LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5165 26.02.2014 Datum des Originals: 26.02.2014/Ausgegeben: 04.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1912 vom 22. Januar 2014 der Abgeordneten Christian Lindner und Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4869 Auch Beamte wollen mit 63 Jahren ohne Abzüge früher in den Ruhestand – Welche Kosten kommen auf das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn das Vorhaben der Großen Koalition für Angestellte analog auf Landesbeamte übertragen wird? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1912 mit Schreiben vom 26. Februar 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Minister für Inneres und Kommunales, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales und der Ministerin für Gesundheit, Emanzipation , Pflege und Alter beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nachdem in den letzten Jahren eine deutliche Abkehr von den zum Teil ausgesprochen großzügigen Vorruhestandsregelungen für Arbeitnehmer zu erkennen gewesen ist, die seit den 1970er Jahren häufig angewandt worden sind, um ältere Arbeitnehmer zur Senkung der Arbeitslosenquote in den Vorruhestand zu schicken, hat die Große Koalition in Berlin nun überraschend in dieser Frage eine bemerkenswerte Kehrtwende beschlossen. Nach Meinung von CDU und SPD sollen langjährig Versicherte künftig mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen können. Dieses Vorhaben wurde ausdrücklich in den schwarzroten Koalitionsvertrag aufgenommen. Konkret heißt es dort: „Seit Beginn des Jahres 2012 können langjährig Beschäftigte nach 45 Beitragsjahren mit Erreichen des 65. Lebensjahres ohne die sonst fälligen Abschläge in Rente gehen. Es hat sich in der Arbeitswelt viel zu Gunsten Älterer verbessert, aber wir sind noch nicht am Ziel. Deshalb werden wir die bereits vorhandene Vertrauensschutzregelung zur Anhebung der Regelaltersgrenze erweitern: Langjährig Versicherte, die durch 45 Beitragsjahre (einschließlich Zeiten der Arbeitslosigkeit) ihren Beitrag zur Stabilisierung der Rentenversicherung erbracht haben, können ab dem 1. Juli 2014 mit dem vollendeten 63. Lebensjahr abschlagsfrei LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5165 2 in Rente gehen. Das Zugangsalter, mit dem der abschlagsfreie Rentenzugang möglich ist, wird schrittweise parallel zur Anhebung des allgemeinen Renteneintrittsalters auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben.“ Die noch recht unkonkreten Formulierungen im Koalitionsvertrag lassen im Ergebnis offen, welcher genaue Personenkreis tatsächlich von der geplanten Neuregelung profitieren wird – insbesondere, da auch Einzelheiten, beispielsweise zur Anrechnung von Arbeitslosenzeiten, noch nicht zwischen den Koalitionspartnern entschieden sind. Dennoch hat die Zeitung DIE WELT am 11. Dezember 2013 die Kosten des Vorhabens „Rente mit 63 ohne Abschlag“ bereits auf schätzungsweise 3,5 bis 4,5 Milliarden Euro beziffert. Diese Rechtsänderung ist neben der Mütterrente ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die Große Koalition im Bund mit einer ökonomisch nicht vertretbaren Ausweitung von vermeintlich sozialen Leistungen bei bestimmten Zielgruppen beliebt machen will und dafür einen Griff in die Sozialkassen auch ausdrücklich zu Lasten der jungen Generation vollzieht. In den Koalitionsverhandlungen sind die Auswirkungen der Rentenpläne auf Beamte kein Gegenstand von Verabredungen gewesen, zumindest ist darüber öffentlich nichts bekannt. Der Vorsitzende des Beamtenbundes, Klaus Dauderstädt, hat aber in bereits erwähntem Artikel der WELT eine Gleichbehandlung für die Beamten klar reklamiert: "Wir fordern die systemgerechte Übertragung von Verbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Alles andere wäre sachlich nicht zu begründen und schlicht ungerecht." Auf der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes (DBB) in Köln hat soeben der neue Innenminister Thomas de Maizière am 6. Januar 2014 die Forderung einer „Pension mit 63“ für langjährige Beamte deutlich zurückgewiesen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet am 6. Januar 2014: „Es kann hier keinen Automatismus geben“, sagte de Maizière am Montag. Das oft bemühte Prinzip einer „wirkungsgleichen Übertragung“ von Rentenreformen auf die Beamtenversorgung sei „kein Selbstzweck“ und reiche „als Argument allein nicht aus“, betonte er in seiner ersten Grundsatzrede im neuen Amt vor der organisierten Beamtenschaft.