LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4765 13.01.2014 Datum des Originals: 13.01.2014/Ausgegeben: 16.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1806 vom 5. Dezember 2013 der Abgeordneten Holger Müller und Volker Jung CDU Drucksache 16/4557 Warum unterstützt die Landesregierung aktiv kommerzielle Anbieter, die spezielle Bewegungs- und Talentsichtungsangebote anbieten? Die Ministerin für Schule und Weiterbildung hat die Kleine Anfrage 1806 mit Schreiben vom 13. Januar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Frauen, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In Nordrhein-Westfalen werden bereits seit einigen Jahren Motorische Tests an Schulen durchgeführt. Der Motorische Test für Nordrhein-Westfalen ist mit dem Deutschen MotorikTest identisch, der Ende 2009 von der Sportministerkonferenz zur Umsetzung in den Ländern empfohlen worden ist. Dieser Test eignet sich sowohl zur Messung des aktuellen Leistungsstandes als auch zur Beschreibung von Leistungsveränderungen und dient der Feststellung motorischer Stärken und Schwächen. Das Testprofil besteht aus acht Einzelaufgaben und erfasst die Dimensionen der Motorik (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit) sowie die Konstitution. Die verwendeten Testaufgaben sind wissenschaftlich überprüft und aussagekräftig . In den NRW-Sportschulen wird er zur Eingangsdiagnose für die Sichtung von motorisch positiv auffälligen Viertklässlern verwendet. Daneben gibt es in einigen Regionen eigene Tests, u.a. in Paderborn. Hier wird seit über 20 Jahren die Paderborner Vielseitigkeitssichtung. Es ist ein Modell der flächendeckenden und ganzheitlichen sportmotorischen Sichtung als modellhafter Ausgangspunkt sportlicher Förderung . Sie ist für den Landessportbund Nordrhein-Westfalen ein „Glanzlicht des Landesprogramms Talentsuche und Talentförderung in NRW“. Eine jährliche Sichtung aller Kinder des dritten Grundschuljahres (ca. 3.600) ist Mittelpunkt der Paderborner Vielseitigkeitssichtung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4765 2 In dieser werden die sportliche Eignung und das sportliche Interesse bewertet. Dieses Programm ist wissenschaftlich entwickelt worden und wird entsprechend begleitet. Die Ergebnisse führen regelmäßig zu einer gezielten Förderung von Schülerinnen in Schülern in die örtlichen Sportvereine und Talentgruppen sowie – bei motorischen Defiziten – auch in kompensatorische Sportgruppen. Dieses ist ein Beispiel für landesweit einmalig gelebte Kooperation aller Akteure von Vereinen, Verbänden und Trägern und führt in vielen Fällen zu einer konkreten Kooperation von Sportvereinen und Schulen. Aktuell wird von immer mehr Grundschulen berichtet, dass kommerzielle Anbieter wie Speed 4 an die Schulen herantreten und spezielle Bewegungs- bzw. Talentsichtungsprogramme anbieten. Die Schülerinnen und Schüler absolvieren diesen Test im Rahmen einer Schulsportstunde . Die Preise für ihre in der Schule abgelegte Leistung erhalten die Teilnehmer während einer Eventveranstaltung bei einem kooperierenden Unternehmen. RTL verfolgte am 31. August 2012 den Start des speed4-CHECKs, einen neuen Fitnesstest für Schulen, den die Universität Wuppertal zusammen mit speed 4 in über 30 Wuppertaler Grundschulen durchführt (http://www.youtube.com/watch?v=CxZRC1jDMms). Bei diesem Spot wird dieser Fitnesstest als erstes Projekt mit wissenschaftlicher Auswertung gelobt. Auch Frau Ministerin Löhrmann wird bei diesem Spot gezeigt und äußert sich positiv dazu und überlegt „systematisch an die Schulen heranzutreten“. Speziell das Angebot von „speed 4“ testet allerdings nicht die Vielseitigkeit der Kinder, sondern nur eine motorische Grundfertigkeit und zwar die Schnelligkeit. Auch steht nicht die lokale Kooperation mit ortsansässigen Vereinen im Fokus, so dass eine nachhaltige Bewegungsförderung bezweifelt werden kann. 1. Wie schätzt die Landesregierung ein solches Angebot von kommerziellen Anbie- tern ein (bitte im Vergleich zu den in NRW bestehenden motorischen Tests)? Es gibt eine Reihe verschiedener motorischer Testverfahren, die in Schulen angewendet werden. Die Palette reicht von wissenschaftlich erprobten und etablierten Verfahren bis hin zu schuleigenen Testverfahren. Die Grundlagen des Motorischen Tests für NordrheinWestfalen (MOT) wurden am Forschungszentrum für den Schulsport und den Sport von Kindern und Jugendlichen (FoSS) an der Universität Karlsruhe auf Basis des nationalen Kinderund Jugend-Gesundheitssurveys (KIGGS) entwickelt. Die Testbatterie wurde im Auftrag des Sportministeriums Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung