LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4701 02.01.2014 Datum des Originals: 27.12.2013/Ausgegeben: 07.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1726 vom 29. Oktober 2013 des Abgeordneten Henning Höne FDP Drucksache 16/4305 Ein Jahr EU-Reifenlabel. Welche Bilanz zieht die Landesregierung und welche Potenziale sieht sie für die Zukunft? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1726 mit Schreiben vom 27. Dezember 2013 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerpräsidentin und allen übrigen Mitgliedern der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Am 01. November 2012 ist die Verordnung 1222/2009/EG zur Kennzeichnungspflicht von Automobilreifen in Kraft getreten. Diese Klassifizierung in Form eines Labels ist für alle seit Juli 2012 produzierten Reifen der Kategorie C1 bis C3 (Pkw, leichte Nfz, schwere Nfz) verpflichtend vorgeschrieben. Dadurch wird der Verbraucher über den Rollwiderstand, die Nasshaftung sowie die Geräuschemission informiert. Das Reifenlabel der EU orientiert sich dabei an bereits etablierten und wohl bekannten Klassifizierungen wie der Kennzeichnung sogenannter weißer Ware, also zum Beispiel von Kühlschränken . Es ist Teil sowohl der Strategie von Lissabon als auch der Strategie zur nachhaltigen Entwicklung. Das Umweltbundesamt (UBA) führt in seiner Studie „CO2-Emissionsminderung im Verkehr in Deutschland“ aus dem Jahre 2010 aus, dass durch den Einsatz von Leichtlauflaufreifen der „Rollwiderstand [um] bis zu 30 %“ gemindert werden könne. Nach o.g. EU-Verordnung aus dem Jahr 2012 kommen die neuesten Modelle sogar auf eine Reduktion von 50 %. Neue Materialmischungen für die Reifenlaufflächen machen die Entwicklung kraftstoffsparender und lärmarmer Leichtlauflaufreifen möglich. Dies stellte das UBA bereits 2010 fest. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4701 2 Dabei ist zu bedenken, dass die Nutzung des Reifens mit 86 % den größten Anteil an den gesamten Umweltbelastungen im Lebens- und Verwertungszyklus eines Reifens ausmacht (Michelin Fact Book 2003). Mit Verweis auf eine Simulation des Instituts für Kraftfahrwesen in Aachen im Auftrag des UBA, geht letzteres von erheblichen Potenzialen hinsichtlich der Verbrauchsersparnis aus. So resultieren „aus der Umrüstung auf Leichtlaufreifen abhängig von der Fahrzeugklasse, der Basisbereifung sowie dem Fahrzyklus bis zu 6 % Verbrauchsersparnis“. Am größten sei die Wirkung indes „bei niedrigen Fahrgeschwindigkeiten, im Stadtverkehr und bei mittleren Geschwindigkeiten auf Landstraßen“. Im Lkw-Bereich wird das Potenzial mit 4 – 12 % je nach Streckenprofil und Geschwindigkeitsniveau sogar noch größer eingeschätzt. Insgesamt geht das UBA für Deutschland von möglichen Einsparungen in Höhe von 6,0 Mio. Tonnen CO2 bis 2020 und 7,1 Mio. Tonnen CO2 p.a. bis 2030 aus. Bei Umsetzung des von den GRÜNEN wiederholt geforderten generellen Tempolimits von 120 km/h ließen sich lediglich 3,2 bzw. 2,9 Mio. Tonnen CO2 p.a. einsparen. Im Oktober 2012 hat das UBA schließlich sogar einen „Leitfaden zur umweltfreundlichen Beschaffung von Fahrzeugreifen“ erstellt. Auch das Land Hessen – neben weiteren Bundesländern – hat einen „Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung von Kraftfahrzeugen“ erstellt und geht hierbei explizit auf energiesparende Reifen, sprich Leichtlaufreifen, ein. Gemäß Leitfaden des Landes Hessens können Kriterien wie Rollwiderstand und Vorbeifahrgeräusch im Rahmen einer Ausschreibung rechtssicher angewendet werden und sind bereits erprobt. 1. Hat die Landesregierung ihren Fuhrpark sowie den der ihr nachgeordneten Be- hörden umgestellt bzw. wann ist eine solche Umstellung geplant? (Bitte einzeln nach Ministerium, (nachgelagerter) Behörde und Körperschaft aufführen und beschreiben .) Die Landesregierung erfüllt bei der Gestaltung ihres Fuhrparks ökologische Anforderungen. Zur Beschaffung von Pkw werden im Segment Kleinwagen (ca. 600 Fahrzeuge) und im Segment Kompaktklasse (ca. 1200 Fahrzeuge) Rahmenverträge für die gesamte Landesverwaltung (außer Fuhrpark der Landesregierung, Polizei und Verfassungsschutz) zentral ausgeschrieben. Dabei werden die Vorgaben des Tariftreue- und Vergabegesetzes des Landes NRW zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz umgesetzt. Im Rahmen von Ausschreibungsverfahren ist es vergaberechtlich zulässig, die Anforderungen, die in einem speziellen Reifenlabel definiert sind, vorzugeben. Die Emissionskosten fließen in die Berechung der Lebensdauerkosten gem. Richtlinie 2009/33/EG vom 23.04.2009 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge ein und haben damit Einfluss auf die Vergabeentscheidung . 