LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4466 21.11.2013 Datum des Originals: 21.11.2013/Ausgegeben: 26.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1718 vom 22. Oktober 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4288 Erleichterungen und Bearbeitungsfristen für die Prüfung von Steuererklärungen – In welchem Umfang entlasten vorausgefüllte Steuererklärungen ab dem nächsten Jahr aus Sicht der Landesregierung Bürger wie Finanzämter in Nordrhein-Westfalen? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1718 mit Schreiben vom 21. November 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Über alle Alters-, Berufs- und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen hinweg ist die jährliche Erstellung der eigenen Steuererklärung mit einem großen Arbeits- und Zeitaufwand verbunden. Die Zusammenstellung aller für die Steuerveranlagung relevanten Unterlagen und das korrekte Ausfüllen verschiedener Formulare ist eine komplexe Angelegenheit für die meisten Steuerpflichtigen und wird daher oft bis zum letztmöglichen Abgabetermin vor sich hergeschoben. Die deutsche Steuergesetzgebung ist kompliziert, verändert sich häufig, und die allermeisten Bürger sind mit den gesetzlichen Vorgaben schlicht überfordert. Sämtliche Bestrebungen seitens der Politik, die Steuererklärung grundsätzlich zu vereinfachen, sind leider bislang gescheitert. Auch die elektronische Steuererklärung mittels ELSTER hat hier keine wesentliche Verbesserung für die Steuersubjekte mit sich gebracht. Einer Teilmenge der Steuerzahler ist es freigestellt, freiwillig ihre Steuererklärung einreichen zu können. In der Regel geschieht das dann, wenn die Betroffenen mit einer Rückerstattung rechnen können. Für große Personenkreise ist die Abgabe einer Steuererklärung jedoch verpflichtend. Dazu zählen beispielsweise Selbständige, Freiberufler und auch Rentner ab einer gewissen Einkommenshöhe oder einer bestimmten Rentenhöhe. Auch Ehepartner, die gemeinsam die Lohnsteuerklassen 3 und 5 nutzen, sind genauso betroffen wie die Personen, die Lohner- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4466 2 satzleistungen wie etwa Arbeitslosen-, Kranken-, Kurzarbeiter- oder Elterngeld beziehen. Hier muss die Steuererklärung bis zum Stichtag am 31. Mai des jeweiligen Jahres bei der zuständigen Finanzbehörde vorliegen. Möglich ist in einigen Fällen eine Fristverlängerung, die von einem Steuerberater beantragt werden kann. Aktuellen Medienberichten, wie beispielsweise der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 15. Oktober 2013, ist zu entnehmen, dass auch die Bearbeitungsdauer der eingereichten Steuererklärung bei den für den Wohnsitz der Steuerpflichtigen zuständigen Finanzämtern ausgesprochen langwierig ist und sich oft bis zu einem halben Jahr hinziehen kann. Dies hat gerade auch im laufenden Jahr zu vermehrten Beschwerden der Steuerzahler geführt oder bei diesen finanzielle Engpässe verursacht, wenn Steuerrückerstattungsansprüche seitens der Steuerpflichtigen fest einkalkuliert worden sind. Es ist daher ein Schritt in die richtige Richtung und zu begrüßen, dass ab dem kommenden Jahr 2014 eine sogenannte vorausgefüllte Steuererklärung (VaSt) eingeführt wird, um das Besteuerungsverfahren zu vereinfachen und den Zeitaufwand zu reduzieren. Geplant ist, dass spätestens ab April 2014 im ElsterOnline-Portal eine neue Software zur Verfügung steht. Das Finanzamt trägt dann automatisch die der Steuerverwaltung vorliegenden Daten ein. Der Steuerzahler kann sich die Daten über ELSTER für die persönliche Steuererklärung herunterladen und weiterbearbeiten. Dazu gehören neben Name und Adresse auch die vom Arbeitgeber bescheinigten Lohnsteuerdaten, Bescheinigungen über den Bezug von Rentenleistungen , Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen sowie Vorsorgeaufwendungen. Dieses Verfahren ist kostenlos und optional und daher im Sinne eines zusätzlichen Angebots für die Steuerpflichtigen zu begrüßen. Noch unklar ist für die Anwender jedoch offenbar, ob die VaSt tatsächlich bereits für die Steuererklärung 2013 oder erst für das Folgejahr 2014 genutzt werden kann. Auch wenn viele Daten dann direkt für den Steuerzahler verfügbar sind, müssen natürlich auch weiterhin einige Felder persönlich ausgefüllt werden. Dies betrifft beispielsweise die außergewöhnlichen Belastungen wie Krankheitskosten, getätigte Spenden an gemeinnützige Organisationen oder die Absetzung von haushaltsnahen Dienstleistungen. Ferner sollten die vorausgefüllten Angaben in der Steuererklärung sicherheitshalber stets auf Fehler überprüft