einer Expertengruppe an die Anforderungen in Nordrhein-Westfalen angepasst. Der Motorische Test für NordrheinWestfalen ist mit dem Deutschen Motorik-Test identisch, der Ende 2009 von der Sportministerkonferenz zur Umsetzung in den Ländern empfohlen worden ist. Der Test eignet sich sowohl zur Messung des aktuellen motorischen Leistungsstandes als auch zur Beschreibung von Leistungsveränderungen und dient der Feststellung motorischer Stärken und Schwächen. In den NRW-Sportschulen wird er zur Eingangsdiagnose für die Sichtung von motorisch positiv auffälligen Viertklässlern verpflichtend eingesetzt. Das Testprofil des MOT besteht aus acht Einzelaufgaben. Der Test erfasst - im Gegensatz zu einigen anderen Testverfahren, die nur eine oder wenige motorische Fähigkeiten erfassen - alle motorischen Hauptbeanspruchungsformen (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit) sowie die Konstitution der Schülerinnen und Schüler. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4765 3 2. Warum unterstützt die Landesregierung ein solches Angebot wie „speed 4“ von kommerziellen Anbietern? Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unterstützt die Universitäten und Hochschulen darin, durch Studien und Testverfahren neue Erkenntnisse zum Wohle der Gesundheit und der Fitness unserer Schülerinnen und Schüler zu gewinnen. Das gilt für motorische Tests und für Programme, die die Universitäten und Hochschulen unter Beteiligung von externen Akteuren eigenverantwortlich durchführen. Die Schulen sind keine Inseln und sollen nicht vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt sein. Im Gegenteil sind die Öffnung von Schule und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern und Akteuren ausdrücklich erwünscht, so regelt es auch das Schulgesetz (§ 5 (2)). Für jede Zusammenarbeit gelten dabei immer die gesetzlichen Vorgaben zu Sponsoring und Werbung (§ 99 SchulG). Auf der Grundlage entscheiden die Schulen eigenständig und eigenverantwortlich . Die Landesregierung hat vor diesem Hintergrund einer RTL-Interviewanfrage zur wissenschaftlichen Studie der Universität Wuppertal zugestimmt und in dem Beitrag weder Zusagen noch Äußerungen für eine aktive Unterstützung kommerzieller Anbieter generell noch für den kommerziellen Anbieter „Speed4“ gemacht. In diesem Zusammenhang wurde eine positive allgemeine Bewertung zu wissenschaftlichen Studien und Untersuchungen, die der Gesundheit der Schülerinnen und Schüler dienen, abgegeben , die Bemühungen der Universität gelobt und zum Ausdruck gebracht, dass die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle in der Bildungspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen einnimmt. 3. Wie sieht die Landesregierung ein solches Angebot im Kontext der Neutralität der Schulen als Plattform? Die Schulen in NRW entscheiden eigenständig und eigenverantwortlich über die Teilnahme an Angeboten außerschulischer, kommerzieller Anbieter. Sie beachten dabei die gesetzlichen Vorgaben zum Sponsoring und zu Werbung in der Schule (siehe Antworten zu Frage 1 und Frage 2). 4. An welchen Schulen findet eine solche gewerbliche Zusammenarbeit statt (bitte um detaillierte Auflistung)? Eine detaillierte Auflistung wird zentral nicht erhoben. Begründung: siehe Antwort auf Frage 3. 5. Wie bewertet die Landesregierung dieses Angebot vor dem Hintergrund der ak- tuell laufenden fraktionsübergreifenden und im großen Konsens besprochenen Überlegungen zur flächendeckenden Einführung motorischer Test? Am 17. Mai 2011 wurde im Landtag eine Anhörung „Motorische Tests in der Grundschule“ durchgeführt. Befragt wurden Experten aus Wissenschaft, Kommunen, Schulen und vom Landessportbund. Die Expertinnen und Experten waren sich weitgehend darin einig, dass LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4765 4 eine landesweite verbindliche Einführung des Tests nicht zwingend erforderlich ist. In einem gut aufgestellten kommunalen Umfeld werden auch auf freiwilliger Basis 80 bis 98% der Grundschülerinnen und Grundschüler erreicht. Kommunen wie beispielsweise Düsseldorf haben bei der Anhörung von ihren Erfolgen berichtet. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Anhörung wurde konstatiert, auf die verpflichtende Einführung landesweiter motorischer Tests an Grundschulen zu verzichten. Es sollten vielmehr kommunale Lösungen bevorzugt werden. In Zusammenhang mit dieser Kleinen Anfrage weise ich auch auf die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3161 der Abgeordneten Renate Hendricks und Hans Theo Peschkes, SPD, LT-Drs. 14/8733 (Frage 1) aus dem Jahr 2009 (LT-Drs. 14/9138) hin.