LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4490 26.11.2013 Datum des Originals: 25.11.2013/Ausgegeben: 29.11.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1715 vom 22. Oktober 2013 des Abgeordneten Dietmar Brockes FDP Drucksache 16/4283 Billiger Wahlkampfklamauk der Grünen oder will die Landesregierung die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen energieintensiven Industrie gefährden? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1715 mit Schreiben vom 25. November 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und der Ministerin für Schule und Weiterbildung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im Umfeld der Bekanntmachung der EEG-Umlage für 2013 prangerte der damalige Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin, öffentlich die Ausgleichsregelung der §§ 40ff. EEG an. Im Interview mit der Münchener Abendzeitung vom 11. Oktober 2012 wird er wie folgt zitiert: „Der Strompreis steigt, weil Geflügelzüchter, Golfplätze und Rechenzentren von der Umlage befreit werden!“. Für diese und ähnliche Äußerungen erregt er seitdem von vielen Seiten öffentliche Kritik, da sie als plumper Versuch bewertet werden, mit Falschbehauptungen zur Ausgleichsregelung die energieintensive Industrie bei der Energiewende in Verruf zu bringen. Denn weder Rechenzentren noch Golfplätze finden sich in der Liste der durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle veröffentlichten sog. begünstigten Abnahmestellen. Wie die Stuttgarter Zeitung vom 17.10.2012 berichtet, hat auch das Büro von Jürgen Trittin diesen Irrtum erkannt und eingeräumt: „Herr Trittin hat aus der Berichterstattung im ersten Halbjahr dieses Jahres übernommen“, dass Rechenzentren von Banken von der EEGUmlage befreit seien. „Dies trifft nicht zu. Dies ist uns leider erst durch Nachfragen und eigene Recherchen aufgefallen.“ LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4490 2 Trotzdem werden seitdem regelmäßig von führenden Vertretern der Grünen Branchen und Unternehmen angeführt, die in Wahrheit von der Ermäßigung der EEG-Umlage nicht profitieren können. Diese falschen Beispiele werden immer wieder benannt, um von den relevanten Kostentreibern im EEG, der Abnahmegarantie und der über dem Marktpreis liegenden zugesicherten Vergütung, abzulenken. Dies gilt auch weiterhin für Herrn Trittin, so z.B. am 12. Februar 2013 in der Bundespressekonferenz: „Wer die steigende EEG-Umlage begrenzen will, der muss den Skandal beenden, dass die Merkel-Koalition aus der Energiewende eine Subventionsmaschine für Schlachthöfe, Pommesfabriken, Bankrechenzentren und Golfplätze gemacht hat.“ Dass mit solchen Äußerungen vor allem die für den Wohlstand in Deutschland, und das Gelingen der Energiewende im Besonderen, so wichtigen energieintensiven Unternehmen in Verruf gebracht werden, wird anscheinend mehr als billigend in Kauf genommen. Denn entgegen anderslautender Unterstellungen ist die Besondere Ausgleichsregelung des EEG für energieintensive Unternehmen kein Staatsgeschenk auf Kosten der Verbraucher. Sie ist eine Frage des wirtschaftlichen Überlebens für diese Unternehmen und damit zusammenhängend von über 800.000 direkten Arbeitsplätzen und weiteren Arbeitsplätzen in Gewerbe und Dienstleistung, die ohne Industrie nicht zu erhalten sind. Die FDP-Fraktion hat hierauf wiederholt hingewiesen (z.B. Drucks. 16/1267; 16/3516). Dessen ungeachtet hat die Stellvertretende Ministerpräsidentin, Sylvia Löhrmann von den Grünen, in der TV-Sendung "Studio Friedman" am 12. September 2013 beklagt, dass Golfplätze von Ausnahmen der EEG-Umlage profitieren würden. Auch auf den Hinweis hin, sie mache sich mit so einer Behauptung lächerlich, blieb sie bei ihrer Feststellung. In diesem Zusammenhang sprach sie von vier Milliarden Euro möglichen Entlastungen für die Stromkunden, was 50 Euro im Monat entspräche, wenn die Ausnahmen von der EEGUmlage reduziert würden. Tatsächlich würde eine Entlastung in Höhe von vier Milliarden Euro keine Reduktion bzw. Beseitigung von ungewünschten Ausnahmen sondern eine vollständige Abschaffung der besonderen Ausgleichsregelung gleichkommen. Bisher hatte sich die Landesregierung gegen Maßnahmen ausgesprochen, die über eine Verteuerung des Stroms für energieintensive Industrien zu einer Wettbewerbsverzerrung und damit zu einem Arbeitsplatzabbau in Nordrhein-Westfalen führen würden. Noch am 