LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4678 20.12.2013 Datum des Originals: 18.12.2013/Ausgegeben: 02.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1755 vom 11. November 2013 der Abgeordneten Ralf Witzel, Thomas Nückel und Holger Ellerbrock FDP Drucksache 16/4383 Unbesetzte Schulleitungsstellen im Ruhrgebiet – Mit welchen Maßnahmen begegnet die Landesregierung dieser aktuellen Problematik in den einzelnen Städten im Gebiet des Regionalverbandes Ruhr? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1755 mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Seit den 1990er Jahren spitzt sich die Lage im Hinblick auf unbesetzte Funktionsstellen im Schulbereich immer mehr zu. Lehrerverbände, Personalvertretungen und auch die Politik weisen regelmäßig auf diese dramatische Fehlentwicklung hin, jedoch leider bislang ohne nachhaltige Wirkung. Insbesondere im Grundschulbereich müssen Schulleitungsstellen oft mehrfach neu ausgeschrieben werden, bis sich ein Bewerber findet. Am Ende erfolgreiche Besetzungen ergeben sich oftmals nur deshalb, weil die Schulräte vor Ort persönlich und gezielt engagierte Lehrer ansprechen und von einer Bewerbung überzeugen. Die Folge ist dann, dass aufgrund des geringen Bewerberinteresses auch keine echte Auswahlmöglichkeit mehr besteht. Bereits am 9. März 2013 sind beispielsweise in der Rheinischen Post unter der Überschrift „Bezahlung zu gering: Jede siebte Schule ohne Direktor“ aktuelle Zahlen für NordrheinWestfalen veröffentlicht worden. Danach fehlen in unserem Land 2013 insgesamt für alle Schulformen 704 Schulleiter; im Vorjahr waren es 565. Das bedeutet, dass inzwischen jede achte der insgesamt 5.776 Schulen ohne Direktor ist. Zudem sind 1.079 Stellvertretungen nicht besetzt. Von den 2.104 Grundschulen sind 573 ohne Leitung. An zweiter Stelle folgen die Hauptschulen, 197 von 588 haben im Frühjahr diesen Jahres keinen Direktor gehabt. Als Quelle wird der Verband Bildung und Erziehung (VBE) genannt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4678 2 In der Neuen Ruhr Zeitung vom 6. November 2013 bekräftigt der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann im Zusammenhang mit der Debatte über den aktuellen Personalhaushalt des Landes auch ganz aktuell seine Kritik und weist erneut auf die dramatische Lage in den Schulen hin. Dort heißt es unter anderem: „"Ein Rektor ist in der Regel auch sein eigener Hausmeister und seine eigene Sekretärin", kritisiert Udo Beckmann, Chef des Lehrerverbands VBE. Kaum "Leitungszeit" für Verwaltungsarbeit und eine zu geringe Bezahlung der Konrektoren seien Hauptgründe für den fast chronischen Bewerbermangel im Grundschulbereich.“ Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bezeichnet in der genannten Ausgabe der Neue Ruhr Zeitung die Lage vor allem im Grundschulbereich als „fatal“. Die Ursachen dafür, dass sich immer weniger Lehrer für eine Funktionsstelle interessieren, sind vielfältig. Hauptursache für die Misere ist die fehlende Attraktivität: Eine Lehrkraft erhält bei Übernahme der Leitung einer Grundschule bis zu 500 Euro brutto im Monat zusätzlich, ein Konrektor 157 Euro. Diese Zulagen reizen offenbar immer weniger Pädagogen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Auch beklagt Udo Beckmann (VBE), dass Schulleiter häufig auf sich alleine gestellt sind und seitens des Landes kaum Unterstützung bei den für sie neuen und unbekannten Herausforderungen erhalten. Auf der anderen Seite hat sich das Anforderungsprofil an Schulleiter über die Jahre enorm verändert. Die Aufgaben, die die Schulleitung zu leisten hat, sind ständig erweitert worden, offensichtlich ohne den Umfang der verbleibenden Unterrichtsverpflichtung in dem Maße