LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4766 13.01.2014 Datum des Originals: 13.01.2014/Ausgegeben: 16.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1801 vom 29. November 2013 der Abgeordneten Dietmar Brockes, Holger Ellerbrock, Ulrich Alda, Henning Höne und Ralph Bombis FDP Drucksache 16/4546 Stromausfälle schwächen Wettbewerbsfähigkeit der NRW-Wirtschaft Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 1801 mit Schreiben vom 13. Januar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für die Wettbewerbsfähigkeit der Nordrhein-Westfälischen Wirtschaft ist eine sichere Stromversorgung von besonderer Bedeutung. Netzschwankungen oder gar Stromausfälle bedeuten Stillstand von Produktionsprozessen oder den Ausfall von Dienstleistungen. Für die entstehenden Ausfälle müssen die Unternehmen in den häufigsten Fällen selbst aufkommen, da eine Haftung der Stromnetzbetreiber ein entsprechendes Verschulden voraussetzt. Aus dieser Situation resultieren signifikante Nachteile für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Es entstehen unkalkulierbare, in jedem Fall hohe Kosten für die wieder Ingangsetzung von Produktionsprozessen , die je nach Sparte mit hohen Umsatzeinbußen verbunden sind. In der Stahlbranche und speziell bei den Kaltwalzwerken können sich die Schäden, die auf Stromausfälle zurückzuführen sind, auf mehrere hunderttausend Euro je Fall summieren. Trotz der bekannten Problematik werden offiziell nur Stromausfälle dokumentiert, die länger als drei Minuten anhalten. Dabei führen bereits Kurzunterbrechungen im Sekundenbereich zu erheblichen Behinderungen, bis hin zu Stillständen in der Produktion. Dies hat weitreichende negative Auswirkungen auf Lieferfristen und Auftragserfüllungen in der gesamten Wertschöpfungskette . Auch in Zeiten der Energiewende müssen sich Unternehmen auf stabile Stromnetze verlassen können, um keinen Wettbewerbsnachteil mit umliegenden Ländern und Bundesländern befürchten zu müssen. Daher gilt es, jeden Stromausfall von der ersten Sekunde an zu dokumentieren, die Ursachen zu analysieren und abzustellen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4766 2 Vorbemerkung der Landesregierung Die deutschen Elektrizitätsnetzbetreiber übermitteln der Bundesnetzagentur gemäß § 52 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) jährlich Berichte über die in ihren Netzen aufgetretenen Versorgungsunterbrechungen. Diese Berichte enthalten Zeitpunkt, Dauer, Ausmaß und Ursache der Versorgungsunterbrechungen. Die Bundesnetzagentur ermittelt aus diesen Meldungen den sog. SAIDI-Wert (System Average Interruption Duration Index), der die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung je angeschlossenen Letztverbraucher innerhalb eines Kalenderjahres wiederspiegelt. Die Ergebnisse sind im jährlichen Monitoringbericht der Bundesnetzagentur veröffentlicht. Beim SAIDI-Wert werden weder geplante Unterbrechungen noch Unterbrechungen aufgrund höherer Gewalt, wie etwa Naturkatastrophen, berücksichtigt. In die Berechnung fließen nur ungeplante Unterbrechungen ein, die auf atmosphärische Einwirkungen, Einwirkungen Dritter , Zuständigkeit des Netzbetreibers und aus anderen Netzen rückwirkende Störungen zurückzuführen sind. Die Unterbrechung muss zudem länger als drei Minuten dauern. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Anzahl der deutschen Netzbetreiber, die Anzahl der Letztverbraucher sowie die Anzahl der Versorgungsunterbrechungen über 3 Minuten, getrennt nach Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz. Entsprechend sind die SAIDI – Werte für das Niederspannungs- und das Mittelspannungsnetz sowie in der letzten Spalte der SAIDI- Wert für beide Netze ausgewiesen. Übersicht über die SAIDI-Werte Strom seit dem Jahr 2006: Allgemeindaten Niederspannung Mittelspannung SAIDI Berichtsjahr Anzahl Netzbetreiber / Netze Letztverbraucher (Mio.) Anzahl Unterbrechungen (insg. in Tsd.) SAIDI (Min.) Anzahl Unterbrechungen (insg. in Tsd.) SAIDI (Min.) SAIDI (Min.) 2012 866/883 49,3 159,0 2,57 32,0 13,35 15,91 2011 864/928 48,9 172,0 2,63 34,7 12,68 15,31 2010 890/963 49,0 169,2 2,80 37,1 12,10 14,90 2009 821/842 48,4 163,9 2,63 35,1 12,00 14,63 2008 814/835 48,4 171,5 2,57 36,6 14,32 16,89 2007 825 48,5 196,3 2,75 39,5 16,50 19,25 2006 781 48,5 193,6 2,86 34,4 18,67 21,53 Die angegebenen Werte für Deutschland nehmen im internationalen Vergleich Spitzenplätze hinsichtlich der Qualität der