LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/480 03.08.2012 Datum des Originals: 01.08.2012/Ausgegeben: 08.08.2012 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 110 vom 4. Juli 2012 der Abgeordneten Dietmar Brockes, Holger Ellerbrock und Henning Höne FDP Drucksache 16/203 Wie steht es um die Industriepolitik der Landesregierung? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 110 mit Schreiben vom 1. August 2012 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nordrhein-Westfalen ist die Herzkammer der deutschen Industrie: 16.000 Industrieunternehmen geben rund 1,3 Millionen Menschen einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz und tragen etwa 25 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. In keinem anderen Bundesland Deutschlands hängt der Wohlstand so stark von der Industrie ab wie in NordrheinWestfalen . Voraussetzung für eine moderne Industrie und auch für das Gelingen der Energiewende ist die Akzeptanz. Ohne Akzeptanz und Anerkennung in der Bevölkerung kann die Industrie in unserem Land nicht die Chancen nutzen, die sich ihr weltweit bieten. Diese schwindet in unserem Bundesland seit einiger Zeit zunehmend. Nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in einigen politischen Kreisen. Notwendig ist vielmehr ein Klima der Aufgeschlossenheit gegenüber Naturwissenschaften, Technologie und Industrie, bei dem die Ängste von Bürgerinnen und Bürgern ernstgenommen werden – ohne sie für eigene Zwecke zu instrumentalisieren . Daher wurde am 10. Juni 2009 zwischen der damaligen CDU und FDP geführten Landesregierung , sowie den Unternehmen, Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände, Industrie- und Handelskammern und den Gewerkschaften im DGB mit der Düsseldorfer Erklärung die „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ gegründet. Ziel und Aufgabe der im Wirtschaftsministe- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/480 2 rium angesiedelten Allianz ist es, über die ökologischen Chancen und ökonomischen Notwendigkeiten des Industrielandes Nordrhein-Westfalen in einem breit angelegten gesellschaftlichen Diskurs aufzuklären. Industrieller Fortschritt und nachhaltige Entwicklung dürfen nicht als Gegensätze begriffen werden, sondern bedingen und fordern einander gegenseitig. Um diese Botschaft zu vermitteln, wurden unter der Vorgängerregierung lokale, regionale und landesweite Aktivitäten durchgeführt. Nach der Landtagswahl im Jahr 2010 hat die von SPD und Grünen geführte, Landesregierung in der Allianz pro Industrie und Nachhaltigkeit die Aktivitäten kontinuierlich zurückgefahren . In der Öffentlichkeit wird die Allianz schon nicht mehr wahrgenommen. Der monatlich erscheinende „Industrieticker“ wurde im Mai 2011 eingestellt. Vorbemerkung der Landesregierung Im Rahmen der Planung der „NRW Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ wurde im September 2008 von der damaligen Wirtschaftsministerin ein Steuerungskreis eingerichtet, der die landesweiten Aktivitäten abstimmt und deren Umsetzung begleitet. Dem Steuerungskreis gehören Vertreter von Unternehmen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und IHK’n an. Die Geschäftsführung erfolgte durch einen Mitarbeiter des Wirtschaftsministeriums. Mit Vertrag vom 20. Mai 2010 wurde von der Landesregierung ein externer Dienstleister zur Unterstützung der Geschäftsstelle „Allianz pro Industrie und Nachhaltigkeit“, des Steuerungskreises sowie der Aktivitäten der Allianz beauftragt. Das Vertragsverhältnis endete am 30. Juni 2011. Bis heute hat der Steuerungskreis insgesamt 22mal getagt. Dabei wurden konkret folgende wesentliche Projekte diskutiert: 1. Begleitung regionaler und lokaler Allianzen 2. Route der Industrie 3. Nachhaltigkeitsbilanzen 4. Initiative Industrieland NRW 5. Homepage 6. Industrieticker 7. Konzipierung von Unterrichtsmaterialien 1. Welche Projekte sind in der „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ in den vergangenen zwei Jahren mit welchen Ergebnissen bearbeitet worden?  Begleitung regionaler und lokaler Allianzen pro Industrie und Nachhaltigkeit Die Begleitung der regionalen/lokalen Allianzen ist erfolgt. Am 25.01.2011 wurde ein themenbezogener Workshop durchgeführt. Als zentrales Ergebnis wurde ein „Leitfaden für regionale Allianzen pro Industrie und Nachhaltigkeit“ erstellt, der weitere Gründungen erleichtern soll. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/480 3 Mittlerweile gibt es mehrere regionale/lokale Allianzen, wie z. B. Regionale Allianz Zukunft durch Industrie in Düsseldorf, lokale Allianz Dormagen, lokale Allianz Krefeld und Akzeptanzoffensive „In|du|strie.Gemeinsam.Leben“ in Nord Westfalen.  Route der Industrie und Touristische Route der Industrie Im Rahmen der Route Industrie sollen an Bundesautobahnen Hinweise auf profilgebende Industriebereiche aufgestellt werden. Die Regionen planen, die ersten Schilder noch in diesem Jahr aufzustellen. Die Touristische Route der Industrie sollte touristische Angebote für den Besuch attraktiver Industriebetriebe ermöglichen. Ein Modellversuch sollte im Bereich der IHK zu Bielefeld stattfinden, der aber mangels Feed-backs seitens der Unternehmen bisher keine Umsetzung erfahren hat.  