LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/464 31.07.2012 Datum des Originals: 31.07.2012/Ausgegeben: 03.08.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 95 vom 4. Juli 2012 des Abgeordneten Dirk Wedel FDP Drucksache 16/171 Ungültigkeit von Eintragungen für Bürgerbegehren und Einwohneranträge Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 95 mit Schreiben vom 31. Juli 2012 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Gemäß § 25 Absatz 4 Satz 2 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NW) sind in den Listen mit Unterzeichnungen von Einwohneranträgen und i.V.m. § 26 Absatz 4 Satz 3 GO NW in denen von Bürgerbegehren Eintragungen, welche die Person des Unterzeichners nach Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Anschrift nicht zweifelsfrei erkennen lassen, ungültig. Soweit die danach erforderlichen Angaben zu Vorname, Name, Anschrift und Geburtsdatum der Unterzeichner in den Unterschriftenlisten nicht vollständig, unleserlich oder fehlerhaft sind, bestehen in der Rechtsprechung unterschiedliche Auffassungen darüber, ob zur Gültigkeit der Eintragung die Identifizierbarkeit der betreffenden Person ausreicht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in den Gründen seines Beschlusses vom 23.06.2011 (Az.: 1 K 5093/08) insoweit festgestellt, dass der Wortlaut des § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW nicht eindeutig ist. Wenn die bloße Ermittelbarkeit der Person des Unterzeichners anhand der in der Vorschrift genannten Angaben ausreichen würde, hätte es nahegelegen, dass der Gesetzgeber dies durch eine entsprechende Formulierung zum Ausdruck bringe. Der Gesetzgeber habe aber gerade nicht den insoweit eindeutigeren Begriff der „Ermittelbarkeit“, sondern den der „Erkennbarkeit“ gewählt. Andererseits habe der Gesetzgeber aber auch auf eine das Erfordernis der Vollständigkeit der Angaben besser verdeutlichende Formulierung LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/464 2 verzichtet, wie er sie z.B. in § 26 Absatz 1 Satz 2 der Kommunalwahlordnung verwendet habe („müssen zur Gültigkeit folgende Angaben enthalten“). Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf ergibt sich allerdings unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift, dass die bloße Identifizierbarkeit des Unterzeichners nicht ausreicht. Die fraglichen Angaben in der Unterschriftenliste sollten es der Gemeinde ermöglichen, die erforderliche Überprüfung der Unterschriftsberechtigung vorzunehmen . Erst die Vollständigkeit der Angaben nach § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW ermögliche es den Gemeinden, diese Aufgabe in einem angemessenen, möglichst kurzen Zeitraum zu erfüllen. Der jeweilige Unterzeichner verdeutliche erst durch seine Unterschrift und die nach § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW geforderten Angaben die Ernsthaftigkeit seiner Unterstützung. Besonderes Gewicht komme in diesem Zusammenhang auch der Verteilung der Verantwortungsbereiche zwischen Initiatoren einerseits und Gemeinde andererseits zu. Denn für die Initiatoren sei es relativ leicht, im Zeitpunkt der Unterschriftsleistung auf eine vollständige Eintragung auch der Angaben nach § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW durch die Unterzeichner hinzuwirken. Für den einzelnen Unterzeichner stelle dies auch keinen großen Aufwand dar. Für die Gemeinde sei es dagegen, insbesondere bei einer großen Anzahl erforderlicher Unterschriften , mit einem erheblichen Aufwand verbunden, nicht eindeutige bzw. unvollständige Angaben im Nachhinein im Einzelnen zu ermitteln. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat dagegen die insoweit identische Vorschrift des § 22a Absatz 3 Satz 2 Ziffer 1 der niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) i.V.m. § 22b Absatz 4 Satz 2 NGO mit Urteil vom 11.11.2009 (Az.: 5 A 120/09) dahingehend ausgelegt, dass für die Gültigkeit der Stimmen entscheidend ist, ob die von den Unterzeichnern bei ihrer Stimmabgabe vorgenommenen Angaben ausreichen, dass die Personen zweifelsfrei erkannt werden. