LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4694 02.01.2014 Datum des Originals: 20.12.2013/Ausgegeben: 07.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1773 vom 20. November 2013 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4476 Gesetzesvorschriften und Anwendungspraxis beim Sabbatjahr in Nordrhein-Westfalen – Wie bewertet die Landesregierung die bisherigen Erfahrungen mit der Praktikabilität und Inanspruchnahme des Arbeitszeitmodell nach § 78 b (4) Landesbeamtengesetz? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1773 mit Schreiben vom 20. Dezember 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Das sogenannte Sabbatjahr erfreut sich steigender Beliebtheit. Neben dem Sabbatjahr für Lehrer gilt dies insbesondere für Beamte und Angestellte des Öffentlichen Dienstes. Diese unterschiedlichen Modelle zur Gestaltung eines Sabbatjahres im Öffentlichen Dienst des Bundes und in den 16 Bundesländern finden teilweise auch Entsprechungen bei privaten Arbeitgebern. Der große Vorteil für Beschäftigte in den öffentlichen Verwaltungen ist jedoch, dass es – zumeist anders als in der Wirtschaft – klare Ansprüche und Regelungen für die Durchführung eines Sabbatjahres gibt. In der Wirtschaft ist es oft nur großen Unternehmen überhaupt möglich, ihren Beschäftigten ein Sabbatjahr zu ermöglichen. In dem unabhängigen Informationsportal zu diesem Thema Sabbatjahr www.sabbatjahr.org ist beispielsweise nachzulesen, dass die Ursachen für die oft vergleichsweise großzügigen Regelungen für Beamte historisch bedingt sind: Einerseits hat das Sabbatjahr in Forschung und Lehre die längste Tradition in Deutschland, und andererseits ist in den 1980er Jahren in Deutschland ein großer Personalbestand an Lehrern aufgebaut worden, der dafür gesorgt hat, dass gerne Sabbatjahre vergeben worden sind. Die Regelungen zum Sabbatjahr variieren zwischen den einzelnen Bundesländern, und auch im Bund gibt es bislang ein eigenes Modell. In Nordrhein-Westfalen sind die Regelungen LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4694 2 zum Sabbatjahr für Beamte sowie Angestellte des öffentlichen Dienstes im Landesbeamtengesetz § 78 b (4) festgehalten: „Teilzeitbeschäftigung nach Absatz 1 kann auf Antrag auch in der Weise bewilligt werden, dass dem Beamten gestattet wird, auf die Dauer von drei bis sieben Jahren die Arbeitszeit auf zwei Drittel bis sechs Siebtel der regelmäßigen Arbeitszeit mit der Maßgabe zu ermäßigen , dass er zwei bis sechs Jahre voll beschäftigt und anschließend ein ganzes Jahr voll vom Dienst freigestellt wird. Satz 1 gilt entsprechend für die Fälle, in denen die angestrebte volle Freistellung weniger als ein Jahr betragen soll oder in denen dem Beamten bereits eine Teilzeitbeschäftigung nach Absatz 1 oder nach § 78 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in der bis zum 28. Februar 1998 geltenden Fassung bewilligt worden ist.“ Grundsätzliche Voraussetzung für die Bewilligung eines Sabbatjahres ist, dass dem Antrag keine dienstlichen Belange entgegenstehen. Es ist außerdem grundsätzlich die Unterteilung in eine Anspar- oder Arbeitsphase und eine Freistellungsphase vorgesehen. Die häufigste Variante des Sabbatjahres ist eine einmalige, meist einjährige Freistellung vom Dienst nach einer gewissen Zeit der Ansparphase. Vor einer Rückkehr wird genau geregelt, in welchen Bereich und auf welchen Arbeitsplatz der Beschäftigte zurückkehrt. Vor- oder Nachteile sollen dem Dienstherrn durch die Ermöglichung eines Sabbatjahres idealerweise nicht entstehen. Die Gründe, aus denen sich Beamte und Angestellte für ein Sabbatjahr entscheiden, sind vielfältig und reichen von dem Wunsch, eine längere Reise zu unternehmen, über private Motive oder krankheitsbedingte Ursachen (wie Burn-Out) bis hin zu beruflichen Interessen von Beschäftigten, die beispielsweise konzentriert einen akademischen Titel erwerben oder eine umfangreiche Qualifizierung absolvieren möchten. Unabhängig vom individuellen Grund der Beantragung muss ein Sabbatjahr jeweils gründlich von beiden Seiten vorbereitet und rechtzeitig geplant werden. Für das Ziel, den öffentlichen Dienst als Arbeitsplatz im Wettbewerb mit privater Konkurrenz attraktiv zu gestalten, ist ein Modell wie das Sabbatjahr ein interessanter Baustein. Um diese Angebote zugleich in ihren konkreten Konsequenzen für Dienstherrn und Beschäftigte auch für künftige Entscheidungen angemessen beurteilen zu können, ist nun eine umfassende Informationen des Parlaments zur bisherigen Inanspruchnahme und Praktikabilität dieser besonderen Arbeitszeitmodelle angeraten. Für nachfolgende Fragen meint der Begriff des „Beschäftigten“ unabhängig vom konkreten Anstellungsstatus jeweils gleichsam die Landesbeamten wie Tarifangestellten. Vorbemerkung der Landesregierung Das sogenannte Sabbatjahr in seinen verschiedenen Varianten gehört seit Langem zu den Teilzeitmöglichkeiten im öffentlichen Dienst des Landes NRW. Sicherlich handelt es sich um einen attraktiven Weg, im Berufsleben Raum für die Verwirklichung individueller und privater Ziele zu eröffnen. Bevor ein Sabbatjahr genehmigt wird, ist jedoch stets zu prüfen, ob dienstliche Gründe bzw. zwingende dienstliche Gründe dem entgegenstehen. Hier können die Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich sein und sich auf der Zeitschiene - z.B. bedingt durch den demographischen Wandel - verändern. Rechtsgrundlage für das Sabbatjahr bei Beamtinnen und Beamten ist seit 2009 § 64 des Landesbeamtengesetztes. Für Tarifbeschäftigte gilt § 11 Absatz 2 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder. Die Inanspruchnahme des Sabbatjahres durch Richterinnen und Richter ist in § 6 c Absatz 3 des Landesrichtergesetzes geregelt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4694 3 1. Wie viele Beschäftigte des Landes haben, jeweils differenziert nach Ressort, Laufbahngruppe, Alter und Geschlecht, in den vergangenen drei Jahren ein Sabbatjahr beantragt oder bereits durchgeführt? Die nachfolgende Tabelle umfasst die im Zeitraum vom 01.12.2010 bis 01.12.2013 beantragten oder durchgeführten Sabbatjahre. Ressort gesamt männ- lich weiblich h.D. g.D. m.D. e.D. Ministerium für Schule und Weiterbildung 1 3141 783 2358 1118 2022 1 Finanzministerium 43 19 24 4 33 6 Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales 0 Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr 3 0 Justizministerium 26 2 9 2 17 2 14 2 5 6 1 Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz 3 3 1 2 Ministerium für Inneres und Kommunales (einschließlich Bezirksregierungen ) 145 98 47 4 134 7 Ministerium für Familie, Kinder, Jugend , Kultur und Sport 1 1 1 Ministerium für Gesundheit, Emanzipation , Pflege und Alter 0 Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung 2 1 1 2 1 Beschäftigte, die sich am Stichtag 2.12.2013 in einem laufenden Sabbatjahr-Modell befanden. 2 Einschließlich der Richterinnen und Richter. 3 Angaben beziehen sich auf den Zeitraum ab dem 01.09.2012. Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk 0 Ministerpräsidentin einschließlich Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien 0 3361 913 2448 1143 2197 20 1 Die angegebenen Zahlen sind zum Teil geschätzt, da nicht in allen Bereichen eine Erhebung der exakten Zahlen im für die Beantwortung Kleiner Anfragen gegebenen Zeitrahmen möglich war. Eine Aufschlüsselung nach Altersgruppen ist nicht möglich, da dies eine Prüfung der Einzelvorgänge anhand der Akten vorausgesetzt hätte. Dies war im für die Beantwortung Kleiner Anfragen gegebenen Zeitrahmen nicht möglich. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4694 4 2. In wie vielen Fällen ist dabei der Antrag auf ein Sabbatjahr durch den jeweiligen Dienstvorgesetzten, bitte differenziert nach Ressorts und den wichtigsten Ablehnungsgründen , in den vergangenen drei Jahren abgelehnt worden? Die nachfolgende Tabelle umfasst die im Zeitraum vom 01.12.2010 bis 01.12.2013 abgelehnten Anträge auf Sabbatjahre. Ressort Zahl der abgelehn- ten Anträge Ministerium für Schule und Weiterbildung 1 k.A. Finanzministerium 1 Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales 0 Ministerium für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr 0 Justizministerium 2 1 Eine Statistik über abgelehnte Anträge wird im Geschäftsbereich nicht geführt. Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz 0 Ministerium für Inneres und Kommunales (einschließlich Bezirksregierungen ) 7 Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport 0 Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter 0 Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung 0 Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk 0 Ministerpräsidentin einschließlich Ministerin für Bundesangelegenheiten , Europa und Medien 0 10 Die angegebenen Zahlen sind zum Teil geschätzt, da nicht in allen Bereichen eine Erhebung der exakten Zahlen im für die Beantwortung Kleiner Anfragen gegebenen Zeitrahmen möglich war. Eine Angabe der wichtigsten Ablehnungsgründe ist aus den oben genannten Gründen nicht möglich (siehe Antwort zu Frage 1). 3. Für welche Variante der Anspar- und Freistellungsphase haben sich die nord- rhein-westfälischen Beschäftigten am häufigsten entschieden? Am häufigsten wurden Varianten mit einer Gesamtlaufzeit (einschließlich Anspar- und Freistellungsphase ) von drei oder vier Jahren gewählt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4694 5 4. Wie stellt sich die Fallzahl von beantragten sowie genehmigten Sabbatjahren innerhalb des Öffentlichen Dienstes in Nordrhein-Westfalen in den letzten drei Jahren jeweils im Vergleich zum Bund sowie den 15 weiteren Bundesländern dar? Informationen über Vergleichszahlen des Bundes und der anderen Bundesländer liegen der Landesregierung nicht vor. Diese einzuholen war im für die Beantwortung Kleiner Anfragen gegebenen Zeitrahmen nicht möglich. Hinzu kommt, dass dies mit einem sehr erheblichen Aufwand auch für den Bund und die anderen Bundesländer verbunden wäre. Da der Bund und die anderen Bundesländer dem Landtag NRW nicht zu Auskünften verpflichtet sind, ist fraglich, ob überhaupt entsprechende Auskünfte zu erhalten wären. 5. In wie vielen Fällen absolut und prozentual hat die Gewährung eines Sabbatjah- res in den letzten drei Jahren einerseits zu Problemen für Dienststelle oder Dienstherrn geführt oder sich andererseits gerade als ein wertvolles Instrument zur Attraktivitätssteigerung und Personalbindung des Öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber erwiesen? Auch die Beantwortung dieser Frage würde eine Prüfung sämtlicher Einzelfälle anhand der Akten sowie eine Befragung der jeweiligen Dienstvorgesetzten zu allen Einzelfällen voraussetzen . Dies war im für die Beantwortung Kleiner Anfragen gegebenen Zeitrahmen nicht möglich. Zudem lässt die Frage nach „Problemen für die Dienststelle“ einen weiten Interpretationsspielraum . Ob sich das Sabbatjahr als wertvolles Instrument zur Attraktivitätssteigerung und Personalbindung erwiesen hat, wird für die Dienststellen selten erkennbar sein, da Entscheidungen für oder gegen einen Arbeitsplatz seitens der Beschäftigten meist aufgrund eines Bündels von Motiven getroffen werden, die der Dienststelle in aller Regel nicht vollständig bekannt sein werden.