werden. Das Angebot der vorausgefüllten Steuererklärung sollte dabei so umgesetzt werden, dass dies nicht nur eine Serviceleistung für den Bürger ist, sondern auch dabei hilft, bestehenden Bürokratieaufwand in der Finanzverwaltung abzubauen und die notwendigen administrativen Prozesse unter Einsatz modernster EDV zu optimieren und Finanzbeamte zu entlasten. Vor diesem Hintergrund ist es für das Parlament von hohem Interesse, nähere Informationen zum aktuellen Umsetzungsstand der vorausgefüllten Steuererklärung in Nordrhein-Westfalen zu erhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4466 3 1. Wie hat sich sowohl quantitativ als auch qualitativ jeweils in den letzten drei Jahren der Kreis der von der Abgabe einer Steuererklärung betroffenen Steuersubjekte , differenziert nach Abgabepflicht und freiwilliger Einreichungsberechtigung , tatbestandsmäßig sowie faktisch in unserem Land entwickelt? (bitte aussagekräftiges Lagebild vermitteln, zum Beispiel durch Angabe von Merkmalen wie Inanspruchnahme der Einreichungsoption bei freiwilliger Abgabe, Entwicklungen bei der Einreichungspflicht für Rentner, Aufschlüsselung nach unterschiedlichen Statusgruppen etc.) Die landesweite Entwicklung kann der nachstehenden Tabelle entnommen werden. Die Daten sind getrennt nach Antrags- und Pflichtveranlagungen im Einkommensteuerbereich ausgewiesen. Bei den Antragsveranlagungs-fällen handelt es sich grundsätzlich um Arbeitnehmer, die ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit beziehen, bei denen kein Pflichtveranlagungsgrund i. S. d. § 46 Einkommensteuergesetz (wie z. B. der Eintrag von Freibeträgen auf der Lohnsteuerkarte, der Bezug von Einkommensersatzleistungen , die Steuerklassenkombination III / V) vorliegt und die ihre Steuererklärung demnach freiwillig abgeben können. Die Pflichtveranlagungsfälle umfassen alle übrigen Einkommensteuerfälle , so z. B. Arbeitnehmerfälle, bei denen ein Pflichtveranlagungsgrund i. S. d. § 46 Einkommensteuergesetz vorliegt sowie freiberuflich und gewerblich Tätige. Eine Unterscheidung nach beruflichen Statusgruppen oder eine separate Darstellung für Rentner ist mangels entsprechender Daten nicht möglich. Die Daten beziehen sich auf den Veranlagungszeitraum des Vor-Vorjahres, so dass die Entwicklung der Erklärungseingänge (absolute Zahlen und Erklärungseingangsquote) jeweils auf den Stichtag 30. September des Zweitfolgejahres abgebildet wird. Die Zahl der zu bearbeitenden Einkommensteuerfälle ist im Vergleich der Stichtage 30. September 2011 und 30. September 2013 angestiegen. Die Gründe dafür sind vielfältig. So haben beispielsweise der Zuwachs an steuerpflichtigen Erwerbstätigen durch die günstige Entwicklung der Wirtschaftslage und der Zuwachs an steuerpflichtigen Rentnern durch die Neuregelung zur Besteuerung der Alterseinkünfte zum Anstieg der Fallzahlen beigetragen. Stichtag Veran- lagungs- zeitraum Zahl der zu bearbeitenden Einkommen- steuerfälle* Zahl der eingegangenen Einkommen- steuer- erklärungen Quote der eingegangenen Einkommen- steuer- erklärungen (in %) Zahl der zu bearbeitenden Einkommen- steuerfälle Zahl der eingegangenen Einkommen- steuer- erklärungen Quote der eingegangenen Einkommen- steuer- erklärungen (in %)** Sep 11 2009 2.390.799 1.627.428 68,07 4.220.026 3.986.072 94,46 Sep 12 2010 2.443.975 1.699.075 69,52 4.210.869 3.968.222 94,24 Sep 13 2011 2.421.767 1.695.262 70,00 4.249.781 3.998.892 94,10 Antragsveranlagungen Pflichtveranlagungen *Es handelt sich um die Zahl der Fälle, für die mit der Abgabe einer Einkommensteuererklärung nach den Erkenntnissen zum Stichtag zu rechnen ist. Eine Zählung erfolgt, wenn für mindestens einen der vier vorangehenden Veranlagungszeiträume eine Steuererklärung abgegeben und ein Steuerbescheid erteilt worden ist. ** Diejeinigen Steuerpflichtigen, die trotz Verpflichtung keine Steuererklärung abgeben, werden vom Finanzamt geschätzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4466 4 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Entwicklung der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer bei Steuererklärungen jeweils für die letzten drei Jahre, differenziert nach einzelnen Finanzämtern/Regionen sowie unterschiedlichen Kategorien von Steuerpflichtigen (als Selbständige, Arbeitnehmer oder Rentner etc.) oder Steuersachverhalten vor? Die Bearbeitungszeiten in NRW haben sich in den letzten Jahren nur geringfügig verändert. Die aktuelle Bearbeitungsdauer liegt in der Regel zwischen fünf Wochen und sechs Monaten . Je nach Komplexität des einzelnen Steuerfalles – z. B. durch erforderliche