LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4448 19.11.2013 Datum des Originals: 19.11.2013/Ausgegeben: 22.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1696 vom 15. Oktober 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4246 Auszahlung bereits geleisteter Mehrarbeit im Todesfalle – Welche beamtenrechtliche Lösung verfolgt die Landesregierung für Hinterbliebene von im Erwerbsleben verstorbenen Beschäftigten? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1696 mit Schreiben vom 19. November 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landeregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Es ist offensichtlich und unstrittig, dass das nordrhein-westfälische Landespersonal einen gewaltigen Überstundenberg vor sich herschiebt. Dies geht ganz aktuell aus einer Auflistung des Finanzministeriums hervor, die LT-DS 16/4076 als Anlage beigefügt ist. Danach musste das Land allein in den vergangenen drei Jahren 120 Millionen Euro aufwenden, um alte Mehrarbeitsansprüche finanziell abzugelten. Betroffen sind in erster Linie Beschäftigte in den Bereichen Polizei, Justiz und Schule. Allein bei der Polizei sind rund zwei Millionen Mehrarbeitsstunden aufgelaufen. Bei der Justiz sind es 555.000 Überstunden – dies entspricht dem Gegenwert von 16,8 Millionen Euro für 335 Planstellen in diesem Bereich. 2.500 Lehrerstellen dienen im Haushalt allein Zwecken der Rückgewährung von Vorgriffsstunden. Die Bediensteten haben meist weder die Möglichkeit, selbst darüber zu entscheiden, wann sie ihren Dienst wahrnehmen, noch, wann und in welcher Form ihre geleistete Mehrarbeit ausgeglichen wird. Dies liegt in der Entscheidung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, der je nach Einsatzbereich in seinem Handlungsspielraum eingeschränkt ist, da er beispielsweise in Justiz oder Polizei die Sicherheit der Allgemeinheit zu gewährleisten oder kurzfristig auf aktuelle Geschehnisse zu reagieren hat. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4448 2 Oftmals ist es daher nicht möglich, angefallene Überstunden zeitnah durch freie Tage auszugleichen , auch fehlen die Haushaltsmittel für einen schnellen finanziellen Ausgleich. So sind Millionen von Überstunden bereits geleistet worden, ohne dass die Beschäftigten durch Bezahlung oder Freizeitausgleich eine Kompensation dafür erhalten haben. Besondere Dramatik ergibt sich aus der ohnehin unbefriedigenden Situation, wenn ein im aktiven Dienst stehender Beamter oder Angestellter des Landes plötzlich und unerwartet verstirbt. Dies betrifft den nachfolgend kurz skizzierten Fall, der aber generell übertragen werden kann. Konkret bekannt geworden ist aktuell der Fall eines 52-jährigen Justizvollzugsbeamten, der plötzlich und unerwartet im Frühjahr 2013 verstarb und seine Frau sowie zwei minderjährige Kinder hinterließ. Zum Todeszeitpunkt wies die Arbeitszeitkarte des Beamten immerhin 333 Mehrarbeitsstunden aus, die vornehmlich an Wochenenden und Feiertagen geleistet worden sind. Aufgrund der angespannten Personalsituation im nordrhein-westfälischen Vollzugsdienst hatte er bis zu seinem Tod nicht die Möglichkeit, die geleistete Mehrarbeit abzubauen oder einen finanziellen Ausgleich dafür zu erhalten. Die Ehefrau des verstorbenen Beamten hat verständlicherweise nach seinem frühen Tod die Auszahlung der angefallenen Mehrarbeitsstunden beantragt. Dies wurde jedoch durch die Dienststelle abgelehnt. Ursächlich für die Ablehnung ist vermutlich ein Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. Juli 2012 (13 K 5977/11), mit dem in einem vermeintlich vergleichbaren Fall entschieden worden ist, dass eine Auszahlung nur erfolgen kann, wenn seitens des Betroffenen zuvor bereits ein entsprechender Antrag gestellt worden ist. Im Falle plötzlichen Versterbens ist ein solcher naturgemäß nicht vorhanden. Auch kann es unter der Zielsetzung eines nicht unnötig hohen bürokratischen Verwaltungsaufwands nicht sinnvoll sein, dass in der Folge nun sämtliche Bedienstete prophylaktisch entsprechende Abgeltungsanträge stellen oder bei ihren Dienststellen deponieren. Den Angehörigen der Betroffenen sollte vielmehr geholfen