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Lüneburg dürfte das neben den Fällen, in denen die Adressen vollständig angegeben sind auch in den Fällen zutreffen, in denen der Wohnort, nicht aber die Straße angegeben worden ist. In diesen Fällen dürfe es für die Kommune in der Regel ohne größere Schwierigkeiten möglich sein, die Unterzeichner, ggfs. unter Abgleich mit Wählerverzeichnissen, zu identifizieren. Entsprechend sei bei den Unterschriften ohne Ortsangabe und nur mit der Angabe der Straße zu verfahren. Nur wenn eine eindeutige Identifizierung auf diesem Wege nicht möglich ist, sei die Gemeinde zu weiteren Nachforschungen über die Identität der Person nicht verpflichtet und könne diese Stimmen unberücksichtigt lassen. 1. Inwieweit sind nach Auffassung der Landesregierung Eintragungen in den Un- terschriftslisten gültig, soweit die nach § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW erforderlichen Angaben zu Vorname, Name, Anschrift und Geburtsdatum der Unterzeichner in den Unterschriftenlisten nicht vollständig, unleserlich oder fehlerhaft sind? Inwieweit unvollständige, unleserliche oder fehlerhafte Angaben zu den persönlichen Daten der Unterzeichner zur Ungültigkeit der Eintragungen in den Unterschriftenlisten zu Einwohneranträgen und Bürgerbegehren führen, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Ob für die Gültigkeit der Eintragungen deren Vollständigkeit, Leserlichkeit und Fehlerlosigkeit erforderlich ist, oder eine Identifizierbarkeit der Unterzeichner ausreicht, ist eine Frage der Auslegung der entsprechenden Normen der Gemeindeordnung. Die verbindliche Feststellung einer bestehenden Rechtslage durch Auslegung der gesetzlichen Normen ist aber nicht die Aufgabe der Landesregierung sondern der Gerichte. Im Übrigen entscheiden die Kommunen in eigener Zuständigkeit, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Einwohneranträgen bzw. Bürgerbegehren erfüllt sind. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/464 3 2. Wie gestaltet sich insoweit die entsprechende Verwaltungspraxis in den nordrhein -westfälischen Kommunen (soweit unterschiedlich bitte jeweils die entsprechenden Kommunen auflisten)? 4. In welchen Fällen sind Eintragungen, in denen die nach § 24 Absatz 4 Satz 2 GO NW erforderlichen Angaben zu Vorname, Name, Anschrift und Geburtsdatum der Unterzeichner in den Unterschriftenlisten nicht vollständig, unleserlich oder fehlerhaft waren, zumindest mitursächlich dafür gewesen, dass Einwohneranträge bzw. Bürgerbegehren für unzulässig erklärt worden sind (bitte tabellarisch nach Kommune, Begehren, Anzahl der nicht vollständigen, unleserlichen oder fehlerhaften Eintragungen auflisten)? Die zur Beantwortung der Fragen erforderlichen Daten konnten in dem zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeitraum bei den Kommunen nicht abgefragt werden . 3. Stellt nach Auffassung der Landesregierung die Anzahl der Eintragungen, in de- nen die nach § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW erforderlichen Angaben zu Vorname, Name, Anschrift und Geburtsdatum der Unterzeichner in den Unterschriftenlisten nicht vollständig, unleserlich oder fehlerhaft sind, ein taugliches Differenzierungskriterium hinsichtlich der Gültigkeit von Eintragungen dar? Die Anzahl der Eintragungen wurde vereinzelt von den Gerichten als Differenzierungskriterium herangezogen, um den Aufwand einzugrenzen, der für die Identifizierung der Unterzeichner anhand von unvollständigen, unleserlichen oder fehlerhaften Eintragungen erforderlich ist. Ob die Gerichte damit ein taugliches Differenzierungskriterium hinsichtlich der Gültigkeit der Eintragungen herangezogen haben, wird von der Landesregierung nicht bewertet. 5. Besteht nach Auffassung der Landesregierung in Bezug auf § 25 Absatz 4 Satz 2 GO NW Bedarf für eine Klärung durch den Gesetzgeber? Der Landesregierung sind keine Fälle aus den Kommunen berichtet worden, die eine gesetzgeberische Klarstellung in § 25 Absatz 4 Satz GO NRW erforderlich machen würden.