Rückfragen, Belegprüfungen u. ä. – variieren die Bearbeitungszeiten. Während die Bearbeitung in komplexen Einzelfällen länger dauern kann, erhalten viele Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ihre Steuerbescheide auch wesentlich schneller. Grundsätzlich können das Abgabeverhalten der Bürgerinnen und Bürger, Abwesenheitszeiten von Bearbeiterinnen und Bearbeitern durch Krankheit, Urlaub o. ä. die Bearbeitungszeiten kurzfristig regional unterschiedlich beeinflussen . Diese Aussagen treffen grundsätzlich für alle Finanzämter und alle Regionen in NRW zu. Nach Einkunftsarten von Steuerpflichtigen oder sonstigen Steuersachverhalten differenzierte Bearbeitungszeiten werden nicht erhoben, so dass dazu keine Angaben möglich sind. 3. Welche einzelnen Erkenntnisse liegen der Landesregierung zum aktuellen Pro- jektstatus inklusive des genauen Zeitpunkts für den Beginn der vorausgefüllten Steuererklärung für nordrhein-westfälische Steuerzahler sowie der insgesamten Projektkosten vor? Bei der vorausgefüllten Steuererklärung handelt es sich um ein gemeinsames Projekt der Länder und des Bundes im Vorhaben KONSENS (Koordinierte neue Software-Entwicklung der Steuerverwaltung). Aufgrund der Komplexität wird bei der Einführung phasenweise vorgegangen. Seit Anfang August 2013 wird die vorausgefüllte Steuererklärung in mehreren Bundesländern – auch in NRW – mit ausgewählten Teilnehmern pilotiert. Die Pilotierung verläuft zufriedenstellend. Die elektronischen Belege zu einem Steuerfall können ab Beginn des Jahres 2014 für die Veranlagungszeiträume 2012 und 2013 abgerufen werden. Allerdings haben Arbeitgeber, Versicherungen und andere Institutionen bis zum 28. Februar des jeweiligen Jahres Zeit, die für die Steuerberechnung benötigten Angaben an die Finanzverwaltung zu übersenden. Dazu zählen zum Beispiel Lohnsteuerbescheinigungen, Beitragsdaten zur privaten Krankenund Pflegeversicherung, Altersvorsorgebeiträge sowie Rentenbezugsmitteilungen. Für die Entwicklung der vorausgefüllten Steuererklärung sind im Zeitraum 2011 bis 2014 Kosten von insgesamt 6,1 Mio. € eingeplant. Die Kosten werden von Bund und Ländern gemeinsam getragen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4466 5 4. In welchem voraussichtlichen Umfang trägt die vorausgefüllte Steuererklärung einerseits zur Entlastung der Steuerzahler bei der jährlichen Steuererklärung bei und andererseits zur Reduzierung des Arbeitsaufwandes in der Finanzverwaltung ? Die Konzeption sieht vor, dass die persönlichen Steuerdaten, die der Finanzverwaltung vorliegen , elektronisch vom Steuerzahler abgerufen und dann ohne Medienbruch in die elektronische Steuererklärung übernommen werden können. Hierdurch ergeben sich Synergieeffekte , da das ggf. aufwändige Suchen und Übertragen der Daten für die Bürgerinnen und Bürger wegfällt. Sofern die Daten unverändert an die Finanzverwaltung übermittelt werden, können sie automatisiert überprüft und in den Steuerbescheid übernommen werden. Hierdurch verringert sich der Arbeitsaufwand in den Finanzämtern. Allerdings ist der Mehrwert zunächst noch nicht vollumfänglich nutzbar, da momentan noch relativ wenige Belegdaten zum Abruf zur Verfügung gestellt werden können. Zudem wird es eine Zeit dauern bis die vorausgefüllte Steuererklärung auch von den Steuerpflichtigen entsprechend genutzt wird. Die Finanzverwaltungen werden mit entsprechender Öffentlichkeitsarbeit auf die Neuerungen und Erleichterungen hinweisen. 5. Mit jeweils welchen weiteren Vorhaben beabsichtigt der Finanzminister eine Re- duzierung der Bearbeitungsdauer für Steuererklärungen durch die Finanzbehörden und Entlastung der dortigen Bediensteten? (bitte unter Angabe konkreter Instrumente , Zeitpläne und Zielgrößen) Die Landesregierung verfolgt das Ziel, die Steuerverwaltung des Landes NRW zu stärken und die Arbeitsbelastungen und Bearbeitungsdauer in den Finanzämtern dauerhaft angemessen zu gestalten. In 2011 ist die Betriebsprüfung um 200 zusätzliche Planstellen verstärkt worden. In Folge der Aufgabenübernahme von den Kommunen im Rahmen der Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte, sowie des angestiegenen Arbeitsanfalls durch die Auswertung der Rentenbezugsmitteilungen wurden bzw. werden in den Haushaltsjahren 2013 und 2014 jeweils 110 neue Planstellen des mittleren Dienstes eingerichtet. Zur weiteren Stärkung der Steuerverwaltung werden seit Beginn der Legislaturperiode jährlich 50 Beamtenanwärterinnen und -anwärter des gehobenen Dienstes zusätzlich eingestellt. Darüber hinaus wird stetig an der Weiterentwicklung der IT-Unterstützung gearbeitet.