LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4372 11.11.2013 Datum des Originals: 11.11.2013/Ausgegeben: 14.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1692 vom 10. Oktober 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4206 Insolvenz des Solaranlagenbauers Conergy durch Entscheidungen der EAA – Wie bewertet die Landesregierung das Scheitern der Unternehmensrettung und damit verbunden einen möglichen Abbau von zahlreichen Arbeitsplätzen in unserem Land? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1692 mit Schreiben vom 11. November 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft , Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 5. August 2013 führt die Wirtschaftswoche auf ihrer Onlineplattform aus, dass die viele Jahre boomende Solarbranche sich nun zu einer Pleitebranche entwickelt habe: „Abschreibungen , Verluste, Insolvenz - Strom aus erneuerbaren Energien wird für Mittelständler und Konzerne zum Minusgeschäft.“ Betroffenen sind in Deutschland laut Wirtschaftswoche unter anderem die Unternehmen Gehrlicher Solar AG, Bosch Solarsparte Aleo, Roth & Rau, Sunways , Centrotherm, Alfasolar, Nordex, die Solarsparte von Siemens, Solarwatt, Sovello, Siag Nordseewerke, Sunstrom, Q-Cells, Inventux, Odersun, Solarhybrid, Siag Schaaf, Solon, Solar Millennium, Soltecture, Solarworld sowie der Solaranlagenbauer Conergy. Für alle betroffenen Unternehmen wurden in den vergangenen Jahren umfangreiche Restrukturierungsprogramme auf den Weg gebracht, die teils greifen. Unter hoher öffentlicher Aufmerksamkeit haben in diesem Sommer beispielsweise Aktionäre und Anleihegläubiger dem Unternehmen Solarworld mehrheitlich Zustimmung für ein Restrukturierungskonzept erteilt, das einen scharfen Kapital- und Schuldenschnitt und eine Abwertung der Aktien auf fünf Prozent des bisherigen Wertes beinhaltet. Hier zieht sich der Restrukturierungsprozess noch bis Februar 2014 – Ausgang ungewiss. Es mussten trotz aller Rettungsversuche aber auch etliche der genannten Firmen Insolvenz beantragen oder wurden bereits abgewickelt. Verbunden waren und sind sämtliche Rettungsaktivitäten stets mit einem Verlust etlicher LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4372 2 Arbeitsplätze, auch wenn durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen zahlreiche Arbeitsplätze gerettet werden konnten. Anfang Juli 2013 wurde in zahlreichen Medien umfangreich über die Rettungsversuche des Solarherstellers Conergy berichtet. Der Betrieb habe sich bereits länger in der Krise befunden , und vergeblich auf einen rettenden Investor aus China gehofft, schreibt beispielsweise der Kölner Stadt-Anzeiger am 5. Juli 2013. Nach erfolglosen Bankenverhandlungen musste letztlich das Insolvenzverfahren eingeleitet werden. Einziger öffentlich bekannter Grund für das Scheitern der Verhandlungen: Die Erste Abwicklungsanstalt (EAA), die Bad Bank der ehemaligen WestLB, habe dem Investorenkonzept der Solarfirma Conergy nicht zugestimmt. Neun von zehn Kreditgebern hätten dem Zukunftskonzept bereits ihre grundsätzliche Zustimmung signalisiert, einzig die EAA habe ihre Unterstützung verweigert. Conergy hatte daraufhin am 5. Juli 2013 beim Hamburger Amtsgericht Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Im Verlauf des vergangenen Julis konnten laut Aussage in der WELT vom 20. Juli 2013 dennoch erfreulicherweise ein Teil der Arbeitsplätze gerettet werden, da der US-Finanzinvestor Kawa Capital bei Conergy eingestiegen ist. Er hat zum 1. Oktober 2013 die deutschen Vertriebs - und Servicegesellschaften sowie die internationalen Einheiten in Italien, Großbritannien und Australien übernommen. Insgesamt 350 der einst 600 Arbeitsplätze in Vertrieb, Service und Verwaltung wurden so gesichert – davon 140 in Deutschland, berichtet Focus online am 30. September 2013. Es ist sicherlich zu begrüßen, wenn die Bad Bank nicht leichtfertig Sanierungskonzepten zustimmt, die möglicherweise nicht tragfähig oder möglicherweise mit hohen Verlusten für die Gläubiger verbunden sind. Dennoch wirft es Fragen auf, wenn den Plänen zur Rettung eines unter enormen Druck stehenden Unternehmens mit Ausnahme eines Kreditgebers alle weiteren grundsätzlich zustimmen können. Auch die Vielzahl der anderen Unternehmen muss zwingend vergleichbare Fragestellungen der eigenen ökonomischen Vorteilhaftigkeit im Blick haben. Es ist daher von Interesse für die Mitglieder des nordrhein-westfälischen Landtages, detailliertere Informationen zu den Entscheidungsprozessen und Beweggründen für die Haltung der EAA in dieser Frage zu erfahren. 