LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4398 18.11.2013 Datum des Originals: 18.11.2013/Ausgegeben: 21.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1712 vom 18. Oktober 2013 der Abgeordneten Christina Schulze Föcking und Friedhelm Ortgies CDU Drucksache 16/4275 Genehmigungspraxis bei Offenställen in NRW Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1712 mit Schreiben vom 18. November 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Tierhaltung in Deutschland und in NRW findet auf vielfältige Weise statt. Seit einigen Jahren tritt neben die Haltung in geschlossenen Ställen die Haltung in Offenställen. Diese zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie auf eine völlige Verschließung des umbauten Raumes verzichten. Bauartbedingt lassen sich die Bestimmungen und technischen Erfordernisse des NRWFiltererlasses nicht umsetzen. Durch das Offenprinzip wird die Abluft durch das natürliche Strömungsverhalten nach außen abgegeben. Der Einbau einer zentralen Abluftfilteranlage ist nicht nötig. 1. Wie viele Offenställe wurden in den Jahren seit 2005 in NRW errichtet? Dem Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen liegen nach Haltungsformen differenzierte Daten lediglich aus der letzten Landwirtschaftszählung zum 1. März 2010 vor. Danach hatten in der Hühnerhaltung ca. 50 % der Betriebe Freilandhaltung mit ca. 10 % des NRW-Gesamttierbestandes. Bei der Schweinehaltung hatten ca. 6,5 % der Betriebe Freilandhaltung mit ca. 0,25 % des NRW-Gesamttierbestandes. Offene Haltungsformen insbesondere von Schweinen finden daher erkennbar vorrangig bei kleinen Bestandsgrößen Anwendung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4398 2 Seit 2005 sind in NRW insgesamt 620 immissionsschutzrechtliche Genehmigungen zur Errichtung von Tierhaltungsanlagen erteilt worden (Angaben bezogen auf Bestandsgrößen ab 15.000 Hennen- oder Truthühnerplätzen, ab 30.000 Junghennen- oder Mastgeflügelplätzen, ab 1500 Mastschweineplätzen, ab 560 Sauenplätzen, ab 4.500 Ferkelplätzen, ab 600 Rinderplätzen oder ab 500 Kälberplätzen entsprechend der Schwelle zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit). Eine Aufstellung über die räumliche Verteilung findet sich in der Tabelle im Anhang. Eine kurzfristig durchgeführte mündliche Nachfrage bei den tierstärksten Kreisen (Borken, Coesfeld und Steinfurt) hat ergeben, dass seit 2008 Offenstallsysteme insbesondere bei größeren Schweinehaltungen nicht relevant in Erscheinung getreten sind. 2. Inwieweit ist der Bau von Offenstallanlagen auch unter den Bedingungen des Filtererlasses möglich? Mit dem Erlass „Immissionsschutzrechtliche Anforderungen an Tierhaltungsanlagen“ vom 19. Februar 2013 hat das Land NRW verschiedenen Aspekten der von Tierhaltungsanlagen ausgehenden nachteiligen Umweltauswirkungen Rechnung getragen. Unter anderem wird im Erlass für große Schweinehaltungen (2.000 oder mehr Mastschweineplätze; 750 oder mehr Sauenplätze; 6000 oder mehr Ferkelplätze) der Einbau von Abluftreinigungsanlagen als Anforderung zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen nach dem Stand der Technik gefordert. Der Erlass geht dabei von einer geschlossenen Haltungsform aus, die derzeit bei den betroffenen Anlagen üblicherweise praktiziert wird (vgl. auch Antwort zu Frage 1). Zur Zeit wird seitens des Umweltministeriums geprüft, wie die Anforderungen des Erlasses vom 19. Februar 2013 zur Emissionsminderung mit den tierwohlbezogenen Aspekten der offenen Haltungsformen in Einklang gebracht werden können. Für die in NRW weitaus größere Zahl kleinerer Anlagen zur Schweinehaltung und Anlagen zur Haltung anderer Tiere gelten die Anforderung des Filtererlasses nicht. 