zu reduzieren, dass Schulleitungsaufgaben auch verantwortlich bewältigt werden können. So bewirtschaften die Schulen ihre Haushaltsmittel weitestgehend selbständig, und zusätzliche Betreuungsangebote – wie im Offenen Ganztag – müssen organisiert, Lehrer eingestellt und dienstlich beurteilt sowie die Ausbildung der Referendare koordiniert werden, um nur einige veränderte Herausforderungen aufzuführen. Auch die gewachsene Rechenschaftspflicht, die Profilbildung der Schulen vor dem Hintergrund rückläufiger Schülerzahlen wie die positive Repräsentanz der Schule in der Öffentlichkeit nehmen die Schulleiter zeitlich wie fachlich in die Pflicht. Gerade engagierten Schulleitern kommt eine ganz wesentliche Rolle für die Sicherung und Weiterentwicklung der Bildungsqualität an unseren Schulen zu. Schließlich sind diese die Fachleute vor Ort, die die Stärken und Schwächen ihrer Schule, der Kollegen sowie ihrer Schüler kennen und mit ihrem Fachwissen und Know-How Motor der Schulentwicklung sind. Umso dramatischer ist die Situation, wenn Leitungsstellen nicht besetzt werden können oder lange Zeit vakant sind. In der RVR-Region ist dieser Sachverhalt von besonderer Relevanz, da hier zusätzlich in überdurchschnittlichem Maße sozialräumliche Disparitäten auszugleichen sind und gute Bildungschancen auch in zahlreichen Problemquartieren geschaffen werden müssen. Für das Landesparlament ist es daher von hohem Interesse zu erfahren, wie sich aktuell die Besetzungssituation der Leitungsstellen im laufenden Schuljahr bis zum jetzigen Zeitpunkt in den einzelnen Städten des RVR-Gebietes sowie insgesamt in der Ruhrregion entwickelt hat. Für die nachfolgenden Fragestellungen soll die Bezeichnung „Schulleitungsstelle“ begrifflich stets die Stelle des ersten Leiters sowie der Stellvertretungen umfassen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4678 3 1. Wie viele Schulleitungsstellen sind seit Schuljahresbeginn 2010/2011 bis zum jetzigen Zeitpunkt in der RVR-Region unbesetzt geblieben? (Bitte jeweils jährlich nach Schulleiterstellen und Schulleitervertreterstellen in absoluten Zahlen und in Relation zu der Gesamtzahl aller Schulleitungsstellen in der RVR-Region aufgeschlüsselt darstellen). 3. Wie viele Schulleitungsstellen sind seit Schuljahresbeginn 2010/2011 bis zum jetzigen Zeitpunkt, differenziert nach Schulformen, jeweils in den einzelnen Städten des RVR-Gebietes unbesetzt? (bitte jährlich in absoluten Zahlen und in Relation zur jeweiligen Gesamtzahl an Schulleitungsstellen der einzelnen Schulformen in den entsprechenden RVR-Kommunen aufgeschlüsselt darstellen). Die Fragen 1 und 3 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die unbesetzten Stellen für die Schulleiterinnen und Schulleiter in der RVR-Region nach dem Stand am 26. November 2013 ergeben sich aus der Anlage. Die Vakanzen für den Zeitraum „seit Schuljahresbeginn 2010/2011“ können nicht abgebildet werden. Die Besetzungsinformationen werden aus dem Schulinformations- und Planungssystem (SchIPS) abgefragt, welches keine historischen Datenbestände enthält. Durch die regionale Zuordnung, die nicht auf Regierungsbezirke und Schulamtsbezirke bezogen ist, müssen die Zahlen aus dem Schulinformations- und Planungssystem SchIPS auf Schulebene erhoben werden. Für die Erhebung von Vakanzen für Stellvertreterinnen und Stellvertreter wären umfangreiche Programmierarbeiten erforderlich, die in der für eine Beantwortung einer Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht geleistet werden können. Die Zahlen für Stellvertreterinnen und Stellvertreter sind daher in der Übersicht nicht enthalten. 