1. In wie vielen Fällen haben seit Aufnahme ihres Geschäftsbetriebs Entscheidun- gen der EAA gegen Rettungspläne von früheren WestLB-Kunden bislang zu der Eröffnung eines dortigen Insolvenzverfahrens geführt? Für eine Insolvenz können interne (z.B. Fehlplanungen) und / oder externe Gründe (z.B. Schuldnerausfall, Konkurrenz) ursächlich sein. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird regelmäßig gestellt, wenn mehrere Faktoren zusammentreffen. Ein Kausalitätsnachweis ist dabei nicht möglich. Die Erste Abwicklungsanstalt agiert als Kreditgeber immer in enger Abstimmung mit anderen involvierten Gläubigern. Dabei gibt es selbstverständlich auch unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Handhabung eines problematischen Engagements. Es ist kein Fall bekannt, in dem die Erste Abwicklungsanstalt in einem Finanzierungskonsortium mit anderen Gläubigern steht oder stand und Rettungs- bzw. Sanierungspläne aufgrund einer Einzelentscheidung der Ersten Abwicklungsanstalt mit der Folge gescheitert sind, dass ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden musste. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4372 3 2. Welches sind im konkreten Fall der Conergy-Insolvenz die genauen Sachgründe und Entscheidungskriterien für die EAA gewesen, den vorliegenden Rettungsplänen der Conergy die Zustimmung zu verweigern, obwohl offenbar alle anderen Gläubiger diese für einen gangbaren Weg gehalten haben? Die Erste Abwicklungsanstalt führt die Geschäfte nach kaufmännischen und wirtschaftlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung des Abwicklungsziels und des Grundsatzes der Verlustminimierung . Entsprechend hat die Erste Abwicklungsanstalt - entgegen der Vermutung des Fragestellers - einen Rettungsplan von Conergy nicht abgelehnt, sondern – im Einvernehmen mit dem Unternehmen – weitere Transparenz erbeten sowie eine Entscheidung im gleichen Zeitrahmen wie die anderen Kreditgeber zugesagt. Eine Kausalität zwischen dem Insolvenzantrag eines Unternehmens und dem Handeln der Ersten Abwicklungsanstalt ist nicht ersichtlich. Medienberichten war im Übrigen zu entnehmen , dass das Unternehmen wegen Ausbleibens einer größeren Zahlung Insolvenz angemeldet habe. 3. Welche voraussichtliche zukünftige ökonomische Belastung kalkuliert die EAA für ihr eigenes betriebliches Ergebnis aus dem Umstand dieser Insolvenz von Conergy ein oder hat sich infolge der Vorgänge bereits realisiert? Bei den gewünschten Informationen handelt es sich zum einen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Ersten Abwicklungsanstalt. Zum anderen sind in der Regel individuelle Informationen von Geschäftspartnern berührt, die dem Bankgeheimnis sowie den Vorschriften des Datenschutzes und ggf. des Wertpapierhandelsrechts unterliegen und zumeist zusätzlich durch vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarungen abgesichert werden. Daher können dazu keine Angaben erfolgen. 4. Welche genauen eigenen Anforderungen oder Kriterien hat die EAA gegenüber Conergy im Vorfeld der Insolvenzanmeldung formuliert, um einen solchen Schritt noch in letzter Minute abwenden zu können? Hinweis auf die Antwort zu Frage Nr. 2. 5. Wie bewertet die nordrhein-westfälische Landesregierung unter Standortge- sichtspunkten sowie Aspekten der ökonomischen Vorteilhaftigkeit für den Steuerzahler die getroffene Entscheidung der EAA gegen das seinerzeitige Rettungskonzept bei Conergy? Es erfolgte keine Ablehnung eines Rettungskonzepts (Hinweis auf die Antwort zu Fragen Nr. 1. und 2.). Daher stellt sich für die Landesregierung die Frage nicht.