LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5047 11.02.2014 Datum des Originals: 11.02.2014/Ausgegeben: 14.02.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1851 vom 13. Dezember 2013 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/4709 Gewalt gegen Männer Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 1851 mit Schreiben vom 11. Februar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Justizminister und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Zum Problem der häuslichen Gewalt in Familien hat der Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation am 11. Dezember 2013 ein Sachverständigengespräch durchgeführt. Im Rahmen der Ausschusssitzung und im Austausch mit den Sachverständigen konnten sich die Abgeordneten mit dem Für und Wider auseinandersetzen, ob das Oranje Huis – Konzept als Ansatz für die Erweiterung oder Anpassung der nordrhein-westfälischen Angebotsstruktur für gewalttätige Lebenspartner dienen kann. Das Opfersein von Frauen ist in der breiten Bevölkerung mittlerweile anerkannt. Jede vierte Frau wird wissenschaftlichen Studien zufolge in ihrem Leben Opfer von körperlicher und häuslicher Gewalt. Hierfür besteht in Nordrhein-Westfalen eine noch weiter zu optimierende Hilfestruktur. Der in Arbeit befindliche Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen strebt hier Verbesserungen an. Aber auch Männer können Opfer häuslicher Gewalt werden. Das Opfersein von Männern bleibt allerdings weiterhin eher im Verborgenen, obwohl beispielsweise eine Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) des Robert-Koch-Instituts herausgearbeitet hat, dass es mehr männliche Opfer häuslicher Gewalt gibt, als gemeinhin angenommen wird. So ist studienseitig dargelegt, dass Frauen häufiger als Männer körperliche Gewalt gegen- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5047 2 über ihrem Partner oder sonstigen Familienmitgliedern ausüben. Weibliche Gewalt wird den Ergebnissen nach zu urteilen im häuslichen Bereich verortet, wohingegen männliche Gewalt oft eher am Arbeitsplatz oder im Sozialraum auftritt. Vorbemerkung der Landesregierung Es steht außer Frage, dass häusliche Gewalt auch von Frauen verübt wird. Hinsichtlich der Größenordnung und des Verletzungspotenzials ist jedoch eine differenzierende Betrachtungsweise vonnöten. So kommt beispielsweise die Evaluation der nordrhein-westfälischen Polizeigesetznovelle (Erhebungszeitraum 01.08.2003 – 31.01.2004) zu dem Ergebnis, dass 92,3 Prozent der Taten von Männern ausgeübt wurden. Des Weiteren zeigt sich im Vergleich der repräsentativen Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ aus dem Jahr 2004 mit der ebenfalls im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in 2003/2004 erstellten Pilotstudie ‚Gewalt gegen Männer‘, dass sich auch die Intensität der Gewalt gegenüber Frauen und gegenüber Männern signifikant voneinander unterscheidet. Die in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage zitierte „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ des Robert-Koch-Instituts aus dem Jahr 2013 ist jedoch kritisch zu betrachten. Ein zentraler Schwachpunkt der Studie ist, dass (Partner-)Gewalt nicht gendersensibel erfasst wurde; insbesondere fehlt eine differenzierte Erhebung von Schweregraden und Folgen der ausgeübten Gewalt. Sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung werden nicht dargestellt . Außerdem werden die Selbstaussagen zur eigenen Gewaltbereitschaft und -ausübung nicht ausreichend kritisch hinterfragt, was zu einer verzerrten Interpretation führt. 