“ Auch der nordrhein-westfälische Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hat sich laut Medienberichten gegen die Forderung der Beamten positioniert. Dennoch ist es unverändert möglich, dass neben der „Rente mit 63“ auch die „Pension mit 63“ gesetzlich verankert wird. Immerhin zitiert die FAZ am 11. Dezember 2013 den CDURentenpolitiker Peter Weiß dahingehend: „Über eine Übertragung der Rentenpläne von Union und SPD auf Beamte und Pensionäre haben wir in den Koalitionsverhandlungen nicht gesprochen. Aber da wir ja die Rente mit 67 wirkungsgleich auf die Beamten übertragen, ist es nur logisch, dass der Beamtenbund nun auch eine Übertragung der vereinbarten Verbesserungen auf seine Klientel fordert.“ Laut diesem FAZ-Artikel hält der zitierte Rentenpolitiker, der als Mitglied der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales den Koalitionsvertrag mit aushandelte, es schon für möglich, dass viele Beamte des mittleren und gehobenen Dienstes, die mit 18 Jahren in den Beruf eintreten, künftig in den Genuss der geplanten „Rente mit 63“ nach 45 Beitragsjahren kommen könnten. Sollte es so kommen, dass neben Angestellten auch die Beamten von dieser Neuregelung profitieren, dürften auf das Land Nordrhein-Westfalen sowie seine Kommunen Kosten in ganz erheblicher Millionengrößenordnung zukommen. Es ist daher ein legitimes Anliegen des Parlamentes, umfassende Daten und alle Informationen über mögliche Auswirkungen der neuen Gesetzgebung des Bundes für das Land Nordrhein-Westfalen zu erhalten. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5165 3 Vorbemerkung der Landesregierung Nach dem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD ist vorgesehen, dass in der gesetzlichen Rentenversicherung langjährig Versicherte, die durch 45 Beitragsjahre (einschließlich Zeiten der Arbeitslosigkeit) ihren Beitrag zur Stabilisierung der Rentenversicherung erbracht haben, ab dem 1. Juli 2014 mit dem vollendeten 63. Lebensjahr abschlagsfrei in Rente gehen können. Das Zugangsalter, mit dem der abschlagsfreie Rentenzugang möglich ist, wird schrittweise in Abhängigkeit vom Geburtsjahrgang auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben . Zwischenzeitlich hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVLeistungsverbesserungsgesetz ) vorgelegt. Nach der derzeitigen Rechtslage ist der Bezug einer abschlagsfreien Altersrente grundsätzlich erst bei Vollendung des 65. Lebensjahres und dem Erreichen von 45 Beitragsjahren (ohne Berücksichtigung der Zeiten von Arbeitslosigkeit) möglich. Die Regelung war im Zusammenhang mit der stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze (Rente mit 67) für den Personenkreis der besonders langjährig Versicherten eingeführt worden. Darüber hinaus haben schwerbehinderte Menschen ab Vollendung des 63. Lebensjahres die Möglichkeit, eine abschlagsfreie Altersrente zu beziehen, wenn 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorliegen. In Anlehnung an das Rentenrecht wurde mit dem Dienstrechtsanpassungsgesetz eine entsprechende Regelung für einen abschlagsfreien Ruhestand mit Blick auf die steigenden Altersgrenzen in der Beamtenversorgung eingeführt. Bei langen Dienstzeiten entfällt als Ausgleich für die Anhebung des Ruhestandseintrittsalters der Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung in den Ruhestand auf Antrag ab dem vollendeten 65. Lebensjahr und berücksichtigungsfähigen Zeiten von 45 Jahren. Als berücksichtigungsfähige Zeiten gelten hierbei insbesondere Beamten-, Wehr-, Zivil- und Vordienstzeiten in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis, ferner Kindererziehungs- und Pflegezeiten (keine Zeiten der Arbeitslosigkeit). 