2. Welche Einsparungen konnten bisher durch die Umstellung auf Leichtlaufreifen – bezogen auf den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen – für das Land Nordrhein-Westfalen erzielt werden? (Bitte einzeln nach Ministerium, (nachgelagerter ) Behörde und Körperschaft aufführen und beschreiben.) Die Landesregierung führt keine Statistiken, die dazu Aussagen ermöglichen würden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4701 3 3. Welche Einsparungen sind theoretisch durch die Umstellung auf Leichtlaufreifen – bezogen auf den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen –für das Land Nordrhein-Westfalen möglich? Bitte einzeln nach Ministerium, (nachgelagerter) Behörde und Körperschaft aufführen und beschreiben) Eine ressortspezifische Darstellung der Einsparungen ist nicht möglich. Hilfsweise werden summarische Hochrechnungen der Bereiche Polizei und der sonstigen Landesverwaltung herangezogen. Das Einsparpotenzial lässt sich näherungsweise an dem Flottenverbrauch erkennen. Die genannten Werte ergeben sich aus dem beschafften Treibstoff für ein Jahr. Flottenverbrauch/Jahr:  Diesel 20,2 Mio. Liter  Benzin 3,3 Mio. Liter Die weit überwiegende Zahl der Kraftfahrzeuge sind Pkw (Polizei etwa 7000, sonst. Verwaltung 1900). Dazu kommen etwa 1000 Motorräder der Polizei, sowie 3000 sonstige Fahrzeuge wie Busse, Lkw, Spezialfahrzeuge). Bei einem angenommenen Minderverbrauch von 0,26 l/100 km würde sich für die Pkw der sonstigen Verwaltung bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung von 25.000 km eine Einsparung von 123.500 l/Jahr ergeben. Damit wird die Emission von 323.570 kg CO2 pro Jahr vermieden (Bei der Verbrennung von einem Liter Diesel entstehen 2,62 kg CO2). Bei den sonstigen Fahrzeugen kann eine entsprechende pauschale Modellrechnung nicht sinnvoll durchgeführt werden. Bei LKWs können CO2-Minderungen von 8,5% erreicht werden. 4. Wie schätzt die Landesregierung die Potenziale des EU-Reifenlabels und des Einsatzes von Leichtlaufreifen zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs und der Vermeidung von CO2-Emissionen in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zur Forderung eines generellen Tempolimits von 120 km/h ein? Leichtlaufreifen sind wie z. B. auch alternative Antriebe und Kraftstoffe oder aber hocheffiziente Verbrennungsmotoren, Leichtbauwerkstoffe für Karosserien und Leichtlauföle Komponenten , mit denen der Kraftstoffverbrauch und damit die CO2-Emissionen von Fahrzeugen reduziert werden. Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie optimierte Verkehrssteuerungen und -routen sind Instrumente, die das CO2-arme Fahren begünstigen und sich außerdem auf die Verkehrssicherheit, die Partikel-, Stickstoffoxid- und Lärmemissionen günstig auswirken . Alle Effekte werden durch eine Sprit sparende Fahrweise und eine sorgfältige Fahrtenauswahl verstärkt. Die Kombination aus emissionsarmem Fahrzeug, infrastrukturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen sowie persönlicher Motivation für maßvolles, Sprit sparendes Fahren führt zur stärksten CO2-Minderung im Verkehr. Eine Abwägung zwischen Leichtlaufreifen einerseits und Tempolimit andererseits wäre im Gegensatz dazu nicht zielführend. 5. Beabsichtigt die Landesregierung vor dem Hintergrund der Erreichung der im NRW-Klimaschutzgesetz postulierten Ziele und nach Bewertung des vom UBA erstellten „Leitfaden zur umweltfreundlichen Beschaffung von Fahrzeugreifen“ sowie des „Leitfaden[s] zur nachhaltigen Beschaffung von Kraftfahrzeugen“ entsprechende landeseigene Leitfäden herauszugeben? Die Landesregierung beabsichtigt nicht, einen eigenen neuen Leitfaden zu entwickeln. Im Portal Vergabe.NRW wird auf den Leitfaden des UBA hingewiesen. Bei der Ersatzbeschaf- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4701 4 fung von Fahrzeugreifen soll zukünftig zur Beachtung der ökologischen Anforderungen entweder dieser Leitfaden oder das Reifenlabel dienen. Soweit die Fahrzeuge der Landesverwaltung zentral durch das Finanzministerium ausgeschrieben werden (Segmente Kleinwagen und Kompaktwagen) wird durch das FM bereits nach den Grundsätzen zur umweltfreundlichen und nachhaltigen Beschaffung verfahren. Für die anderen Segmente, bei denen die Dienststellen die Beschaffung entsprechend den Vorgaben der Kraftfahrzeugrichtlinien eigenständig durchführen, werden jährlich über die sogenannte Beschaffungsliste weitere Vorgaben für das Beschaffungsverfahren veröffentlicht. Dabei wird insbesondere auch auf die Gesichtspunkte des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit hingewiesen. Für die Einsatzfahrzeuge der Polizei gelten die zuvor genannten Beschaffungsgrundsätze der Kraftfahrzeugrichtlinien und der Beschaffungsliste nicht. Die Ausstattung der Polizeidienstkraftfahrzeuge des Landes NRW erfolgt in dezentraler Verantwortung durch die insgesamt 50 Polizeibehörden auf der Grundlage der Wirtschaftlichkeit und Beachtung ökologischer Gesichtspunkte, wenn dabei die Erfüllung des taktischen Bedarfs gewährleistet wird.