LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5071 14.02.2014 Datum des Originals: 13.02.2014/Ausgegeben: 19.02.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1882 vom 9. Januar 2014 der Abgeordneten Theo Kruse und Dr. Marcus Optendrenk CDU Drucksache 16/4779 Sanierung des Polizeigewahrsams in Kempen – eine unlösbare Aufgabe für die rotgrüne Landesregierung? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 1882 mit Schreiben vom 13. Februar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Anfang 2012 erklärte Innenminister Ralf Jäger, dass die Polizeigewahrsame des Landes Nordrhein-Westfalen im Rahmen eines mehrjährigen Programms an neu entwickelte Sicherheitsstandards angepasst würden. Hierfür stehe der Innenverwaltung ein Finanzrahmen in Höhe von 40 Millionen Euro zur Verfügung. Mit der Planung und Ausführung der erforderlichen Modernisierungsmaßnahmen sei der BLB NRW beauftragt. In diesem Zusammenhang führte der Minister aus, dass mit einer Fertigstellung des seit August 2011 im Umbau befindlichen Gewahrsams der Polizeiwache Kempen voraussichtlich im Juni 2012 zu rechnen sei. Landesweit sollten im Rahmen des Gewahrsamssanierungsprogramms insgesamt ca. 110 Gewahrsame an neue Sicherheitsstandards angepasst werden (vgl. Vorlage 15/1203). Bereits zum Zeitpunkt des damaligen Berichts herrschte innerhalb der Polizei massiver Frust über die Gewahrsamssituation im Kempen. Da der dortige Polizeigewahrsam schon seit August 2009 wegen baulicher Mängel geschlossen war, mussten Personen, die in Kempen in Gewahrsam genommen wurden, nach Viersen (17 Kilometer) bzw. Kaldenkirchen (20 Kilometer ) verbracht werden, was einen erheblichen Aufwand an Zeit und Personal erforderte. Die von Innenminister Ralf Jäger für Juni 2012 in Aussicht gestellte Fertigstellung der Gewahrsamseinrichtung ist inzwischen seit eineinhalb Jahren überfällig. Zudem sollen sich die LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5071 2 ursprünglich auf 250.000 Euro geschätzten Kosten für die Sanierungsarbeiten in Kempen inzwischen auf 400.000 Euro erhöht haben. Vorbemerkung der Landesregierung Den Staat trifft eine Schutzpflicht zugunsten der Personen, welche von staatlichen Organwaltern in Gewahrsam genommen werden. Diese Schutzpflicht führt nicht nur zu Handlungspflichten in Bezug auf die personelle Überwachung und Betreuung in Gewahrsam genommener Personen. Es sollte auch durch die Baulichkeiten möglichst ausgeschlossen sein, dass Selbsttötungen oder Verletzungen vorkommen können. Das seit 2008 laufende und bis 2020 fortzuführende Gewahrsamssanierungsprogramm dient der baulichen Ertüchtigung der Gewahrsame nach § 37 PolG (vgl. Vorlage 15/1203). Art und Umfang der im Rahmen dieses Programms erforderlichen Maßnahmen wurden in Zusammenarbeit mit dem operativ zuständigen Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW (LZPD NRW) nach umfangreichen Erhebungs- und Abstimmungsprozessen mit dem mit der Planung und Ausführung beauftragten Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW (BLB NRW) bestimmt und werden fortlaufend an den Fortgang des Projektes angepasst. Die Abarbeitung des Programms wurde im Rahmen eines fortlaufend zu aktualisierenden Zeit- und Finanzplans strukturiert, der neben einer Festlegung des Umfangs des Sanierungsbedarfs vor dem Hintergrund der nur beschränkt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel auch die Festlegung einer Rangreihung nach besonderer Dringlichkeit der erforderlichen Maßnahmen sowie eine zeitliche Staffelung der Sanierungsmaßnahmen im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der Behörde zu berücksichtigen hat. Darüber hinaus war und ist dieser im Hinblick auf die beim BLB NRW zur Verfügung stehenden personellen und sachlichen Kapazitäten fortlaufend mit diesem abzustimmen. Die verbindliche Kalkulation der mit der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen einhergehenden Kosten ist aus den folgenden Gründen außerordentlich aufwendig: Zum einen handelt es sich um ein einheitliches Gesamtprojekt mit zahlreichen Einzelmaßnahmen , deren