3. Welche besonderen Schwierigkeiten der Emissionsberechnung stellen sich? Pauschale Aussagen zu dieser Frage sind schwierig, da eine detaillierte Differenzierung für die Tierarten (Rinder, Schweine, Geflügel) im Hinblick auf die verschiedenen Emissionsarten (Geruch, Ammoniak, Staub) und der konkreten Haltungsform notwendig wäre. Grundsätzlich gilt jedoch: Mit der Richtlinie VDI 3894 Bl. 1 liegt eine von Experten bundesweit abgestimmte Sammlung von Emissionskonventionswerten für Geruch, Staub und Ammoniak bei zwangsbelüfteten Tierhaltungsanlagen vor, die in Genehmigungsverfahren als Basiswerte für die Emissionsermittlung auch für Offenställe verwendet werden können. Eine besondere Schwierigkeit kann bei der prognostischen Ermittlung der Immissionen im Umfeld der Anlage mittels Ausbreitungsrechnung auftreten. Im Gegensatz zu einer konventionellen Anlage mit einer physikalisch beschreibbaren Quelle (Randbedingungen TA Luft: Kamine mit einer Höhe von 3 m über First und 10 m über Grund) entweichen bei Offenstallsystemen die Emissionen diffus und in Bodennähe. Dies führt zu ungünstigeren Ausbreitungsbedingungen , die der Gutachter bei der Modellierung der Emissionsrandbedingungen berücksichtigen muss. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4398 3 4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass mit Hinweis auf den Abluftfiltererlass Genehmigungsbehörden Genehmigungen verweigern? Es ist kein Fall bekannt, in dem eine Genehmigungsbehörde mit Hinweis auf den Filtererlass die Erteilung einer Genehmigung verweigert hätte. In einem aktuellen Fall ist eine große Schweinehaltung in offener Haltungsform im Kreis Viersen beantragt worden. Aufgrund der noch anhaltenden Prüfung (s. Frage 2) ist eine Entscheidung der Genehmigungsbehörde noch nicht erfolgt. 5. Wie bewertet die Landesregierung die Konzeption der sogenannten Offenställe? Offenställe sind eine Ausführungsform offener Haltungssysteme mit offenen Stallgiebeln oder Wänden. Weitere offene Haltungsformen sind z.B. Ställe mit Auslauf bis hin zur Freilandhaltung in Hütten. Eine offene Haltungsform kann - je nach Ausgestaltung - Vorteile insbesondere in Hinblick auf die artgerechte Haltung der Schweine mit sich bringen. Eine Minderung der Emissionen durch Abluftreinigung ist hingegen nur bei geschlossener Stallbauweise möglich. Das Umweltministerium prüft zurzeit, wie die Anforderungen des Erlasses zur Emissionsminderung mit den tierwohlbezogenen Aspekten der offenen Haltungsformen in Einklang gebracht werden können. Hierbei ist über die vorgenannten Aspekte hinaus zu berücksichtigen , dass es sehr unterschiedliche Formen der offenen Haltung gibt und dass bei der Beurteilung der Auswirkungen auch Aspekte insbesondere der Tiergesundheit zu beurteilen sind. Anlage zu Frage 1: Anzahl der seit 2005 erteilten immissionsschutz- rechtlichen Genehmigungen für Tierhaltungsanlagen nach Tierarten und Verwaltungsbezirken Kommune Hennen Junghennen Mastgeflügel Truthühner Rinder Kälber Mastschweine Sauen Ferkel NRW gesamt: 620 23 8 121 9 26 4 386 50 13 Stadt Krefeld 1 Stadt Mönchengladbach 1 Stadt Mühlheim a.d.R. 1 Stadt Remscheid 1 Kreis Kleve 1 4 4 7 7 3 2 Kreis Mettmann 2 Rhein-Kreis Neuss 1 Kreis Viersen 2 5 3 Kreis Wesel 1 2 BR Düsseldorf gesamt 5 8 4 7 16 6 2 Kreis Düren 1 1 Kreis Heinsberg 2 1 Oberbergischer Kreis 1 BR Köln gesamt 2 1 2 1 Stadt Bottrop 1 3 1 Stadt Münster 1 5 Kreis Borken 17 2 3 41 7 Kreis Coesfeld 3 2 17 1 1 58 6 Kreis Recklinghausen 2 1 2 1 9 4 1 Kreis Steinfurt 2 19 1 8 74 3 1 Kreis Warendorf 2 19 1 2 91 13 1 BR Münster gesamt 7 4 73 3 17 4 281 34 3 Kreis Gütersloh 5 4 Kreis Höxter 1 8 1 13 Kreis Lippe 2 4 1 Kreis MindenLübbecke 1 3 4 1 Kreis Paderborn 3 2 4 1 25 4 BR Detmold gesamt 4 3 22 1 1 50 6 Stadt Hamm 1 1 1 10 1 Hochsauerlandkreis 3 1 2 Märkischer Kreis 2 1 Kreis Soest 1 12 13 1 1 Kreis Unna 3 14 BR Arnsberg gesamt 5 16 1 39 4 3