2. Wie viele Schulleitungsstellen sind seit Schuljahresbeginn 2010/2011 bis zum jetzigen Zeitpunkt in der RVR-Region an den jeweiligen Schulformen unbesetzt? (bitte jährlich nach Schulleiterstellen sowie Schulleitervertreterstellen der jeweiligen Schulformen in absoluten Zahlen und in Relation zur Gesamtzahl aller Schulleitungsstellen der einzelnen Schulformen in der RVR-Region aufgeschlüsselt darstellen). Die Vakanzen bei den Stellen für die Schulleiterinnen und Schulleiter in der RVR-Region nach Schulformen ergeben sich aus der nachstehenden Übersicht (Stand: 26. November 2013): LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4678 4 Schulform unbesetzte Schulleitungen absolut unbesetzte Schulleitungen Prozent Berufskolleg 6 8,22 Förderschule 14 8,24 Gemeinschaftsschule 0 0,00 Gesamtschule 8 9,09 Grundschule 114 14,45 Gymnasium 6 4,23 Hauptschule 26 23,01 Realschule 13 10,16 Sekundarschule 1 7,69 Weiterbildungskolleg 0 0,00 Gesamt 188 12,29 Die Vakanzen für den zurückliegenden Zeitraum „seit Schuljahresbeginn 2010/2011“ sowie die Vakanzen der Stellvertreterinnen und Stellvertreter können aus den in der Antwort zu den Fragen 1 und 3 genannten Gründen nicht angegeben werden. 4. Wie stellt sich quantitativ und qualitativ der Unterschied der Schulleiterbesetzung im Vergleich des RVR-Gebietes zum sonstigen Landesdurchschnitt dar? Die Besetzung der Stellen für Schulleiterinnen und Schulleiter im Land Nordrhein-Westfalen ergibt sich aus der nachfolgenden Aufstellung: Schulform unbesetzte Schulleitungen absolut unbesetzte Schulleitungen Prozent Berufskolleg 16 6,45 Förderschule 59 9,66 Gemeinschaftsschule 2 16,67 Gesamtschule 25 9,65 Grundschule 350 12,11 Gymnasium 20 3,93 Hauptschule 160 30,36 PRIMUS 1 100 Realschule 61 12,03 Sekundarschule 14 18,42 Weiterbildungskolleg 7 14,89 Gesamt 715 12,57 Insgesamt weist die Besetzungslage in der RVR-Region gegenüber der Besetzungslage im Land keine signifikanten Unterschiede auf. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4678 5 Ein Vergleich der Schulformen in der RVR-Region mit den Gesamtzahlen in NordrheinWestfalen ist wegen der zum Teil geringen Anzahl von Schulen in einzelnen Schulformen in der RVR-Region wenig aussagekräftig. 5. Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Landesregierung bislang, aktuell und zukünftig, um die Attraktivität der Übernahme einer Schulleitungsstelle in der RVRRegion und landesweit zu erhöhen? Der Landesregierung ist bewusst, dass jede einzelne nicht besetzte Leitungsstelle für die betroffenen Schulen, die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern eine besondere Belastung darstellt. Aus diesem Grunde versuchen die für die Stellenbesetzungen zuständigen Bezirksregierungen, Vakanzen so schnell wie möglich zu schließen. Es wird zügig ausgeschrieben und potentielle Bewerberinnen und Bewerber werden angesprochen, um zusätzliche Schulleiterinnen und Schulleiter zu gewinnen. Lehrerinnen und Lehrer, die einen Einsatz in der Schulleitung anstreben, werden frühzeitig und umfassend auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Zudem wird seit dem Haushalt 2011 nach und nach die Leitungszeit ausgebaut, um Schulleiterinnen und Schulleiter zusätzlich zu entlasten. Mit dem Haushalt 2011 wurden Grundschulen 340 Stellen, mit dem Haushalt 2012 für die größeren Systeme 224 Stellen und mit dem Haushalt 2013 197 Stellen zusätzlich für die Erhöhung der Leitungszeit zur Verfügung gestellt. Auch der Haushaltsentwurf 2014 sieht einen weiteren Ausbau von 109 Stellen an Grundschulen vor. Insgesamt werden damit erhebliche zusätzliche Ressourcen für Leitungszeit eingesetzt. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass durch die Vertretungsregelung im Schulgesetz (§ 60 Abs. 2) stets gewährleistet ist, dass die Schulleitungsaufgaben wahrgenommen werden.