LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4534 03.12.2013 Datum des Originals: 03.12.2013/Ausgegeben: 06.12.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1728 vom 30. Oktober 2013 des Abgeordneten Robert Stein Fraktionslos Drucksache 16/4310 Prognostizierte Auswirkungen der Energiewende zum aktuellen Stand Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 1728 mit Schreiben vom 3. Dezember 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Im rot-grünen Koalitionsvertrag ist das Ziel vorgegeben, bei der Stromerzeugung den Anteil erneuerbarer Energien bis 2025 auf über 30 Prozent zu erhöhen. Nun ist von Seiten der Stromindustrie gewarnt worden, dass es im Zuge der Umstellung der Energieversorgung zu Blackouts kommen könnte, die erheblichen wirtschaftlichen Schaden verursachen könnten. Darüber hinaus betonte die Landesregierung in Person durch Wirtschaftsminister Duin als auch durch die Ministerpräsidentin, dass der Verlust zahlreicher Arbeitsplätze drohe. Sowohl der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Reiner Priggen MdL, als auch Sven Lehmann, Vorsitzender im Landesverband von Bündnis90/Die Grünen, kritisierten diese Äußerungen und betonten, dass die Energiewende zahlreiche Arbeitsplätze neuer kleiner und mittelständischer Betriebe schaffe und keine Gefahr von Blackouts bestünde. Diese widersprüchliche Ausgangslage sorgt für massive Verunsicherung in der Öffentlichkeit und in der Landespolitik. Aufklärung über die Folgen der rot-grünen Energiepolitik als auch Klarheit über den energiepolitischen Kurs ist daher zwingend notwendig. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4534 2 1. Wie viele Arbeitsplätze sind in NRW im Zuge der Energiewende bedroht? Nordrhein-Westfalen ist ein starker Wirtschaftsstandort, der zu den führenden Industrieregionen der Welt gehört. Die für Nordrhein-Westfalen bedeutsamen Sektoren Industrie und Gewerbe unterliegen dabei einem steten strukturellen Wandel. Dieser Wandel wird durch die Energiewende beschleunigt und ist abhängig von der Ausgestaltung der politischen Rahmenbedingungen . Dabei ist es Ziel, die Weiterentwicklung des industriellen Sektors ohne negative Beschäftigungseffekte in NRW zu bewältigen. Die Energiewende birgt ein enormes Potenzial für Wachstum und Beschäftigung sowie Chancen für neue Tätigkeitsfelder, gerade auch in Nordrhein-Westfalen. Insbesondere im Bereich der regenerativen Energiewirtschaft sind positive Beschäftigungseffekte zu erwarten. 2. Wie bewertet die Landesregierung die Wirtschaftlichkeit der Förderung erneuer- barer Energien insbesondere im Hinblick auf die Nachhaltigkeit? Die Erneuerbaren Energien haben inzwischen einen Anteil von knapp 25 % an der deutschen Stromversorgung erreicht. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit seinem Einspeisevorrang und seinen langfristig kalkulierbaren Vergütungssätzen hat sich bisher grundsätzlich bewährt. In dieser Legislaturperiode soll auf Bundesebene eine grundlegende EEGReform erfolgen. Investitionen in Erneuerbare Energien sollen langfristig sicher und kalkulierbar bleiben und der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll weiter fortgesetzt werden können. 3. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung im Zuge der Energiewende für die im internationalen Wettbewerb stehende nordrhein-westfälische Industrie ? Durch die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) für stromintensive Unternehmen des § 40 ff EEG werden bestimmte Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit hohem Stromverbrauch von der EEG-Umlage entlastet. Die BesAR zielt darauf ab, die Stromkosten dieser Unternehmen zu senken und so ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, dass Nordrhein-Westfalen ein guter Standort für stromintensive Industrien mit den darauf aufbauenden Wertschöpfungsketten bleibt. 4. In wie weit ist die Sicherheit der Energieversorgung durch die Energiewende aktuell als auch in der Zukunft gefährdet? Die Bundesnetzagentur (BNetzA) legt jährlich einen „Bericht zum Zustand der leitungsgebundenen Energieversorgung“ vor. Wesentlicher Gegenstand der Betrachtung ist die Systemsicherheit in den Übertragungs- und Fernleitungsnetzen im vorausgegangenen Winterhalbjahr , da in diesem Zeitraum erfahrungsgemäß mit der größten Netzbelastung zu rechnen ist. In dem am 20.06.2013 vorgelegten Bericht 2012/20131 kommt die BNetzA insgesamt zu dem Ergebnis, dass der Winter 2012/13 weniger angespannt verlief als der Winter 2011/12. Dennoch kam es an einigen Tagen zu Belastungssituationen, die durch teilweise umfangreiche Eingriffe der Übertragungsnetzbetreiber beherrscht werden konnten. Dazu war im vergangenen Winter ein Bedarf an Reservekraftwerken in Höhe von 2.400 Megawatt (MW) erforderlich . Dieser konnte aus deutschen und österreichischen Kraftwerken über Verträge mit 1 BNetzA: Bericht zum Zustand der leitungsgebundenen Energieversorgung im Winter 2012/13 vom 20.06.2013 LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4534 3 den Betreibern gedeckt werden. Tatsächlich angefordert wurde im Winterhalbjahr lediglich einmal (29.01.2013) eine Reserveleistung von 900 MW. Die jüngste Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes hat die Möglichkeiten geschaffen, Erzeugungsanlagen , welche vom Betreiber stillgelegt werden sollen, vorläufig im Betrieb zu halten, wenn dies zur Gewährleistung der Systemsicherheit erforderlich ist. Eine Umsetzung dieser Regelungen erfolgte durch die Reservekraftwerksverordnung, die am 27.06.2013 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Die Regelungen kodifizieren das bisher praktizierte Verfahren, wonach die Übertragungsnetzbetreiber jährlich eine Systemanalyse durchführen, um den Bedarf an gesicherter Erzeugungskapazität zu berechnen. Für den Winter 2013/14 hat die BNetzA einen Bedarf an Reservekraftwerken in Höhe von 2.540 MW ermittelt2. 5. Welche Maßnahmen verfolgt die Landesregierung gegen eine potentielle Dein- dustrialisierung NRWs in Folge der Energiewende? Die Landesregierung hat sich eine nachhaltige Industriepolitik zur Leitlinie ihres Handels gesetzt . Sie arbeitet eng mit Vertretern aus Industrie, Mittelstand, Wissenschaft, Kammern und anderen gesellschaftlichen Gruppen wie beispielsweise Gewerkschaften und Umweltverbänden zusammen. Die Landesregierung ist u.a. in folgenden Themenfeldern aktiv: Innovationsförderung , Förderung der Akzeptanz von Industrie und Infrastrukturprojekten, Verbesserung der Kreditversorgung, Stärkung der außenwirtschaftlichen Aktivitäten und der internationalen Wirtschaftsförderung. Die industrielle Produktion war und ist eine Grundlage des Wohlstandes in Nordrhein-Westfalen. Zielrichtung des Handelns der Landesregierung ist die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Eine Industrie, die die Energiewende zu einem zentralen Bestandteil ihres Handelns macht, ist nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung . 2 BNetzA: Feststellung des Reservekraftwerksbedarfs für den Winter 2013/14 und zugleich Bericht über die Ergebnisse der Prüfung der Systemanalyse vom 16.09.2013