Nachhaltigkeitsbilanzen Hierfür sollten die Mitglieder des Steuerungskreises Produkte und Verfahren vorschlagen , die sich eignen, in einer Nachhaltigkeitsbilanz bilanziert zu werden. Mit lediglich drei Vorschlägen war die Rückmeldung so gering, dass das Projekt nicht weiter verfolgt wurde.  Homepage Die Homepage der Allianz pro Industrie und Nachhaltigkeit wurde im Oktober 2010 frei geschaltet. Sie wurde bis November 2011 auf Basis eines extern vergebenen Werkvertrages aus dem Etat des Wirtschaftsministeriums finanziert. Mit Ende des Werkvertrages wurde die Homepage nicht fortgeführt.  Industrieticker Die Auflage des Industrietickers war im Rahmen eines externen Werkvertrages auf 11 Ausgaben befristet bis April 2011, so dass die letzte Ausgabe im Mai 2011 erschien .  Interviews mit Mitgliedern des Steuerungskreises Zur Weiterentwicklung der Arbeit des Steuerungskreises fanden Interviews mit Mitgliedern statt. 2. Welche Projekte sind seit 2010 aus welchem Grunde nicht weiter verfolgt wor- den?  Initiative Industrieland NRW Die Initiative sollte als breit angelegte Akzeptanzkampagne ein positives Bild über die Bedeutung der Industrie für Wohlstand, Arbeitsplätze usw. in Nordrhein-Westfalen vermitteln. Eine erste Projektskizze wurde Anfang 2010 von einer Agentur vorgestellt. Die Gesamtkosten des Vorhabens sollten ca. 3 Mio. EURO betragen. Angedacht war eine Beteiligung des Landes in Höhe von bis zu 10 %. Die Landesregierung setzt seit 2010 auf eine dialogorientierte Wirtschaftspolitik mit neuer Planungskultur und Dialog auf Augenhöhe. Folgerichtig hat sich das Ministerium entschlossen, sich nicht mehr finanziell an einer reinen Akzeptanzkampagne zu beteiligen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/480 4  Konzipierung von Unterrichtsmaterialien Über Lehrmaterialien sollte das Industriebild von Schülern verbessert werden. Der damalige Wirtschaftsminister Voigtsberger war demgegenüber der Auffassung, dass der Schwerpunkt zweckmäßiger darauf gelegt werden sollte, Schülern die Industrie anhand von Firmenbesuchen und praxisbezogenen Projekten näher zu bringen. Das Vorhaben wurde deshalb nicht weiter verfolgt. 3. Mit welchem Konzept beabsichtigt die Landesregierung die „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ fortzuführen? Erfahrungen bei der Realisierung von Vorhaben wie z. B. dem Bahnhof Stuttgart und dem Kraftwerk Datteln u. a. haben gezeigt, dass reine Akzeptanzoffensiven nur bedingt zu einer Vermeidung von Umsetzungsproblemen beitragen. Für das Gelingen von Industrieakzeptanz sind vor allem die lokalen Allianzen wichtig; denn sie stehen im direkten Kontakt mit den Menschen und den Unternehmen vor Ort. Der Wirtschaftsminister hat bisher drei Strategiegespräche über dialogorientierte Wirtschaftspolitik mit Spitzenvertretern aus Industrie, Mittelstand, Gewerkschaften, Umweltverbänden , Kommunen und der Wissenschaft geführt. Zur Professionalisierung einer neuen Dialog- und Beteiligungskultur wurde als Ergebnis einer europäischen Ausschreibung Ende 2011 die Geschäftsstelle „Dialog schafft Zukunft - nachhaltiges Wirtschaften in Nordrhein-Westfalen“ eingerichtet. Die Geschäftsstelle arbeitet neutral und überparteilich. Sie fördert Beteiligungsprozesse in NRW. Sie berät und fördert unentgeltlich. Es war bereits bei der Ausschreibung der Geschäftsstelle vorgesehen, die Allianz pro Industrie , die durch den Steuerungskreis und seinen Sachverstand repräsentiert wird, in das Gesamtkonzept mit einzubeziehen und die regelmäßigen Sitzungen durch die Geschäftsstelle zu organisieren sowie vor- und nachzubereiten. Zur Ausrichtung dieses Konzeptes fand am 5. Juli 2012 ein Workshop mit dem Steuerungskreis statt. Gemeinsam mit dem Steuerungskreis „Allianz pro Industrie und Nachhaltigkeit“ wurde festgelegt , die Arbeit der Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit unter dem Dach von „Dialog schafft Zukunft“ weiter zu entwickeln. „Dialog schafft Zukunft“ baut auf der Erkenntnis auf, dass sich die Akzeptanzbedingungen der Wirtschaft in NRW nicht allein durch Kampagnen verbessern lassen, sondern vor allem durch einen intensiven Dialog mit der Öffentlichkeit. Diese Ausrichtung findet sich in den konkreten Maßnahmen der Geschäftsstelle von „Dialog schafft Zukunft“ wieder. 4. Welche Aktivitäten sind konkret geplant? Zukünftige Maßnahmen werden unter dem Dach von „Dialog schafft Zukunft“ durchgeführt und sind daher unter 5. beschrieben. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/480 5 5. Wie ist die neu geschaffene Geschäftsstelle „Dialog schafft Zukunft“ mit der „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ organisatorisch und inhaltlich verknüpft? Die Geschäftsstelle „Dialog schafft Zukunft“ arbeitet auf zwei Ebenen: Sie fördert auf der Ebene der Dialogpraxis als Service- und Beratungsleistungen die Anwendung von Dialogund Beteiligungsprozessen und deren Verzahnung mit Plangenehmigungsverfahren mit dem Ziel, die Möglichkeiten zur Beteiligung im Rahmen bestehender rechtlicher Gegebenheiten besser zu nutzen. Auf der strategischen Ebene unterstützt sie den Prozess zur Förderung nachhaltigen Wirtschaftens in NRW.