBLasten zwischen der ganz aktuellen und der vorherigen Mittelfristigen Finanzplanung (LT-DS 16/3801 bzw. 16/1401), also damit auch für die Annahme, dass keinerlei Zuführungsnotwendigkeit an den Risikofonds bis zum Jahresende 2017 mehr eintreten werde? Der Bestand des Sondervermögens „Risikoabschirmung WestLB AG" betrug zum 31.12.2012 rund 886 Mio. Euro. Die bisherigen Ist-Zahlen für Inanspruchnahmen des Landes Nordrhein-Westfalen infolge der Phoenix-Garantie unterschreiten die prognostizierten Werte teilweise deutlich. Dies beruht vor allem auf der wirtschaftlichen Erholung in den Vereinigten Staaten und einer günstigen Entwicklung an den Finanzmärkten seit dem Jahr 2012. Gleichzeitig verändern sich erfahrungsgemäß die Vorhersagen in der Gesamtsumme und den zeitlichen Aufteilungen zu jedem Stichtag. Die Prognosen schwanken teilweise deutlich - abhängig von Marktentwicklungen . Da die Einschätzungen von PIMCO und ergänzend den Kapitalmarktspezialisten der Ersten Abwicklungsanstalt stark volatil sind und in der Vergangenheit häufig angepasst wurden, sind die finanziellen Auswirkungen für einzelne Haushaltsjahre nicht belastbar zu prognostizieren . Daher wurde auf eine Veranschlagung der Risikovorsorge im Zahlenwerk der Mittelfristigen Finanzplanung bis 2017 verzichtet (vgl. LT-Drs. 16/3801, S. 23f.). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4359 4 2. In welchem voraussichtlichen Umfang nimmt der Finanzminister an, dass die im Jahr 2012 noch fest vorgesehenen Inanspruchnahmen von in der Summe 2,455 Mrd. Euro nun in der Zeit nach 2017 als Zahlungsverpflichtung fällig werden? Eine Prognose der möglichen Zahlungsverpflichtungen ist mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Die bisherigen Ist-Zahlen für die Inanspruchnahmen des Landes NordrheinWestfalen infolge der Phoenix-Garantie unterschreiten die prognostizierten Werte teilweise deutlich. Die vorhergesagten Zahlenwerte aufgrund der Prognosen schwanken stark. Ob und wann der verbleibende Landesanteil an der Phoenix-Garantie fällig wird, hängt insbesondere von Marktentwicklungen ab. Es ist derzeit nicht belastbar vorherzusagen, ob und in welchem Zeitraum die in der Mittelfristigen Finanzplanung für 2012 bis 2016 für die Jahre 2014 – 2016 vorgesehene Risikovorsorge in Höhe von 2,455 Mrd. Euro möglicherweise fällig wird. 3. In welcher Höhe sieht das Finanzministerium eine Aufstockung des Sonderver- mögens „Risikoabschirmung WestLB AG" in der Haushaltsrechnung 2012 vor? Im Haushaltsjahr 2012 erfolgten Zuweisungen an das Sondervermögen „Risikoabschirmung WestLB AG" in Höhe von 29,84 Mio. Euro. Es handelt sich dabei um Einnahmen aus der Avalprovision für die im Zusammenhang mit der Risikoabschirmung zugunsten der früheren WestLB AG übernommenen Garantien. Nach Maßgabe des Haushaltsvermerks Nr. 2 zu Kapitel 20 610 Titel 119 40 – entsprechend der Regelung in § 4 Abs. 2 Risikofondsgesetz – wurden die Einnahmen dem Sondervermögen „Risikoabschirmung WestLB AG" zugeführt. Eine weitergehende Aufstockung ist im Haushaltsvollzug 2012 nicht erfolgt. 4. Welche voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben des Sondervermögens sieht das Land laut Wirtschaftsplan nach § 7 des Risikofondsgesetzes für das laufende Jahr 2013 vor? Der Wirtschaftsplan des Sondervermögens ist im Haushaltsplan 2013 in den Erläuterungen zu Kapitel 20 610 Titel 634 00 dargestellt und enthält jeweils Strichansätze für Einnahmen und Ausgaben. 5. Mit welcher heute noch effektiv vorhandenen Kapitalausstattung ist nach Er- kenntnissen des Finanzministers sichergestellt, dass trotz der bislang enttäuschenden ökonomischen Performance der Portigon AG bis zum Jahresende 2017 selbst für den Liquidationsfall nach 2016 tatsächlich keine Kapitalaufbringungsnotwendigkeit für den Steuerzahler mehr besteht? Für die Restrukturierung wurde die Portigon AG mit Mitteln von 4,2 Mrd. Euro ausgestattet. Das verfügbare Eigenkapital der Portigon AG betrug per 31.12.2012 auf HGB-Basis 3.107,1 Mio. Euro. Die Portigon AG erwartet für das Geschäftsjahr 2013 einen Verlust von rund 1 Mrd. €. Darin enthalten ist die Einmalbelastung in Höhe von 574 Mio. Euro aus der wirtschaftlichen Übertragung von Pensionsverpflichtungen für Doppelverträgler auf die NRW.BANK. Für das Geschäftsjahr 2014 geht die Portigon AG von einem operativen negativen Ergebnis in niedriger dreistelliger Millionenhöhe aus. Der Anfall weiterer Restrukturierungsaufwendungen ist abhängig vom Fortgang der Transformation (s. Geschäftsbericht 2012 der Portigon AG, S. 57). LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4359 5 Nach der aktuellen Planung der Portigon AG geht die Landesregierung davon aus, dass die Eigenmittel der Portigon AG ausreichen werden, die Restrukturierungskosten abzudecken.