15. Juli 2013 bekräftigte Ministerpräsidentin Kraft in einem SAT.1 Sommerinterview, dass die energieintensive Industrie von der EEG-Umlage befreit bleiben solle, da dies entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in NRW sei. Am 19. September 2013 berichtete allerdings das Handelsblatt, dass in der rot-grünen Landesregierung in Düsseldorf bereits ein Konzept zur Energiewende "in der Schublade" liege, für die Zeit nach der Bundestagswahl. Es stellt sich somit die Frage, ob die Stellvertretende Ministerpräsidentin Löhrmann mit ihren Forderungen im Fernsehinterview nur realitätsfernen Wahlkampfklamauk betrieben hat. Oder ob sie damit bereits einen Kurswechsel der Landesregierung aufgezeigt hat, der betriebliche Investitionen der stromintensiven Unternehmen, das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort und damit mehrere hunderttausend Arbeitsplätze gefährdet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4490 3 Vorbemerkung der Landesregierung Die Landesregierung ist der Auffassung, dass unser Land weiterhin ein guter Standort für strom- und energieintensive Industrien mit den darauf aufbauenden Wertschöpfungsketten bleiben soll. Sie ist der Auffassung, dass Ermäßigungen und/oder Kompensationen in dem Maße begrenzt sein müssen, in dem sie für faire Wettbewerbsbedingungen erforderlich sind. Eine Weiterentwicklung muss dafür die Summierungs- und Wechselwirkungen der verschiedenen Komponenten wie EEG-Umlage, Stromsteuer, Netzentgelte, Kompensationszahlungen und Emissionshandel berücksichtigen. 1. Hat die stellvertretende Ministerpräsidentin bezüglich der EEG-Ausnahmen die Auffassung der Landesregierung vertreten? Die Stellvertreterin der Ministerpräsidentin hat in ihren Ausführungen nicht nur die EEGUmlage , sondern die Gesamtheit der Entlastungen für die energieintensive Industrie im Auge gehabt. Dazu gehören auch Entlastungen für die Netzentgelte, Stromsteuer und Konzessionsabgaben. 2. Wie viele Golfplätze werden in Nordrhein-Westfalen von der EEG-Umlage gem. §§ 40ff. EEG befreit? Golfplätze in NRW werden von der EEG-Umlage nicht befreit, allerdings gibt es Befreiungstatbestände auch für Golfplätze im Bereich der Netzentgelte. 3. Welche Unternehmen in Nordrhein-Westfalen werden gegenwärtig von der EEG-Umlage befreit, obwohl dies nach der politischen Auffassung der Landesregierung für die Zukunft nicht wünschenswert ist, weil sie nach deren Ansicht nicht im internationalen Wettbewerb stehen? In der online veröffentlichen Tabelle des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) sind die derzeit 1716 in Deutschland durch die Besondere Ausgleichsregelung von der EEG-Umlage befreiten Abnahmestellen (Unternehmen und Unternehmensteile) aufgeführt. Die Tabelle lässt sich sowohl alphabetisch, nach Branchen, nach Ländern oder auch nach der Postleitzahl sortieren. Diese Liste ist auf folgender Webseite abrufbar: http://www.bafa.de/bafa/de/energie/besondere_ausgleichsregelung_eeg/publikationen/index. html Insgesamt profitieren in NRW 525 Unternehmen (ca. 30 Prozent der 1.716 Betriebe) von der Besonderen Ausgleichsregelung des § 40 EEG. Da die Landesregierung keine Einzelangaben zu den von der Besonderen Ausgleichsregelung entlasteten Unternehmen, insbesondere im Hinblick auf ihren Wettbewerbsstatus, hat, kann sie auch keine Angaben über die Anzahl der eventuell durch eine Gesetzesänderung betroffenen Unternehmen machen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4490 4 4. Welche wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Konsequenzen hätte der von Frau Löhrmann skizzierte Wegfall von EEG-Ausnahmen in Höhe von vier Milliarden Euro auf die energieintensiven Unternehmen in Nordrhein-Westfalen? Auch hierzu liegen der Landesregierung keine Einzelangaben aus den Unternehmen vor. Ob und ggfs. welche Auswirkungen der Wegfall der Entlastung für die einzelnen Unternehmen haben würde, kann deshalb nicht benannt werden. 5. Welche konkrete Neuregelung der §§ 40ff. EEG strebt die Landesregierung an? Der Zweck der besonderen Ausgleichsregelung sieht ausdrücklich den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit vor. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass eine Neuregelung der §§ 40 ff. EEG nicht isoliert betrieben wird, sondern im Kontext mit einer notwendigen und sachgerechten Umgestaltung des derzeitigen Strom- und Energiemarktdesigns erfolgt.