LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4460 25.11.2013 Datum des Originals: 25.11.2013/Ausgegeben: 28.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1722 vom 23. Oktober 2013 des Abgeordneten André Kuper CDU Drucksache 16/4297 Forderungsmanagement in Kommunen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1722 mit Schreiben vom 25. November 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Justizminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage „Focus-online“ berichtete am 23.10.2013 abermals über offene Zahlungen der öffentlichen Hand. Bund, Länder und Kommunen haben demnach Außenstände von fast 80 Milliarden Euro. Jährlich entgehen der öffentlichen Hand, nach einem entsprechenden Bericht der „Welt“, mehr als eine Milliarde Euro, weil offene Forderungen nicht gezahlt werden. Einige Kommunen setzen bereits auf Inkasso-Dienstleister. Trotzdem ist die Zahl der Kommunen, die sich externe Hilfe holen, bislang überschaubar. Dafür sorgen unterschiedliche Landesgesetzgebungen genauso wie die Diskussion, ob es nicht doch eine reine Staatsangelegenheit sei, kommunale Forderungen einzuziehen. Nach dem neuen hessischen Justizkostengesetz dürfen künftig auch die Gerichtskassen des Landes mit privaten Inkassounternehmen zusammenarbeiten. Hintergrund sind offene Gerichtskosten im zweistelligen Millionenbereich. Laut Gesetz dürfen die Firmen die Gerichtskassen als Verwaltungshelfer beim Einzug niedergeschlagener Forderungen unterstützen. Sie bewerten die Erfolgsaussichten, ermitteln Anschriften, nehmen schriftlich und telefonisch Kontakt mit Schuldnern auf oder sorgen für die langfristige Überwachung von Forderungen. Hoheitliche Aufgaben wie etwa Vollstreckungsmaßnahmen übernehmen sie nicht. Die bleiben auch weiterhin ausschließlich staatlichen Gerichtsvollziehern vorbehalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4460 2 Vorbild des Landes war die Landeshauptstadt Wiesbaden, die ihr Forderungsmanagement seit 2003 komplett neu aufgebaut und die monatlichen Außenstände seitdem von rund 50 Millionen Euro auf rund 31 Millionen Euro reduziert habe. Seit Jahren kooperiert die Stadt auch mit externen Anbietern. Beim Inkasso etwa kümmere sich ein Dienstleister ausschließlich um niedergeschlagene Fälle. Dafür habe die Stadt in den vergangenen zweieinhalb Jahren rund 110.000 Euro eingenommen. Zudem seien mit Schuldnern Ratenvereinbarungen über weitere 300.000 Euro getroffen worden. Vor allem aber bleibt die grundsätzliche Frage, ob die Kommunen Daten ihrer Bürger überhaupt an die Privatwirtschaft abgeben dürfen. Die Datenschutzbeauftragten der Länder bewerten dies vollkommen unterschiedlich, und auch auf Seiten der Politik und in den Verwaltungen gibt es vielfach kontroverse Ansichten. Nach Information der Welt gibt die Stadt Xanten, als eine von wenigen nordrheinwestfälischen Kommunen, Forderungen, die ihre Mitarbeiter mit eigenen Mitteln nicht mehr eintreiben können, seit eineinhalb Jahren an ein Inkassounternehmen ab. Nach Aussage des Bürgermeisters liege die Erfolgsquote bei 25 Prozent. Der Dienstleister arbeite auf Erfolgsbasis und bekomme neben den Gebühren, die er von den Schuldnern verlange, 30 Prozent der eingetriebenen Forderungen. Dabei handelte es sich in Xanten zunächst hauptsächlich um nicht bezahlte Strafzettel, vor allem "Knöllchen" von Besuchern aus den Niederlanden. Zudem würden jetzt aber auch verstärkt Außenstände bei Steuern und Gebühren an das Inkassounternehmen abgegeben. Vorbemerkung der Landesregierung Seit Jahren sind in verschiedenen Bundesländern wiederholt Versuche privater Inkassounternehmen sowie des Bundesverbandes Deutscher Inkassounternehmen (BDIU) festzustellen , den Inkassounternehmen im Bereich der hoheitlichen Vollstreckung von Geldforderungen der Kommunen einen Zugang zu verschaffen. Dies geht von dem Angebot an Kommunen , bei Einzeltätigkeiten der Forderungseinziehung tätig zu werden, bis hin zu der Hilfe bei der Beitreibung von Forderungen durch ständigen, auch längerfristig aufrechterhaltenen Kontakt mit den Schuldnern. Diese Leistungen werden u. a. auch gegen Zahlung eines Honorars auf Erfolgsbasis angeboten. Zuletzt wurde in einer Veröffentlichung am 23. Oktober 2013 in der Tageszeitung „DIE WELT“ die Thematik der Beteiligung von Inkassounternehmen an der Einziehung kommunaler Geldforderungen angesprochen. Auf die im Internet unter www.inkasso.de veröffentlichte Pressemitteilung des BDIU vom 23. Oktober 2013 wird insoweit verwiesen. Der Bericht in der „WELT“ und eine weitere Veröffentlichung in „FOCUSonline “ sind Anlass für die Kleine Anfrage 1722 zum Forderungsmanagement in Kommunen. 