LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4851 22.01.2014 Datum des Originals: 22.01.2014/Ausgegeben: 27.01.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1832 vom 11. Dezember 2013 der Abgeordneten Ursula Doppmeier und Astrid Birkhahn CDU Drucksache 16/4640 Wie soll eine Zentralisierung der Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen zukünftig aussehen? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1832 mit Schreiben vom 22. Januar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister und dem Minister für Inneres und Kommunales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Für die Lebensmittelüberwachung vor Ort sind in Nordrhein-Westfalen nach der Zuständigkeitsverordnung Verbraucherschutz NRW die Kreisordnungsbehörden verantwortlich. In den Kreisen und kreisfreien Städten sind insgesamt 51 kommunale Lebensmittelüberwachungsämter der Kreisordnungsbehörden für die Lebensmittelüberwachung zuständig. Die Kommunen beschäftigen im Bereich der Lebensmittelüberwachung Fachtierärzte und Tierärzte, Lebensmittelchemiker , Lebensmittelkontrolleure und Amtliche Fachassistenten. Die Landesregierung will dies nun ändern. So heißt es in einem gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen: „Der Landtag fordert die die Landesregierung auf, für Betriebe mit überregionalen oder globalen Handels- und Produktionsströmen die hoheitliche Überwachungstätigkeit von Seiten des Landes durch interdisziplinär aufgestellte Teams des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) zu übernehmen und somit die Kommunen zu entlasten.“ Demnach soll die Lebensmittelüberwachung in NRW zukünftig zentral unter der Kontrolle der Landesregierung stehen. Als Begründung wird unter anderem aufgeführt , dass die Probenanzahl innerhalb der Kommunen und Kreise an der Einwohnerzahl und nicht an der Anzahl und der Größe der zu kontrollierenden Betriebe ausgerichtet werde; die meisten Kommunen und Kreise darauf verzichteten, neben Kontrolleuren und Veterinären auch Lebensmittelchemiker und -chemikerinnen zu beschäftigen; obendrein führe die ange- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4851 2 spannte Haushaltslage vieler Kommunen und Kreise dazu, dass nicht ausreichend Stellen und Mittel für die zu leistenden Aufgaben zur Verfügung stehen. Zudem heißt es im selben Antrag (Drucksache 16/3429, Seite 3): „Lebensmittelskandale lösen einen großen Vertrauensverlust bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern aus und wirken sich zugleich auch negativ auf den Agrarstandort und Produktionsstandort für Lebensmittel aus. Ein gutes Kontrollsystem dient insofern nicht nur dem Verbraucher, sondern allen Beteiligten der Wertschöpfungskette . Dies ist insbesondere zu beachten, da die Ernährungsindustrie einer der größten Arbeitgeber in NRW ist. [...]. Dabei beschäftigt der Bereich Lebensmittelproduktion in Industrie und Handwerk rund 220.000 Menschen und der Bereich Handel, Gastronomie und Dienstleistungen circa 500.000 Menschen. Diese Standortvorteile dürfen keinesfalls durch eine nachlässige Handhabung der Lebensmittelqualität gefährdet werden.“ Diese angeblichen Vollzugsdefizite werden jedoch von zahlrechen Kommunen und Lebensmittelüberwachungsämtern zurückgewiesen. So heißt es in der Stellungnahme des Städtetages (Drucksache 16/3429, Seite 1/2): „Wir vertreten grundsätzlich die Auffassung, dass die Lebensmittelkontrolle in Nordrhein-Westfalen insgesamt gut aufgestellt ist. Die in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie Lebensmittelkontrolleure, Kontrollassistenten , Tierärzte und Lebensmittelchemiker sowie das im Innendienst tätige Verwaltungspersonal der Kommunen leisten täglich hervorragende Arbeit. Uns ist kein Fall bekannt, in dem ein Verbraucher in Nordrhein-Westfalen durch einen Mangel im System der Lebensmittelüberwachung in Nordrhein-Westfalen geschädigt worden ist. [...]. Keinesfalls sollten die in der Vergangenheit aufgedeckten einzelnen sogenannten „Lebensmittelskandale“ als Maßstab für Forderungen nach gesetzgeberischen Konsequenzen, mehr Kontrollpersonal oder Umorganisation der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung dienen.“ Zudem wurde bei der öffentlichen Anhörung im Landtag von zahlrechen Experten das vom Verbraucherschutzministerium errechnete „Defizit“ an Lebensmittelkontrolleuren infrage gestellt. In unseren Wahlkreisen Gütersloh und Warendorf wären bei einer Zentralisierung der Lebensmittelüberwachung viele Betriebe, Kontrolleure und Veterinäre betroffen. Die in vielen Punkten von Experten kritisierten Auffassungen im Antrag von SPD und Grünen sowie die damit verbundenen Konsequenzen sorgen momentan für große Verunsicherung. Vorbemerkung der Landesregierung Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien sieht vor, dass „den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes folgend….die Tierarzneimittelüberwachung und die Kontrolle großer Lebensmittelunternehmen auf staatliche Ebene“ überführt werden sollen. Dazu will die Landesregierung Gespräche mit der kommunalen Familie aufnehmen und auf Bundesebene ein solches Vorgehen möglichst konsensual verabreden. Der Antrag 16/3429 der Regierungskoalitionen fordert die Landesregierung auf, für Betriebe mit überregionalen oder globalen Handels- und Produktionsströmen die hoheitliche Überwachungstätigkeit von Seiten des Landes durch interdisziplinär aufgestellte Teams des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW zu übernehmen und somit