LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/4918 29.01.2014 Datum des Originals: 29.01.2014/Ausgegeben: 03.02.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1868 vom 8. Januar 2014 der Abgeordneten Henning Höne und Karlheinz Busen FDP Drucksache 16/4741 Werden nordrhein-westfälische Biolandwirte im Wettbewerb besonders benachteiligt? Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage 1868 mit Schreiben vom 29. Januar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden immer sensibler für hochwertigen Lebensmittelkonsum . Die Zahlungsbereitschaft für Lebensmittel im privaten Konsum steigt jedoch nicht im gleichen Maße. Darüber hinaus werden den Bio-Landwirten von Seiten der Politik immer härtere Wettbewerbsbedingungen durch stärkere Reglementierung aufgebürdet. So ist Nordrhein-Westfalen das bisher einzige Bundesland, in dem das so genannte „Zerschreddern “ von frisch geschlüpften männlichen Küken durch die rot-grüne Landesregierung verboten worden ist. Dieses NRW-spezifische Mehr an Tierschutz geht jedoch an der „agrarpolitischen Realität“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Januar 2014) vorbei und führt im Ergebnis zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Landwirte in Nordrhein-Westfalen, da alle anderen Bundesländer ein solches Vorgehen nicht wählen. Das Verbot führt unweigerlich dazu, dass die Produktionskosten steigen werden, ohne dass die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten zunimmt. Ein weiteres Problem für die Biobauern stellt auch eine zu entrichtende Gebühr an das LANUV dar. Dieses verlangt fünf Cent für die Bearbeitung von so genannten Ausnahmegenehmigungen die notwendig werden, wenn Biobetriebe konventionell erzeugte Küken einstallen , um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten. Dies geschieht obgleich es in NordrheinWestfalen nur eine einzige Brüterei gibt, die Bioküken verkauft. Dadurch bedingt gibt es dort eine Übernachfrage. Die Biolandwirte sind deshalb de facto auf das zusätzliche Einstallen von konventionell erzeugten Küken angewiesen und werden trotzdem durch diese Gebühr zusätzlich belastet. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4918 2 Der Eierzeuger Werner Deitert war elf Jahre lang Biobauer in Westfalen und hat seinen Betrieb nun wieder auf konventionelle Landwirtschaft umgestellt, da die Hürden der Biolandwirtschaft in NRW für ihn wirtschaftlich nicht mehr tragbar waren. In einem Schreiben an die Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft schreibt Herr Deitert, dass er künftig nicht mehr „chicken-wellness“ betreiben könne, da er die Junghennen auch aufziehe, um „daraus sein Einkommen zu erzielen“. (Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. Januar 2014) Vorbemerkung der Landesregierung Die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische /biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen sowie die entsprechenden Durchführungsverordnungen regeln im Detail, wie Öko- /Bio-Produkte erzeugt, verarbeitet und gekennzeichnet werden müssen. Sie definieren einen Mindeststandard der ökologischen Erzeugung, beschränken unter anderem den Einsatz von Dünge-, Pflanzenschutz- und Futtermitteln sowie von Verarbeitungszutaten, verbieten die Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen und regeln ausführlich Kontrolle und Kennzeichnung von Ökolebensmitteln. Jeder Ökobetrieb, der seine Erzeugnisse als Öko-Produkte vermarkten will, muss die detaillierten Bestimmungen dieser Verordnungen einhalten. Insofern gibt es einen EU-weiten einheitlichen Standard für die Ökolandwirtschaft, der hilft, mögliche Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Ökolandwirtschaft enthalten allerdings unbestimmte Rechtsbegriffe, die behördlich und gegebenenfalls gerichtlich auszulegen sind. Die für die gesetzlichen Rechtsvorschriften zum ökologischen Landbau zuständigen Behörden haben sich bundesweit zu einer „Länderarbeitsgemeischaft Ökologischer Landbau“ (LÖK) zusammengeschlossen , um solche notwendigen Auslegungen der Rechtsvorschriften – wo immer möglich - bundesweit abzustimmen. Vertreter der ökologischen Anbauverbände und der Öko-Kontrollstellen werden in diesen Prozess mit einbezogen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat für Kontrollen aller Bereiche in der Agrarmarktüberwachung Gebühren eingeführt. Die Durchführung von Prüfungen, die Ausstellung von Bescheinigungen und die Erteilung von Genehmigungen erfolgen bei Erzeuger-, Hersteller- und Handelsbetrieben in der Saatgut-, Düngemittel-, Eier-, Obst-, Gemüse-, Fisch-, Fleisch- und Ökobranche. Die hierfür zuständige