werden, sich in einer Phase großen persönlichen Leidens nicht auch noch mit dieser Frage streitig auseinandersetzen zu müssen. Die Gefahr eines Verfalls der Überstundenansprüche im denkbaren Todesfall stößt bei den von Mehrarbeit betroffenen Beschäftigten nachvollziehbarerweise auf Unverständnis. Da es sich quantitativ nur um wenige Einzelfälle handeln dürfte, sollte den nachvollziehbaren Anliegen der Hinterbliebenen unbürokratisch Rechnung getragen und eine angemessene rechtlich saubere Regelung gefunden werden. Gerade in den Fallkonstellationen, in denen Überstunden oft anfallen und Erstattungsansprüche auslösen, handelt es sich häufig nicht um die höheren Besoldungsgruppen, so dass die Angewiesenheit der Hinterbliebenen auf Kompensation im Regelfall gegeben ist. 1. In wie vielen Fällen sind im aktiven Dienst stehende Bedienstete des Landes Nordrhein-Westfalen in den vergangenen fünf Jahren jeweils jährlich verstorben, ohne dass dann ein Ausgleich für die von ihnen bereits geleistete Mehrarbeit erfolgt ist? (Darstellung bitte differenziert nach Ressort, Besoldungsstufe, Geschlecht und Alter) LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4448 3 2. Welche Kosten wären dem Land jeweils jährlich in den letzten fünf Jahren und differenziert nach Ressort entstanden, wenn den Hinterbliebenen der verstorbenen Bediensteten des Landes Nordrhein-Westfalen vollständig die Vergütung der geleisteten Mehrarbeit ausgezahlt worden wäre? 3. In wie vielen Fällen haben in den letzten fünf Jahren jeweils jährlich die Hinter- bliebenen die Auszahlung der durch den Verstorbenen geleisteten Mehrarbeit sowohl beantragt als auch davon tatsächlich ausgezahlt bekommen? Die Informationen, auf die sich die Fragen 1 bis 3 beziehen, können nicht aus verfügbaren Personaldaten abgerufen werden. Eine Erhebung auf der Grundlage der Auswertung einzelner Personalakten in allen Behörden des Landes würde einen für die Beantwortung einer Kleinen Anfrage unangemessen hohen Aufwand erfordern. Sie wäre auch nicht für den gesamten Zeitraum der letzten fünf Jahre möglich, da personenbezogene Daten, die eine Detaildarstellung erbrachter Mehrarbeitsstunden der Beschäftigten enthalten (Einzelbuchungen, Zeitraum der Mehrarbeitsentstehung im Hinblick auf die Verjährungsfrist für die Auszahlungsfähigkeit ), mit Blick auf § 14 Abs. 7 Arbeitszeitverordnung nicht für einen so langen Zeitraum vorgehalten werden. Nach Einschätzung der Landesregierung ist es allerdings bislang in der Regel gelungen, Beschäftigten noch im aktiven Dienst einen Ausgleich für geleistete Mehrarbeit zu gewähren. 4. In welcher Weise beabsichtigt es der Finanzminister genau, derartige Fälle in Zukunft sachgerecht unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen von Hinterbliebenen zu handhaben? Grundsätzlich wird geleistete Mehrarbeit innerhalb eines Jahres durch Freizeit ausgeglichen. Mangels einer entsprechenden Rechtsgrundlage im Dienstrecht für Beamtinnen und Beamte können Mehrarbeitsstunden nach dem Tod finanziell nicht abgegolten werden. Im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung wurde in einzelnen Härtefällen neben der den Hinterbliebenen ohnehin zustehenden vollen Besoldung für den Sterbemonat und der anschließenden Hinterbliebenenversorgung für eventuell noch nicht abgegoltene Mehrarbeitsstunden eine entsprechende Entschädigung durch die Dienstbehörde gezahlt. 5. Wie regeln im Vergleich zur bisherigen nordrhein-westfälischen Praxis der Bund und die anderen Bundesländer die Frage der finanziellen Abgeltung noch nicht ausgeglichener Mehrarbeitsstunden bei zu Erwerbszeiten verstorbenen Bediensteten ? Die Regelungen zur Abgeltung von Mehrarbeitsstunden waren für alle Beamtinnen und Beamten bis zur Föderalismusreform I im Jahr 2006 bundeseinheitlich. Soweit in der zur Verfügung stehenden Zeit in Erfahrung gebracht werden konnte, wenden neben NRW sowohl der Bund als auch die anderen Bundesländer im Ergebnis diese einheitlichen Regelungen zur Abgeltung von Mehrarbeitsstunden weiterhin an. Eine gesonderte Regelung zur finanziellen Abgeltung von Mehrarbeitsstunden nach dem Tod ist aus keinem Bundesland bekannt.