Realisierung im Bestand erfolgt, mit allen damit bekanntermaßen einhergehenden Unwägbarkeiten und Unvorhersehbarkeiten. Zum anderen können i.d.R. keine pauschalen Kostenwerte angelegt werden, da die notwendigen Maßnahmen je nach Größe und Zustand des jeweiligen Gewahrsams im individuellen Einzelfall stark differieren. Zudem sind die Kosten abhängig von der allgemeinen Preisentwicklung im Baubereich, die schwer zu prognostizieren ist. Unter Beachtung dieser Ausgangslage und der zwingenden Gegebenheiten hat sich das durch LZPD NRW und BLB NRW in Zusammenarbeit mit den Baudezernaten der fünf Bezirksregierungen entwickelte Verfahren zur Umsetzung des Gewahrsamssanierungsprogramms bewährt und ermöglicht eine strukturierte und planmäßige Abarbeitung der einzelnen Maßnahmen. Dabei gehen im Rahmen der Umsetzung der Maßnahmen gewonnene Erkenntnisse kontinuierlich in die laufenden Planungen ein. Wie bereits mit Vorlage vom 31.01.2012 (Vorlage 15/1203) ausgeführt, bedingt die Umsetzung des Gewahrsamssanierungsprogramms einen zum Teil erheblichen Sanierungsaufwand , der i.d. R. zu mehr oder weniger umfangreichen Beeinträchtigungen des Gewahrsamsbetriebs in den jeweiligen Gewahrsamen und damit des Dienstbetriebs insgesamt führt. BLB NRW und die jeweils zuständige Ausgangsbehörde sind gebeten, im Wege eines sachgerechten und vertrauensvollen Projektabwicklungsmanagements einerseits die Gewährleistung der dienstlichen Erfordernisse und Abläufe sicherzustellen, andererseits die betroffenen Personalvertretungen und Bediensteten über Beginn, Dauer und Ende der Umbaumaßnah- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5071 3 men permanent zu unterrichten, um Irritationen, Verstimmungen und Verärgerungen bei den Betroffenen zu vermeiden. 1. Warum konnten die Arbeiten an der Gewahrsamseinrichtung der Polizeiwache Kempen bis heute nicht abgeschlossen werden? Die Arbeiten sind schon seit längerem abgeschlossen. Das Objekt wurde am 25.11.2013 durch den BLB NRW an die zuständige Kreispolizeibehörde übergeben. Der BLB NRW hatte die bauliche Fertigstellung am 23.10.2012 an das LZPD NRW und die zuständige Bezirksregierung gemeldet. Die Übergabe verzögerte sich, weil neuere technische Erkenntnisse bezüglich einzelner Sicherheitsaspekte der Ausgestaltung der Zellen zu berücksichtigen waren. 2. Warum haben sich die Kosten gegenüber der ursprünglichen Kostenschätzung für die Sanierung des Polizeigewahrsams in Kempen seit dem Projektbeginn verändert? Die zuständige Niederlassung des BLB NRW in Duisburg hat für den Umbau des Gewahrsams in Kempen ursprünglich Kosten in Höhe von 230.000 € geschätzt. Tatsächlich abgerechnet wurden 239.768 €, bedingt durch notwendige, marginale Änderungen des Bausolls während der Umbauphase. Auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Unwägbarkeiten bei Baumaßnahmen im Bestand ist diese Kostensteigerung nicht auffällig, zumal es sich bei dem Gewahrsamsmodernisierungsprogramm, was die Haushaltsausstattung und Kostenermittlung angeht, um eine Gesamtmaßnahme handelt. 3. Auf welchem Stand befinden sich die Neu-/Umbauarbeiten in den übrigen von dem Gewahrsamssanierungsprogramm betroffenen Objekten? (Bitte unter Angabe der Dauer der Sanierungsmaßnahmen jeweils einzeln auflisten.) Nach aktuellen Planungen sollen im Zeitraum 2008 bis 2020 insgesamt 96 Gewahrsame der Polizei mit über 500 Zellen im Rahmen des Gewahrsamssanierungsprogramms an heutige Sicherheitsstandards angepasst werden. Davon sind die erforderlichen Maßnahmen in folgenden 15 Maßnahmen abgeschlossen: KPB Euskirchen/Gewahrsam Euskirchen, KPB Gütersloh/Gewahrsame Halle und RhedaWiedenbrück , PP Hagen/Präsidium, KPB Kleve/Gewahrsam Kleve, KPB Lippe/Gewahrsam Detmold, PP Münster/Präsidium, KPB Rhein-Sieg-Kreis/Gewahrsame Eitorf und Sankt Augustin , KPB Unna/Gewahrsame Schwerte und Unna, KPB Viersen/Gewahrsame Kempen und Willich, KPB Warendorf/Gewahrsam Ahlen und KPB Wesel/Gewahrsam Wesel. Darüber hinaus ist das Gewahrsam des PP Aachen in Stolberg baulich grundsätzlich fertig gestellt und in Betrieb, kleinere Nachbesserungsarbeiten laufen