LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4662 18.12.2013 Datum des Originals: 18.12.2013/Ausgegeben: 20.12.2013 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1756 vom 13. November 2013 der Abgeordneten Yvonne Gebauer FDP Drucksache 16/4387 Wie bewertet die Schulministerin das Vorgehen des grünen Stadtverbands in Neuss, der anlässlich seines 30-jährigen Parteibestehens Schulen mit „ökologischen Filmen beschenkt“? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1756 mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Neuss verteilt der Stadtverband von Bündnis 90/Die Grünen laut Pressemeldungen 30 DVD´s an die dortigen Schulen. Laut des grünen Stadtverbandes und entsprechend der Lokalpresse war zu entnehmen, dass diese „Schenkungsaktion“ anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Stadtverbands der grünen Partei erfolge. Bei den Filmen handele es sich um verschiedene Dokumentarfilme zu Umweltthemen. Im Grundschulbereich würden Filme namens „Mikrokosmos“ oder „More than honey“ verteilt, die „das Leben in der Natur zeigen“. Zu „aktuellen Umweltfragen“ handele es sich um Filme für die weiterführenden Schulen wie „Plastic planet“ oder „Taste the waste“. Dem Internetauftritt von Bündnis 90/ Die Grünen aus Neuss ist zu entnehmen, dass entsprechende „Geschenke“ Ende September offensichtlich auch angenommen wurden. Ohne eine inhaltliche Bewertung der genannten Filme vornehmen zu wollen, stellt sich die Frage, wie zulässig ein solches Vorgehen des grünen Stadtverbands in Neuss ist und ob es sich nicht letztlich auch um gezielte politische Einflussnahme auf Schülerinnen und Schüler handelt. Laut Eigenanspruch von Bündnis 90/ Die Grünen verstehen sie sich als ökologische Partei; auch ist davon auszugehen, dass die genannten Filme vermutlich nicht im Gegensatz zu den umweltpolitischen Überzeugungen der Grünen stehen dürften. Insofern könnte sich hier der Verdacht aufdrängen, dass es sich um eine subtile Form der politischen Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche in unseren Schulen handeln könnte. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4662 2 Dieser Eindruck wird auch durch die diesbezüglich – durchaus zweideutige – Aussage des Sprechers des grünen Stadtverbandes verstärkt, der zu der Aktion erklärt hat: „Wir wollen diese Filme als „Samenkörner“ in die Hände der Lehrerinnen und Lehrer legen in der Hoffnung , dass die Kinder und Jugendliche über diese Filme Zugang zur Natur finden und dass die Lehrerinnen und Lehrer mit ihnen über die Notwendigkeit des Schutzes der Natur und die endlichen Ressourcen unserer Erde ins Gespräch kommen.“ Dass diese „Samenkörner“ dann vermutlich nicht nur als Interesse an ökologischen Themen, sondern auch mit einer bestimmten Sichtweise auf einzelne Themen und als politisches Interesse an „grünen Themen “ aufgehen könnten/sollten, scheint angesichts dieser Aussage kaum von der Hand zu weisen. Schulgesetzlich besteht das grundsätzliche Verbot politischer Werbung. Auch sind Pädagogen dazu verpflichtet, in der Schule keine politischen Bekundungen abzugeben, die geeignet wären, die Neutralität des Landes gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern zu gefährden oder zu stören. Da die Schulverwaltung unter Schulministerin Löhrmann auf der Basis des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit Verve gegen kritische pädagogische Meinungsäußerungen vorgeht, ist es interessant zu erfahren, wie die Ministerin für Schule und Weiterbildung das Vorgehen des Stadtverbands von Bündnis 90/ Die Grünen in Neuss bewertet. Vorbemerkung der Landesregierung Schulen wurden vom Stadtverband Neuss BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Schreiben vom 20.9.2013 darüber informiert, dass aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Stadtverbandes dreißig DVDs verschenkt