Stromversorgung ein. Die Landesregierung kann daher die Aussage in der Einleitung der Kleinen Anfrage nicht nachvollziehen, Stromausfälle hierzulande bedeuteten signifikante Nachteile für Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierung erhebt keine eigenen Daten zu Versorgungsunterbrechungen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4766 3 1. Über welchen Kenntnisstand verfügt die Landesregierung hinsichtlich der Bedeutung von Netzschwankungen und Stromausfällen für die nordrheinwestfälische Wirtschaft, insbesondere für die gewerbliche und industrielle Produktion sowie im Dienstleistungs-bereich? Maßgebend für die Beurteilung der Versorgungssicherheit im Stromsektor sind zunächst die Aussagen der Bundesnetzagentur, in deren Zuständigkeit diese Thematik fällt. Der Landesregierung ist darüber hinaus bekannt, dass industrielle Produktionsprozesse durch den zunehmenden Einsatz moderner elektronischer Meß-, Regel- und Steuerungstechnik insgesamt empfindlicher auf Spannungsschwankungen und kurzzeitige Stromausfälle reagieren als es in der Vergangenheit der Fall war. Allerdings liegen ihr aus dem Bereich der produzierenden Unternehmen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die von den Fragestellern beschriebene Thematik zu praktischen Problemen führt. 2. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Anzahl der Erfassung von Stromausfällen über 3 Minuten in den Jahren 2010 bis 2012 in NRW bzw. bundesweit? Die Landesregierung erhebt keine eigenen Daten zu Stromausfällen. Zur Frage der bundesweiten Stromausfälle über 3 Minuten wird auf die Erhebungen der Bundesnetzagentur verwiesen . 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Anzahl der Erfassung von Stromausfällen unter 3 Minuten in den Jahren 2010 bis 2012 in NRW bzw. bundesweit (ggfs. Schätzung)? Die Landesregierung erhebt keine eigenen Daten zu Stromausfällen. 4. Welche Ansätze verfolgt die Landesregierung, um eine lückenlose Dokumentati- on von Stromausfällen zu gewährleisten? Die Meldepflichten für Versorgungsstörungen sind in § 52 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) abschließend geregelt. Danach haben Betreiber von Energieversorgungsnetzen der Bundesnetzagentur bis zum 30. April eines Jahres über alle in ihrem Netz im letzten Kalenderjahr aufgetretenen Versorgungsunterbrechungen einen Bericht vorzulegen. Dieser Bericht hat mindestens folgende Angaben für jede Versorgungsunterbrechung zu enthalten: 1. den Zeitpunkt und die Dauer der Versorgungsunterbrechung, 2. das Ausmaß der Versorgungsunterbrechung und 3. die Ursache der Versorgungsunterbrechung. In dem Bericht hat der Netzbetreiber die auf Grund des Störungsgeschehens ergriffenen Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Versorgungsstörungen darzulegen. Darüber hinaus ist in dem Bericht die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung in Minuten je angeschlossenem Letztverbraucher für das letzte Kalenderjahr anzugeben. Weitergehende Berichtspflichten, z.B. gegenüber Landesbehörden, bestehen nicht. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4766 4 5. Welche Handlungsmaximen verfolgt die Landesregierung um, insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Netzschwankungen aufgrund des Einspeisevorrangs für Erneuerbare Energien, eine verlässliche Reduktion von Stromausfällen zu erreichen? Die in den Vorbemerkungen genannten Erhebungen der Bundesnetzagentur zu den Versorgungsunterbrechungen bei der Stromversorgung lassen tendenziell keine Zunahme von Versorgungsstörungen im Zeitraum von 2006 bis 2012 erkennen, sondern deuten eher auf das Gegenteil hin, wenngleich im Zeitraum von 2009 bis 2012 ein geringfügiger Anstieg des SAIDI-Wertes zu verzeichnen ist. Die Bundesnetzagentur erklärte hierzu, dass ein maßgeblicher Einfluss der Energiewende und der damit einhergehenden steigenden dezentralen Erzeugungsleistung auf die Versorgungsqualität ausgeschlossen werden könne. Die Anreizregulierung von Elektrizitätsnetzbetreibern im sog. Regelverfahren enthält im Übrigen seit mehreren Jahren ein sog. Qualitätselement. Hierdurch werden die Häufigkeit und Dauer von Stromausfällen in einem bestimmten Netzgebiet in der Erlösobergrenze des betreffenden Netzbetreibers durch einen Zuschlag oder einen Abschlag berücksichtigt. So wird für die Netzbetreiber ein Anreiz gesetzt, durch geeignete Maßnahmen Versorgungsunterbrechungen in seinem Netzgebiet möglichst zu minimieren.