Behörde, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz hat für die genannten Amtshandlungen auf der Grundlage des Gebührengesetzes und der Verwaltungsgebührenordnung NRW aufwandsabhängige Gebühren eingeführt , mit deren Hilfe ein Teil der Marktüberwachung finanziert wird. Ziel der Gebühreneinführung war eine Verstärkung der Marktüberwachung und damit einhergehend eine Verbesserung des Verbraucherschutzes in NRW. 1. Wie viele Biolandwirtschaftsbetriebe haben in den Jahren von 2005 bis 2013 in Nordrhein-Westfalen ihren Betrieb wieder auf konventionelle Landwirtschaft umstrukturiert ? (Bitte untergliedert nach Jahren sowie absoluten und prozentualen Angaben aufschlüsseln.) Hierzu liegen der Landesregierung keine amtlichen statistischen Daten vor. Hilfsweise legt die Landesregierung in der nachfolgenden Tabelle Zahlen aus der Förderstatistik des Direktors der Landwirtschaftskammer als Landesbeauftragter vor. Die Zahl der geförderten Betriebe entspricht nicht der tatsächlichen Zahl der Ökobetriebe in Nordrhein-Westfalen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4918 3 Entwicklung der Anzahl landwirtschaftlicher Unternehmen, die als Öko-Betriebe gefördert werden Jahr 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 A Anzahl der geförderten Unternehmen im jeweili- gen Jahr (Stand 15.05.) 1.258 1.411 1.372 1.407 1.421 1.490 1.516 1.590 B Anzahl der Unternehmen, die im jeweiligen Jahr aus der Förderung ausgestiegen sind 31 35 118 73 73 96 26 105 C Anzahl der Unternehmen aus Zeile B, die die Landwirtschaft aufgegeben haben 18 16 20 29 38 34 17 25 D Anzahl der Unternehmen aus Zeile B, die auf konventionelle Bewirtschaftung umgestellt haben 13 19 98 44 35 62 9 80 E Anzahl der Unternehmen, die auf konventionelle Bewirtschaftung umgestellt haben, in Relation zur Anzahl der geförderten Unternehmen (Zeile D in Relation zu Zeile A) 1.03 1,35 7,14 3,13 2,46 4.16 0,59 5,03 2. Welche NRW-spezifischen Auflagen gibt es, die unsere Biolandwirte zu erfüllen haben, die in anderen Bundesländern nicht angewendet werden? Der Landesregierung sind keine wettbewerbsrelevanten NRW-spezifischen Auflagen bekannt , die Biolandwirte in NRW zu erfüllen haben, die in anderen Ländern nicht erfüllt werden müssen (siehe hierzu auch die Vorbemerkung der Landesregierung). 3. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um diese Wettbewerbsverzer- rungen innerhalb der Bundesrepublik zu beseitigen? Keine (siehe Antwort zu Frage 2). 4. Wie beurteilt die Landesregierung die vorgetragenen Bedenken, dass Biolandwirte durch zusätzliche Auflagen ihren Betrieb verstärkt einstellen beziehungsweise wieder auf konventionelle Landwirtschaft umstellen müssen? Die Landesregierung beobachtet mit Besorgnis, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft stetig voranschreitet. Dieser Strukturwandel betrifft auch landwirtschaftliche Betriebe, die ökologisch wirtschaften. Die von der Landwirtschaftskammer bisher ausgewerteten Zahlen belegen, dass insbesondere ältere Betriebsinhaber in kleineren rindviehhaltenden Betrieben in Grünlandregionen ihre Betriebe aufgegeben haben (siehe auch Antwort der Frage 1). Ein Grundprinzp der EU-Rechtsvorschriften zum Ökologischen Landbau war es, bestehenden Ökobetrieben eine großzügige Übergangsfrist einzuräumen, bis sie die strengen Rechtsvorschriften vollständig erfüllen müssen. So gab es zum Beispiel eine 10-jährige Übergangsvorschrift, bis Betriebe mit (nicht tiergerechter) Anbindehaltung von Rindern auf eine (tiergerechte) Laufstallhaltung umstellen mussten. Bei Auslaufen von solchen Übergangsfristen gab es immer Betriebe, die entsprechende Stallumbauten vorgenommen hatten und andere, die ein solches Auslaufen von Ausnahmen zum Anlass nahmen, ihre Ökobewirtschaftung aufzugeben. Auch der in der Vorbemerkung der Abgeordneten genannte Eiererzeuger wusste seit 3 Jahren, dass er bis Ende 2013 seinen überdachten Auslauf so be- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/4918 4 messen musste, dass jeder Junghenne 400 qcm zur Verfügung gestellt werden musste; alternativ hätte er auf die Investition verzichten und Zugang zu Freiland gewähren können. 5. Wie viele Menschen sind in Nordrhein-Westfalen in der Biolandwirtschaft beschäf- tigt? Hierzu liegen der Landesregierung keine amtlichen statistischen Daten vor. In NRW gibt es mit Stand Juli 2013 1850 landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe. Der durchschnittliche Arbeitskräftebesatz (AK) in Ökobetrieben betrug in Nordrhein-Westfalen im Wirtschaftsjahr 2010/2011 2,3 AK. Daher kann grob von 4.255 landwirtschaftlichen Arbeitskräften ausgegangen werden.