werden sollten. In dem Schreiben wurde der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die Kinder und Jugendlichen über die Filme Zugang zur Natur finden und dass die Filme dazu dienen, über die Notwendigkeit des Schutzes der Natur und die endlichen Ressourcen unserer Erde ins Gespräch zu kommen. Insgesamt haben vier Grundschulen, drei Gesamtschulen, eine Sekundarschule und ein Gymnasium der Stadt Neuss DVDs erhalten. Die Aushändigung der Filme erfolgte in sechs Fällen über Parteimitglieder , zweimal über ein Elternteil und einmal postalisch. Die Übergabe erfolgte ohne weiteren Hinweis auf die Partei. Inhaltlich handelt es sich bei den Filmen um Dokumentarfilme, die sich mit verschiedenen umweltpolitischen Themen befassen. Nach jetzigem Kenntnisstand wurden die Filme bisher nicht im Unterricht eingesetzt, da sie noch nicht von den betroffenen Lehrkräften und Schulleitungen eingesehen wurden. 1. Wenn der Schulministerin bekannt gewesen ist, dass vom Neusser Stadtverband von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN Filme an die Schulen in Neuss verteilt werden bzw. wurden, hat sie dann in irgendeiner Form gehandelt? Die Verteilung der DVDs war der Schulministerin nicht bekannt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4662 3 2. Hält es die Ministerin für Schule und Weiterbildung angesichts des Schutzbedürfnisses von Schülerinnen und Schülern vor unzulässiger politischer Einflussnahme für angebracht, das 30-jährige Bestehen einer politischen Partei in einer Stadt mit „inhaltlichen Geschenken“ für Schulen zu dem politischen „Hauptthema“ dieser Partei zu „feiern“? Es ist nicht erkennbar, warum durch das Verteilen von Dokumentarfilmen zu umweltpolitischen Themen das Schutzbedürfnis von Schülerinnen und Schülern vor unzulässiger politischer Einflussnahme tangiert sein könnte, zumal das Filmmaterial keinen Hinweis auf die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN enthält. Natur- und Umweltschutz ist nach Einschätzung der Landesregierung ein Thema aller im Landtag vertretenen Parteien. 3. Wie bewertet die Schulministerin das beschriebene Vorgehen der Neusser Grünen auf der schulgesetzlichen Basis des grundsätzlichen Verbots politischer Werbung in Schulen? Da vorliegend die Übergabe bzw. Übersendung ohne weitere besondere Hinweise auf die Partei oder Auflagen zur Nutzung und somit ohne Parteiwerbung erfolgte, ist keine Verletzung des Neutralitätsgebotes des § 2 SchulG erkennbar. Bei den Filmen handelt es sich lediglich um Dokumentarfilme, die sich mit umweltpolitischen Problemen auseinandersetzen, die im Unterricht aufgegriffen werden können und keinen direkten Bezug auf die Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben. 4. Widerspricht aus Sicht der Ministerin für Schule und Weiterbildung die Annahme inhaltlicher – zweifellos auch parteipolitisch fundierter – „Geschenke“ zum 30- jährigen Bestehen eines Stadtverbandes einer Partei den diesbezüglichen rechtlichen Vorgaben für Lehrerinnen und Lehrer? Nein. Ein Widerspruch zu § 42 BeamtStG und § 59 LBG sowie den Verwaltungsvorschriften hierzu ist nicht erkennbar. 5. Sollte die Ministerin für Schule und Weiterbildung das Vorgehen des Neusser Stadtverbands der Grünen nicht als unzulässig bewerten: Wo zieht die Schulministerin anhand des geschilderten Falls die Grenze, an der das grundsätzliche Verbot politischer Werbung überschritten wäre? Die Grenze ergibt sich aus dem Gebot der Unparteilichkeit gemäß § 2 SchulG. Hiernach darf die Schule nicht einseitig Partei zu Gunsten oder zu Ungunsten gesellschaftlicher oder politischer Gruppen und Interessenverbände nehmen. Jegliche Form von einseitiger Indoktrinierung durch die Schule, mithin jede gezielte einseitige Beeinflussung, die über das hinausgeht , was Schule an gesetzlichen Werten und Haltungen vermitteln soll, ist ausgeschlossen.