die Kommunen zu entlasten. Zu diesem Antrag hat am 25.11.2013 eine Expertenanhörung im Landtag stattgefunden, den Antrag hat der federführende AKUNLV allerdings noch nicht beraten . Unabhängig davon wird in der zuständigen Verbraucherschutzabteilung des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz bereits jetzt schon diskutiert und beraten, wie die Anforderungen aus dem Koalitionsvertrag der Regierungsparteien umgesetzt werden können. Dabei gilt es, eine Fülle von Sachverhalten und Fragestellungen zu klären. Die Arbeiten hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Auch sind die Ergebnisse LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4851 3 der parlamentarischen Beratungen zum Antrag 16/3429 der Regierungskoalitionen noch maßgeblich zu berücksichtigen. In Folge wird ein Vorschlag zur Umsetzung des o.g. Koalitionsziels erstellt, der dann zunächst innerhalb der Landesregierung und – wie im Koalitionsvertrag vorgesehen – anschließend mit der kommunalen Familie und weiteren Beteiligten diskutiert und dem zuständigen Landtagsausschuss zur Anhörung vorgelegt werden soll. Eine Zertifizierung von Betrieben wird in diesem Zusammenhang nicht betrachtet. 1. Nach welchen objektiven Kriterien z.B. Mitarbeiter, Umsatz etc. definiert die Lan- desregierung einen „großen“ Betrieb mit überregionalen oder globalen Handelsund Produktionsströmen? Das von Frau Bundesministerin a. D. Ilse Aigner in Auftrag gegebene Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes als Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes aus dem Jahr 2011 befasst sich mit dieser Frage. Das Gutachten führt hierzu folgendes aus: „Aus Sicht des Bundesbeauftragten sind die Aufgaben der amtlichen Kontrolle derzeit nicht in allen Bereichen aufgaben- und größenadädquat auf die staatlichen Ebenen verteilt. Die Kommunen, die die Hauptlast amtlicher Kontrollen tragen, sollen entlastet werden. Der Bundesbeauftragte empfiehlt, die Ebenenorganisation der amtlichen Kontrolle partiell neu auszurichten. Schlagkräftige interdisziplinäre Kontrolleinheiten, die über produkt-, branchen- und unternehmerspezifischen Sachverstand verfügen, sollten neben den herkömmlichen Kontrollstrukturen implementiert werden. (…) Die neuen herausgehobenen Kontrolleinheiten sollten vor allem die für einen überregionalen Markt produzierenden Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen sowie die Zentralen und Kopfsysteme überregional tätiger Handels- und Discounterketten für Lebensmittel sowie systemgastronomische Einrichtungen (z.B. Fastfood-Ketten sowie bundesweit agierende Unternehmen der Handels- Verkehrs- und Messegastronomie) überwachen . In der Zuständigkeit der bisherigen Überwachungsbehörden verbleiben sollten insbesondere das Ernährungshandwerk, ortsansässige gastronomische Einrichtungen, kleinere Einzelhandelsunternehmen einschließlich der einzelnen Filialen größerer Handels- und Discountketten sowie landwirtschaftliche Familienbetriebe.“ Die Landesregierung beabsichtigt sich für die Abgrenzung von „kommunalen und überregionalen “ Zuständigkeiten an diesen Kriterien zu orientieren. Sie wird dafür Sorge tragen, dass die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen kommunaler Ebene und Landesebene klar und sachgerecht erfolgt. 2. Wie hoch werden die Kontrollgebühren für die einzelnen Unternehmen sein, wenn eine „Vollkostenabdeckung“ der „interdisziplinären Teams“ aus Chemikern , Juristen, Betriebswissenschaftlern, Lebensmittelkontrolleuren und Tierärzten erreicht werden soll? Die europäische Kontrollverordnung (EU) Nr. 882/2004 schreibt schon jetzt für die Durchführung von amtlichen Nachkontrollen verpflichtend Gebührenerhebungen vor. Sie wird derzeit aktualisiert und neu beraten. Der erste Regelungsvorschlag zur „Revision der 882“ sieht darüber hinaus nunmehr vor, dass die Mitgliedstaaten auch für die Durchführung von Regelkontrollen europaweit Pflichtgebühren zu erheben haben und regelt in bestimmten Fällen Erleichterungen bzw. Ausnahmen von dieser Verpflichtung. Die Beratungen auf europäischer Ebene zu den Gebührenregelungen sind noch nicht abgeschlossen. Die zur Zeit geltende Verwaltungsgebührenordnung des Landes Nordrhein-Westfalen legt für die schon jetzt gebührenpflichtigen Nachkontrollen der Überprüfung von Lebensmittelbetrie- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4851 4 ben Gebühren fest, die sich nach Zeitspannen in Abhängigkeit von den Besoldungsstrukturen mittlerer, gehobener, höherer Dienst richten. Daraus errechnen sich in Abhängigkeit von der Betriebskontrolle und der Profession des Kontrollpersonals die Gebühren für diese Nachkontrollen. Da Gebühren im Grundsatz kostendeckend zu erheben sind, lässt sich mit diesem Ansatz im Einzelfall auch die „Vollkostenabdeckung“ für die spezifisch einzusetzenden Teams erreichen. 3. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung für Betriebe im Bereich der Fleischhygiene Wie im Vorspann ausgeführt, dauern die Überlegungen hierzu noch an. 4. Welchen Personalbestand wird das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrau- cherschutz NRW (LANUV) für die Zertifizierung einsetzen können? Wie den Vorbemerkungen zu entnehmen ist, strebt die Landesregierung keine Zertifizierung von Betrieben an. 5. Woher rekrutiert die Landesregierung das Personal für die neue Landeseinrich- tung? Stellen für Personal, das zusätzlich eingestellt werden muss, würden – wie in der Landesverwaltung üblich – auf dem freien Markt ausgeschrieben.