1. Wie bewertet die Landesregierung politisch wie ökonomisch die Pläne des Bun- des zur Einführung eines Rentenalters mit 63 Jahren für Arbeitnehmer, insbesondere in puncto Demografiefestigkeit, Generationengerechtigkeit, Nachhaltigkeit des Rentensystems und sämtlichen Auswirkungen auf die Interessen des Landes Nordrhein-Westfalen? Mit der Altersrente ab 63 soll nach dem Vorschlag der Bundesregierung die Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre flankiert werden. Ihre Begründung dafür ist, dass Menschen, die 45 Jahre und länger Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben, am Ende eines langen Berufslebens zwei Jahre vor dem gesetzlichen Rentenalter eine Rente beziehen können, ohne lebenslange Rentenabschläge in Kauf nehmen zu müssen. Es handelt sich um eine Gegenleistung an jene Menschen, die mit ihrer Lebensarbeit den heutigen Wohlstand ermöglicht und mit ihren Beiträgen die stabile Finanzlage der Rentenversicherung ermöglicht haben. Es ist allerdings zu erwarten, dass Frauen von der Neuregelung in geringerem Maße profitieren , da sie trotz der Anrechnung von zehn Jahren Berücksichtigungszeiten für Kinder die notwendigen Voraussetzungen für eine abschlagsfreie Altersrente ab 63 deutlich seltener erfüllen werden als Männer. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5165 4 Nach Auskunft der Bundesregierung wird die Nachhaltigkeit der Rentenversicherung durch diese Regelung nicht gefährdet: Der Beitragssatz wird unter den vorgegebenen Höchstmarken von 20 % im Jahr 2020 und 22 % im Jahr 2030 bleiben. 2. Welche neuen Kosten würden prognostisch jährlich einerseits auf das Land Nordrhein-Westfalen und andererseits auf seine Kommunen zukommen, wenn auch eine „Pension mit 63“ für alle Landesbeamten bzw. Kommunalbeamten eingeführt würde? Die Kosten für eine Übertragung der beabsichtigen Maßnahme in der Rentenversicherung auf die Beamtenversorgung des Landes kann allenfalls geschätzt werden. Die Übernahme der angedachten Rentenregelung würde Mehrbelastungen für den Haushalt zur Folge haben , die zunächst dynamisch ansteigen und nach Erreichen eines Höchststandszeitraumes kontinuierlich ebenso dynamisch wieder absinken. Auf Basis des heutigen Bezügeniveaus könnten in der Spitze Mehrbelastungen zwischen 25 und 34 Mio. Euro p. a. für den Landeshaushalt entstehen. Belastbares Material zu den finanziellen Auswirkungen auf die Kommunen liegt nicht vor. 3. Welche Absicht verfolgt die Landesregierung, eine „Pension mit 63“ für Landes- beamte im Zusammenhang mit den Änderungen bei gesetzlich Rentenversicherten wirkungsgleich oder abgeschwächt einzuführen, insbesondere hinsichtlich einer Gleichbehandlung von Tarifangestellten des Landes und den Landesbeamten ? Mit dem Dienstrechtsanpassungsgesetz wurde im letzten Jahr der Einstieg in eine vorgezogene abschlagsfreie Pension nach 45 berücksichtigungs-fähigen Jahren ab Vollendung des 65. Lebensjahres vorgenommen. Damit ist ein Einstieg in eine frühere abschlagsfreie Pension vorgenommen worden. Im Jahr 2029 ist dann eine um zwei Jahre vorgezogene abschlagsfreie Pensionierung möglich. 4. Wie gedenkt das Land die Finanzierung sicherzustellen, insbesondere vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Versorgungslasten, falls es durch politische oder gerichtliche Entscheidungen diesbezüglich zu ausgaberelevanten Änderungen auch bei den Landesbeamten kommt? Das Land wird seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Sollte es zu ausgaberelevanten Änderungen kommen, würden sie im Rahmen der jeweiligen Haushaltsaufstellung Berücksichtigung finden. Alle zusätzlichen Ausgabeverpflichtungen erhöhen aber im Hinblick auf die Schuldenbremse den Konsolidierungsdruck. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5165 5 5. Mit welchen Anliegen und Anregungen wird sich die Landesregierung nun konkret auf Bundesebene, also jeweils im Bundesrat, in der Ministerpräsidentenkonferenz , in den Fachministerkonferenzen und informellen Gesprächen oder Arbeitskreisen auf politischer sowie auf Fachebene zur Rente mit 63 einbringen und bei förmlichen Abstimmungen verhalten? Die Landesregierung wird sich wie bei allen Beratungen auf Bundesebene zu gegebener Zeit auf Fachebene und im Kabinett entscheiden, wie sich das Land bei förmlichen Abstimmungen verhält.