LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4803 21.01.2014 Datum des Originals: 20.01.2014/Ausgegeben: 24.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1819 vom 11. Dezember 2013 des Abgeordneten Dr. Joachim Paul PIRATEN Drucksache 16/4616 PCB-Belastung nordrhein-westfälischer Universitäten Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1819 mit Schreiben vom 20. Januar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr und der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung beantwortet . Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Mehrere nordrhein-westfälische Universitäten haben Probleme mit PCB-kontaminierten Gebäuden . Die meist kostenträchtigen Sanierungen belasten den Landeshaushalt in großem Umfang. So hat die Uni Bochum im Oktober beschlossen, die ingenieurswissenschaftlichen Gebäude komplett abzureißen und bis 2015 neu zu errichten. Die Kosten liegen laut Presseberichten allein in diesem Fall im dreistelligen Millionenbereich (WAZ vom 25. November 2013: Uni Bochum reißt Gebäude ab und baut sie formgleich wieder auf). Auch in den Universitäten Bielefeld und Düsseldorf werden weiterhin erhöhte PCB-Konzentrationen gemessen . Polychlorierte Biphenyle (PCB) können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, die Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. Die Weltgesundheitsorganisation hat die Substanzklasse jüngst in die Liste krebserzeugender Stoffe der Kategorie 1 hochgestuft. PCB wurden seit 1929 großtechnisch hergestellt. Wegen ihrer speziellen elektrischen Eigenschaften und ihrer Nichtbrennbarkeit wurden sie zunächst in Transformatoren und Kondensatoren eingesetzt. Darüber hinaus verwendete man PCB als Weichmacher, in Farben, Lacken und Klebstoffen sowie als Flammschutzmittel. Allein in Fugendichtungen wurden in Deutschland rund 20.000 Tonnen PCB verbaut. Mehr als die Hälfte davon befindet sich bis heute in den Gebäuden. Die Ausgasungen führen zu einer permanenten Belastung der Luft. Am häufigsten betroffen sind öffentliche Gebäude, die zwischen 1965 und 1975 gebaut wurden . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4803 2 Weltweit wurden insgesamt 1,3 Millionen Tonnen PCB hergestellt. Rund die Hälfte stammt aus den Fabriken des US-Konzerns Monsanto. Zweitgrößter Hersteller war ein Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen, die Bayer AG, mit einem Produktionsvolumen von rund 160.000 Tonnen PCB (Knut Breivik: “Towards a global historical emission inventory for selected PCB congeners”, Science of the Total Environment, 2007). Die Hersteller kannten die Risiken frühzeitig. So lagen der Firma Monsanto bereits in den 1930er Jahren Studien zu Gesundheitsschäden durch PCB vor. In den 60er Jahren warnte der schwedische Chemiker Sören Jensen vor der Anreicherung von PCB in der Umwelt. Firmeninterne Papiere von Monsanto hielten fest, dass „das Problem die gesamten USA, Kanada und Teile Europas, besonders Großbritannien und Schweden betrifft [...]. Die Kontamination ist bereits in den entlegensten Regionen der Erde nachgewiesen.“ Der Vermarktung tat dies jedoch keinen Abbruch. Als die USA, bis dahin der größte Anbieter, 1977 die Herstellung und Verwendung schließlich vollständig verboten, sprang die Bayer AG in die Bresche und steigerte ihren jährlichen Ausstoß von 6.000 auf 7.500 Tonnen. Erst 1983 stellte Bayer als letzte westliche Firma die Herstellung ein. Bis heute müssen die PCB-Produzenten für ihr toxisches Erbe nicht haften. Die milliardenschweren Sanierungen werden vollständig von der Allgemeinheit getragen. 1. Wie hoch waren die Kosten für Sanierungen PCB-belasteter Universitätsgebäude in den vergangenen zehn Jahren? Der BLB NRW hat in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Universitätsgebäude aufgrund von Schadstoffbelastungen saniert. Dabei wurden neben PCB oftmals auch andere Bauschadstoffe wie Asbest, KMF (künstliche Mineralfasern), PCP/Lindan, Formaldehyd oder PAK beseitigt. Teilweise konnten Schadstoffe nicht zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen entfernt werden, so dass Gebäude verkauft oder abgerissen werden mussten. Die Kosten der PCB-Sanierungen sind anteilig in zahlreichen Gebäudewerten, Baumaßnahmen und Bauaufträgen enthalten und liegen nicht einzeln oder summiert vor. 2. Mit Hilfe eines „chemischen Fingerabdrucks“ ist es möglich, die Hersteller der gefundenen PCB zu bestimmen. Hat die Landesregierung in belasteten Universitätsgebäuden entsprechende Untersuchungen durchgeführt? Solche Untersuchungen wurden nicht durchgeführt, siehe Antwort zu Frage 3. 3. Welche Schritte plant die Landesregierung, um die Hersteller für die Folgen des jahrzehntelangen Verkaufs giftiger PCB haftbar zu machen? Alle Abnahmen von Baumaßnahmen, bei denen PCB verwendet wurde, liegen mehr als zehn Jahre zurück. Zum Zeitpunkt der Abnahme von Bauvorhaben entsprachen die Ausführung und die Verwendung der Baumaterialien dem damaligen gesetzlichen Rahmen sowie den seinerzeit anerkannten Regeln der Technik. Für Schritte gegen die damaligen Hersteller von PCB-Produkten gibt es deshalb keine Veranlassung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4803 3 4. Gibt es eine Erhebung über die Zahl der an PCB-Vergiftungen leidenden Personen bzw. der Verstorbenen? Eine solche Erhebung hat die Landesregierung nicht durchgeführt. Für den Bereich des Arbeitsschutzes wird auf die Vorlage 16/1094 des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. September 2013 verwiesen. 5. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass es bei Sanierungsarbeiten nicht zu PCB-Freisetzungen kommt? Bei den Schadstoffsanierungen werden die einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Richtlinien beachtet, wie Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), PCB-Richtlinie, TRGS 900 und 905.