1. Beurteilt die Landesregierung den Umstand, dass Frauen und Männer gleicher- maßen Opfer häuslicher Gewalt werden können, dahingehend, dass ein entsprechender Handlungsbedarf in Richtung beider Geschlechter besteht? Wie sich aus der Vorbemerkung der Landesregierung ergibt, sind Frauen und Männer nicht gleichermaßen von häuslicher Gewalt betroffen. Dessen ungeachtet müssen beide Geschlechter vor Partnergewalt geschützt werden. Die Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen verfolgt unabhängig von Geschlecht und Alter der Opfer konsequent alle Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt. Die Grundlagen polizeilichen Handelns hat das Ministerium für Inneres und Kommunales NordrheinWestfalen in der Broschüre „Häusliche Gewalt und polizeiliches Handeln - Information für die Polizei und andere Beteiligte“ festgelegt. Häusliche Gewalt kommt auch in den Herkunftsfamilien von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgendern und Intersexuellen (LSBTTI) und in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vor. Strategien gegen Diskriminierung und häusliche Gewalt sind deshalb ein wichtiges Ziel des „NRW-Aktionsplans für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt – gegen Homo- und Transphobie“. Geschlechtsspezifische Opferdaten zur häuslichen Gewalt liegen der Landesregierung nicht vor. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5047 3 2. Für Frauen besteht die Möglichkeit, in Frauenhäusern Schutz zu suchen. Gibt es ähnliche Angebote auch für Männer? Von jedem vernetzten Arbeitsplatz der Polizei besteht Zugriff auf die OpferschutzAnwendung VIKTIM im bundesweiten Extrapol (Intranet der Polizeien der Länder und des Bundes). Bestandteil der Anwendung ist eine Datenbank „Hilfeeinrichtungen“, in der die 47 Kreispolizeibehörden ihnen bekannt gewordene örtliche Hilfeangebote und -einrichtungen der Opferhilfe erfassen und pflegen. Eine Abfrage ergab 17 Treffer zu Unterkünften in NRW, in denen eine temporäre Unterbringung von Männern grundsätzlich möglich ist. Hierbei handelt es sich überwiegend um Notschlafstellen karitativer Einrichtungen. Diese sind nicht gleichzusetzen mit der geschützten Unterbringung in einem Frauenhaus. 3. Welche Beratungsinstitutionen bestehen zurzeit in Nordrhein-Westfalen für die Männerberatung hinsichtlich des Opferschutzes und der Hilfeeinrichtung für Täter ? In der Anwendung VIKTIM sind aktuell 276 Beratungsangebote, die zumindest auch für Männer zugänglich sind, erfasst. Es handelt sich überwiegend um  Angebote der Information, Diagnostik, Beratung, Therapie (meist durch die örtlichen Beratungsstellen für Ehe- und Lebensfragen)  Angebote der Außenstellen der Opferhilfeorganisation „Weißer Ring e. V.“  Angebote für traumatisierte Opfer, wie Ambulanzen für Gewaltopfer und Fachstellen für Psychotraumatologie und  Unterstützungsangebote bei Antragstellung (soziales Entschädigungsrecht, Nebenklage , Prozesskostenhilfe). Die Angebote stehen allen Opfern zur Verfügung. Darüber hinaus weist VIKTIM acht spezialisierte Angebote für männliche Opfer in verschiedenen Städten in Nordrhein-Westfalen aus. Hilfeeinrichtungen für Täter werden in VIKTIM nicht standardmäßig erfasst. Schwule, bisexuelle Männer und auch Trans*Personen können sich in Krisensituationen an die fünf vom Land geförderten psychosozialen Beratungsstellen für Lesben, Schwule und deren Angehörige in NRW wenden. Seit dem Jahr 2011 fördert das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen des Projekts "Förderung der Täterarbeit als Mittel der Gewaltprävention und der Haftvermeidung " Täterarbeitseinrichtungen nach den Standards und Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt (BAG TäHG). Im Jahr 2013 haben 18 Täterarbeitseinrichtungen Unterstützung erhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5047 4 4. Welche Männerberatungsstellen werden mithilfe von Landesmitteln unterstützt? (Bitte bei Beantwortung auch die Höhe der bundesseitigen Mitfinanzierung angeben , sofern diese besteht.) Von den fünf psychosozialen Beratungsstellen für Lesben, Schwule und deren Angehörige in Nordrhein-Westfalen offerieren vier – die Beratungsstellen in Münster, Bochum, Köln und Siegen – Angebote für Männer. Alle fünf Beratungsstellen erhalten eine Landesförderung. Darüber hinaus existiert keine landesseitige Förderung von Beratungsstellen für männliche Opfer. 5. Wie verteilt sich die landesseitige Mittelfinanzierung für das laufende Haushalts- jahr auf die jeweiligen Männerberatungsstellen? Es wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen.