LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4695 02.01.2014 Datum des Originals: 20.12.2013/Ausgegeben: 07.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1768 vom 19. November 2013 der Abgeordneten Kirstin Korte CDU Drucksache 16/4471 Wie ist der Polizeieinsatz in Zusammenhang mit psychisch erkrankten Menschen und die Zusammenarbeit mit WTG-Behörden in Nordrhein-Westfalen geregelt? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1768 mit schreiben vom 20. Dezember 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Eine Vielzahl von Menschen mit psychischen Erkrankungen lebt in unserer Gesellschaft. Ein Teil von ihnen wird aufgrund verschiedener Rechtsgrundlagen in geschlossenen Einrichtungen behandelt. Ein Hauptziel ist es, die Wiedereingliederung der Betroffenen in angemessen kurzer Zeit zu ermöglichen. Deshalb gibt es in den Einrichtungen regelmäßig gestaffelte Formen der Betreuungsintensität. Systemimmanent sind Rückfälle der betroffenen Patienten, im Einzelfall mit einer solchen Intensität, dass die eigenen Mittel und Konzepte der betroffenen Einrichtungen nicht ausreichen und die Polizei zur Gefahrenabwehr (Fremd- und/oder Eigengefährdung) um Hilfe gebeten werden muss. Auch bei notwendigen Einweisungen von akut kranken Menschen kommt es regelmäßig zu Eigen- und Fremdgefährdungen, die den Einsatz der Polizei notwendig machen. 1. Wie viele Einsätze hat die Polizei im Jahr 2012 gegenüber psychisch kranken Menschen in und außerhalb von stationären Einrichtungen durchgeführt? (Bitte nach Kreispolizeibehörden und Polizeipräsidien aufschlüsseln.) Daten darüber, wie viele polizeiliche Einsätze mit psychisch erkrankten Menschen in und außerhalb von stationären Einrichtungen im Jahr 2012 durchgeführt wurden, stehen weder auf Landesebene noch bei den Kreispolizeibehörden zur Verfügung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4695 2 2. Inwieweit existieren spezielle Dienstanweisungen, Handlungsanweisungen, Handhabungen oder Schulungen für die Polizei, um den sachgerechten und menschenwürdigen Umgang mit psychisch kranken Menschen im Einsatzfall zu gewährleisten? Ziel von Aus- und Fortbildung der Polizei NRW ist, die Polizeibeamtinnen und -beamten im Umgang mit Menschen mit professioneller Handlungskompetenz auszustatten. Sie werden in den verschiedenen Themenbereichen zielgruppenorientiert sensibilisiert und qualifiziert; dies trifft auch auf den Umgang mit psychisch kranken Menschen zu. Die Ausbildung der Polizei NRW im Rahmen eines Bachelor-Studiengangs bereitet die Beamtinnen und Beamten in Theorie, Training und Praxis sehr intensiv und umfassend auf die vielfältigen Einsatzsituationen des polizeilichen Alltags vor. So werden bereits im Grundlagenstudium in den Disziplinen Psychologie und Ethik die Voraussetzungen für die Gewährleistung eines angemessenen und menschenwürdigen Umgangs mit psychisch kranken Menschen geschaffen. Den Polizeibeamtinnen und -beamten werden die psychologisch relevanten Mechanismen und Muster menschlichen Verhaltens und deren Wirkungsweise in der Interaktion und Kommunikation im beruflichen Kontext vermittelt . Sie werden befähigt, Verhaltens-sequenzen ihrer beruflichen Praxis unter Anwendung psychologischer Erkenntnisse zu analysieren und in die Planung, Durchführung und Re-flexion polizeilicher Handlungsweisen zu transferieren. Als wesentlicher und absolut leitender Bezugsrahmen werden dabei die ethische Relevanz polizeilichen Handelns sowie die Werteentscheidungen des Grundgesetzes gelehrt. Im Hauptstudium lernen und trainieren die Polizeibeamtinnen und -beamten anschließend das taktische sowie das kommunikative Vorgehen