1. Wie beurteilt die Landesregierung die Möglichkeit von Kommunen Inkassounter- nehmen als Verwaltungshelfer für die Eintreibung von Forderung zu nutzen? 2. Wie beurteilt die Landesregierung die Potentiale eines verbesserten Forde- rungsmanagement über Verwaltungshelfer für die Kommunen in NordrheinWestfalen ? Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz weist die Aufgabe der Vollstreckung hoheitlicher Geldforderungen den kommunalen Vollstreckungs-behörden als eigene Aufgabe zu, die durch eigenes Personal nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften durchzuführen ist. Die vollständige oder teilweise Besorgung von Aufgaben der Zwangsvollstreckung durch Private LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4460 3 Dritte ist nach § 94 Satz 2 GO NRW nicht zulässig. Eine Unterstützung der Vollstreckungsbehörden durch private „Verwaltungs-helfer“ ist schon daher nur in engen Grenzen möglich. Sie kann erst nach Ausschöpfung aller Optionen der Eigenvollstreckung durch die Vollstreckungsbehörde in Frage kommen. Ob die Voraussetzungen für die Einschaltung eines „Verwaltungshelfers “ gegeben sind, ist durch die jeweilige Kommune in eigener Verantwortung in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen. Ein „Verwaltungshelfer“ darf wegen des Aufgabenverlagerungsverbotes nach § 94 Satz 2 GO NRW lediglich unselbständig tätig werden; seine Tätigkeit ist damit auf die Durchführung bloßer Hilfstätigkeiten unter Aufsicht und nach Anweisung der Vollstreckungsbehörde beschränkt . Durch ihn dürfen insbesondere keine Vollstreckungsmaßnahmen durch-geführt oder eigenständige Entscheidungen zur Durchsetzung der offenen Forderungen kommunaler Gläubiger getroffen werden. Zudem sind die datenschutzrechtlichen Vorschriften zu beachten . Dem Datenschutz unterliegende personenbezogene Daten, wie auch Daten, die dem Sozial- und dem Steuergeheimnis (§ 30 AO) unterliegen, dürfen von der Vollstreckungsbehörde nicht an den Verwaltungshelfer weitergegeben werden. Die Landesregierung beurteilt die Möglichkeiten, die sich mit der Ein-schaltung eines Verwaltungshelfers durch Kommunen in die Verwaltungsvollstreckung eröffnen, daher eher zurückhaltend . 3. Wie beurteilt die Landesregierung die datenschutzrechtlichen Vorbehalte vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Hessen, wo der Datenschutzbeauftragte des Landes für die Zusammenarbeit der Gerichtskassen des Landes mit privaten Inkassounternehmen im Bereich des Forderungsmanagements ausdrücklich sein Einverständnis erklärte? Die Zusammenarbeit der Gerichtskassen des Landes Hessen mit privaten Inkassounternehmen ist mit der für die kommunalen Vollstreckungs-behörden in Nordrhein-Westfalen bestehenden Situation nicht vergleich-bar. Sie beruht auf einer speziellen Rechtsgrundlage, die durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Hessischen Justizkostengesetzes vom 26. November 2012 geschaffen wurde, und die die Übertragung von Tätigkeiten sowie die Übermittlung der hierfür erforderlichen Daten regelt. Diese Regelung erstreckt sich ausschließlich auf die Vollstreckung von Geldforderungen der dortigen Justizbehörden. Im Übrigen sieht die Landesregierung von einer Bewertung der Entscheidungen von Datenschutzbeauftragten oder der Gesetzgeber anderer Länder ab. 4. Die Stadt Xanten wird als gutes Beispiel für erfolgreiches Forderungsmanage- ment genannt, bestehen in Nordrhein-Westfalen rechtliche Hürden für die Hilfeleistung beim Forderungsmanagement durch private Dritte im Rahmen eines Verwaltungshelfers? Die in dem Artikel der „WELT“ vom 23. Oktober 2013 wiedergegebene Bewertung der Stadt Xanten als „gutes Beispiel für erfolgreiches Forderungsmanagement“ geht auf eine Selbsteinschätzung durch den Vertreter der Stadt Xanten zurück. Im Übrigen siehe die Antwort auf Fragen 1 und 2. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4460 4 5. Welche nordrhein-westfälischen Kommunen nutzen bereits heute die Möglichkeit , sich für die Eintreibung bestehender Forderung Privater als Verwaltungshelfer zu bedienen? Es gibt keine Statistik darüber, welche nordrhein-westfälischen Kommunen sich bei der Eintreibung offener Forderungen privater Verwaltungshelfer bedienen. Eine entsprechende Erhebung erfordert einen Aufwand, der den Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage über-steigen würde.