derzeit. Weitere 30 Maßnahmen wurden beauftragt und befinden sich in der Umsetzungsphase, dies sind: PP Aachen/Gewahrsame Alsdorf und Präsidium, PP Bielefeld/Gewahrsame Bielefeld und Brackwede, PP Bonn/Präsidium, KPB Borken/Gewahrsame Bocholt und Borken, PP Dortmund / Gewahrsam Dortmund Huckarde, PP Düsseldorf/Präsidium, PP Duisburg/Präsidium, KPB Gütersloh/Gewahrsam Gütersloh, PP Hamm/ Präsidium, PP Köln/Gewahrsame Nordwest (Chorweiler), Nippes und Porz, KPB Kleve/Gewahrsam Goch, KPB Märkischer Kreis/Gewahrsam Lüdenscheid, KPB Minden-Lübbecke/Gewahrsame Bad Oeynhausen und Minden, KPB Oberbergischer Kreis/Gewahrsam Wipperfürth, KPB Paderborn/Gewahrsam LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5071 4 Paderborn, PP Recklinghausen/Gewahrsam Marl, KPB Rhein-Erft-Kreis/Gewahrsam Hürth, KPB Rhein-Kreis-Neuss/ Gewahrsame Dormagen, Meerbusch und Neuss, KPB Rhein-SiegKreis / Gewahrsam Troisdorf, KPB Siegen-Wittgenstein/Gewahrsam Kreuztal, KPB Viersen /Gewahrsame Nettetal und Viersen. Die Fertigstellung der Maßnahmen wird voraussichtlich im Zeitraum von Februar 2014 bis Anfang 2016 erfolgen, die erforderliche Anpassung des Zentralgewahrsams in Düsseldorf ist bis Ende 2018 vorgesehen. Die restlichen 50 Gewahrsame werden nach einem nach Priorität festgelegten Programm und entsprechend der Zurverfügungstellung von Haushaltsmitteln bis 2020 saniert werden. Es handelt sich um folgende Standorte: PP Bochum/Gewahrsame Wanne-Eickel, Herne, Bochum Ost, Witten, Zentralgewahrsam Präsidium, Bochum West, PP Bonn/ Gewahrsam Bonn Innenstadt, KPB Coesfeld /Gewahrsame Dülmen, Coesfeld und Lüdinghausen, PP Dortmund/Gewahrsame Nord und Körne, KPB Düren/Gewahrsame Düren und Jülich, PP Düsseldorf/Gewahrsame Heinrich -Heine-Allee, Wilhelm-Raabe-Straße und Düsseldorf- Bilk, KPB Ennepe-RuhrKreis /Gewahrsam Ennepetal, PP Essen/Zentralgewahr-sam Präsidium, KPB Heinsberg /Gewahrsam Hückelhoven, KPB Herford/Gewahrsame Herford und Bünde, KPB Hochsauerlandkreis /Gewahrsame Arnsberg, Brilon und Meschede, KPB Höxter/Gewahrsame Bad Driburg und Warburg, PP Köln/Gewahrsame West, Südwest, Leverkusen und Nord-Ost, KPB Mettmann/Gewahrsam Langenfeld, KPB Minden-Lübbecke/Gewahrsam Lübbecke, KPB Olpe/Gewahrsame Lennestadt, Attendorn und Olpe, PP Recklinghausen/Gewahrsam Castrop-Rauxel, KPB Rhein-Erft-Kreis/Gewahrsame Kerpen, Brühl, Bergheim und Pulheim, KPB Rheinisch-Bergischer-Kreis/Gewahrsam Bergisch-Gladbach, KPB Rhein-Kreis-Neuss, Gewahrsam Kaarst, KPB Siegen-Wittgenstein /Gewahrsam Siegen, KPB Soest /Gewahrsame Warstein, Lippstadt, Soest und Werl, KPB Unna/Gewahrsam Kamen, PP Wuppertal/Gewahrsam Remscheid. 4. Inwieweit haben sich die ursprünglichen Kostenschätzungen für die Sanierung der übrigen von dem Gewahrsamssanierungsprogramm betroffenen Objekte seit dem Projektbeginn verändert? (Bitte unter Angabe der Kostenentwicklung jeweils einzeln auflisten.) Da es sich um ein Gesamtsanierungsprojekt mit einheitlicher Finanzierung handelt, nicht um unverbundene Einzelprojekte, einschließlich interner Gegenrechnung von Mehrkosten bzw. Einsparungen, wird eine einheitliche Abrechnung der Gesamtkosten erfolgen und dem Landtag zu gegebener Zeit mitgeteilt werden. 5. Wird der zur Verfügung stehende Finanzrahmen von 40 Millionen Euro für das Gewahrsamssanierungsprogramm ausreichen? Wie bereits im Rahmen der Vorlage 15/1203 ausgeführt, steht der genannte Finanzrahmen von 40 Millionen Euro der Innenverwaltung als Mieter für den von ihr zu tragenden Anteil an den Kosten des Gewahrsamssanierungsprogramms zur Verfügung. Unter Verweis auf die o.g. Ausführungen bezüglich der Schwierigkeiten bei der Kalkulation der voraussichtlichen Kosten ist der Innenverwaltung - insbesondere auch im Hinblick auf die vorgesehene Laufzeit des Programms bis 2020 - eine abschließende und verbindliche Aussage zur absoluten Auskömmlichkeit dieser Mittel nicht möglich. Nach derzeitigen Erkenntnissen wird jedoch davon ausgegangen, dass dieser Finanzrahmen grundsätzlich eingehalten werden kann, andernfalls wird frühzeitig die Sicherstellung der Haushaltsvorsorge in die Wege geleitet werden.