und das Eigensicherungsverhalten bei besonderen Einsatzanlässen. Ihnen werden u.a. angemessene Verhaltensweisen und notwendige organisatorische Maßnahmen im Umgang mit psychisch auffälligen bzw. kranken und hilflosen Personen vermittelt, und sie lernen, Merkmale psychischer Störungen zu erkennen sowie die Zusammenhänge zwischen auffälligem respektive gewalttätigem Verhalten und relevanten psychischen Störungen herzustellen. Die Beamtinnen und Beamten werden in die Lage versetzt, im Einsatzfall unter Beachtung der Möglichkeiten und Grenzen im Umgang mit psychisch kranken oder hilflosen Personen situationsangemessen intervenieren zu können. In einem speziellen Training sozialer Kompetenzen wird schließlich der Umgang mit Menschen in Krisensituationen und anderen psychisch be-lasteten Personen intensiviert vermittelt . Aufbauend auf dieser Ausbildung steht den Polizeibeamtinnen und -beamten jährlich in verschiedenen Fortbildungsmaßnahmen ein ständig aktualisiertes, bedarfsorientiertes und standardisiertes Fortbildungsangebot zur Verfügung, um ihre Kompetenzen in allen für den polizeilichen Alltag notwendigen Bereichen den Erfordernissen anzupassen. Das Thema "Umgang mit psychisch kranken Menschen“ fließt interdisziplinär in einer Vielzahl von Fortbildungen in die Qualifizierung der Beamtinnen und Beamten ein. Hierbei sind besonders das Einsatztraining NRW zu nennen, in dem bezogen auf verschiedene Einsatzanlässe des polizeilichen Tätigwerdens deeskalierende Kommunikation und an die jeweils beteiligten Personen angepasste Handlungskonzepte vermittelt werden, oder Fortbildungsveranstaltungen wie „Häusliche Gewalt“, die den Um-gang mit Menschen in besonders belastenden Ausnahmesituationen beinhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4695 3 3. Wann ist die Gefahr aus polizeilicher Sicht unter Berücksichtigung der der jeweiligen Situation zugrundeliegenden Gefahrbegriffe gebannt, so dass der polizeiliche Einsatz beendet werden kann? Im polizeilichen Alltag ist eine Vielzahl von Fallkonstellationen denkbar, die einen polizeilichen Einsatz im Zusammenhang mit psychisch erkrankten Personen erforderlich machen. In der Regel ist, wenn von der psychisch erkrankten Person eine Eigen- oder Fremdgefährdung ausgeht, aus polizeilicher Sicht die Gefahr dann gebannt und der polizeiliche Einsatz beendet , wenn die/der Betroffene in die Obhut einer Ärztin bzw. eines Arztes, der zuständigen Behörde oder den Angehörigen übergeben ist. 4. Inwieweit ist die Informationspflicht/ Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen Poli- zei und der koordinierenden WTG-Behörde geregelt? Der Vollzug des WTG gehört nicht zum Aufgabenbereich der Polizei. Ihre Zuständigkeiten ergeben sich im Wesentlichen aus dem Polizeigesetz NRW und der Strafprozessordnung. Wegen der fehlenden Verknüpfung zwischen WTG-Vollzug und Gefahrenabwehr bzw. Strafverfolgung existiert keine Informationspflicht oder spezielle Regelung zu einer Zusammenarbeit . Soweit es bei der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben im Einzelfall zu notwendigen Kontakten zwischen Polizeibehörden und den Überwachungsbehörden nach § 13 WTG kommt, gelten die allgemeinen polizeilichen Befugnisse. In Betracht kommt hierbei insbesondere eine Datenübermittlung nach § 28 Polizeigesetz NRW. Die Norm erlaubt es der Polizei, unter den dort näher genannten Voraussetzungen von sich aus oder auf Ersuchen personenbezogene Daten an öffentliche Stellen zu übermitteln. 5. Inwieweit wird ggf. anderweitig sichergestellt, dass die Polizei ihre Informations- pflicht gegenüber der koordinierenden WTG-Behörde sachgerecht erfüllt? Siehe Frage 4.