LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5217 11.03.2014 Datum des Originals: 11.03.2014/Ausgegeben: 14.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1953 vom 2. Februar 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/4939 Grundlegender Notenwechsel des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Vatikan für die Zerschlagung der Schul- und Studienfonds – Seit wann liegt die förmliche Zustimmung des Heiligen Stuhls nun abschließend und rechtssicher vor? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage 1953 mit Schreiben vom 11. März 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage In der Fragestunde der Plenarsitzung 16/48 hat sich die Landesregierung auf die präzise Frage der Opposition nach der Zustimmung des Vatikans zum Vorhaben der Zerschlagung der Schul- und Studienfonds leider nur ausweichend geäußert. Für die Landesregierung hat Minister Guntram Schneider ausweislich des Plenarprotokolls wörtlich ausgeführt (S. 4736): „Ich kann Ihnen nur mitteilen, dass es seitens des Heiligen Stuhls keine Einlassung gibt, die heute eine dritte Lesung unmöglich machen würde. Wenn die dritte Lesung, so wie die Landesregierung es möchte, mit einer Zustimmung endet, wird dies nicht dazu führen, dass im Nachhinein Ungültigkeit festgestellt werden muss, weil die Zustimmung des Vatikans nicht eingeholt worden ist oder dies nicht in einem ausreichenden Maße geschieht.“ Demgegenüber ist in einem Redebeitrag aus dem Bereich der Regierungsfraktionen zur Verabschiedung dieses Gesetzes in derselben Plenarsitzung laut Wortprotokoll (S. 4753) erklärt worden: LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5217 2 „Wir legen Wert auf die Rechtssicherheit. Sie haben vorhin nachgefragt, (...) , wie es denn mit der Zustimmung des Papstes aussehe. Wie Sie ganz genau wissen, haben wir am 16. Dezember 2013 in unserer Ausschusssitzung die Vereinbarung mit dem Siegel des Papstes vorgelegt bekommen. Wir hatten sie vorher schon vorliegen. In dieser Sitzung sind uns auch die Unterlagen mit dem Siegel des jetzigen Papstes vorgelegt worden. Daher weiß ich nicht, warum Sie vorhin diese Frage gestellt haben. Mir erschließt sich nicht, warum Sie das getan haben – außer, dass Sie damit ablenken wollten.“ In der Münsterschen Zeitung vom 1. Februar 2014 räumt das Katholische Büro ausweislich des Artikels „Studienfonds-Auflösung noch unwirksam“ ein, dass wohl die Zustimmung des Papstes noch gar nicht erteilt worden ist. In dem Artikel heißt es unter anderem: „Doch wie das Katholische Büro NRW mit Sitz in Düsseldorf gestern bestätigte, ist die Auflösung noch längst nicht beschlossene Sache. Stimmt der Papst nicht zu, ist der politische Beschluss hinfällig.“ Bereits in der 37. Ausschusssitzung am 12. November 2013 hat Staatssekretär Dr. Rüdiger Messal zur Unterschriftenproblematik laut Wortprotokoll wie folgt ausgeführt: „Diese Vereinbarung, die beigefügt ist, ist noch nicht unterschrieben. Da dieses Gesetz diese Vereinbarung formal bestätigen soll, haben wir es uns so vorgestellt, dass, wenn diese Vereinbarung von beiden Seiten unterschrieben ist, diese Vereinbarung einfach ausgetauscht wird. Der Inhalt selbst ändert sich überhaupt nicht, sondern nur die Unterschriften stehen darunter. Warum liegen die noch nicht vor? – Es gibt noch Verzögerungen aufseiten der katholischen Kirche. Dafür sind bestimmte Zustimmungen aus Rom notwendig. Die bisher vorliegenden Zustimmungen sind wohl noch nicht ganz ausreichend. Deswegen warten wir darauf , dass endgültig Klarheit geschaffen wird, sodass dann die Unterschriften geleistet werden können. Uns wurde signalisiert, dass wir innerhalb von wenigen Tagen damit rechnen können. Aber: Viele Wege führen nach Rom. Wie es umgekehrt aussieht, ist im Augenblick nicht ganz ersichtlich.“ Der FDP-Landtagsfraktion liegen aus der erwähnten Ausschusssitzung vom 16. Dezember 2013 nur die Vorlagen 16/1494 und 16/1495 vor. Im ersten Fall hat der Bischof von Münster Dr. Felix Genn die Vereinbarung im Gebiet seines Bistums gegengezeichnet und im zweiten Fall für die Region seines Erzbistums der Erzbischof von Köln Joachim Kardinal Meisner. Die behaupteten Dokumente mit dem Siegel des Papstes liegen der Opposition nicht vor. Bezogen auf die Erfordernis für die nordrhein-westfälischen Landesregierung, zwingend die Zustimmung des Heiligen Stuhls zum ausgehandelten Ergebnis hinsichtlich der Aufteilung der Vermögensmassen der Schul- und Studienfonds zwischen dem Land und den Bistümern einzuholen, reicht es dabei staatsrechtlich nicht aus, dass ein entsprechendes Schreiben der Bischöfe von Münster und Köln vorhanden ist, sondern es muss nach einschlägiger Rechtsauffassung ein entsprechender Notenwechsel mit dem Vatikan vorgelegt werden. Gemäß der Wiener Vertragskonvention von 1969 (WVK) Art. 7 hat eine Person die Vollmacht als Verhandlungsführer einer Partei von mindestens zwei Völkerrechtssubjekten, wenn diese nach Abs. 1 eine Vollmacht vorlegen kann, oder nach Abs. 2 vermutet werden kann, dass diese dauerhaft vorliegt, wie bei Staats- und Regierungschefs, Außenministern und den Chefs der diplomatischen Missionen. Für den Fall aber, dass eine Person ohne Vollmacht einen Vertrag geschlossen hat, ist dies gemäß Art. 8 WVK eine rechtsungültige Handlung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5217 3 In der Bundesrepublik Deutschland gilt gemäß Art. 32 Abs. 3 die Sonderregelung in Bezug auf das Völkerrecht, dass auch Länder innerhalb der Grenzen ihrer Gesetzgebungsgewalt Verträge mit auswärtigen Staaten (respektive Völkerrechtssubjekten) schließen können. Die Ausnahme vom allgemeinen Völkerrecht aufgrund der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland spiegelt sich jedoch nicht vergleichbar in der hierarchischen Struktur der Kirche wieder. Völkerrechtssubjekt ist hier der Heilige Stuhl, dessen Vertragspartner per se der Papst ist. Den einzelnen Diözesanbischöfen kommt diese Kompetenz nicht zu, da die Pflege der Beziehungen zu anderen Staaten bzw. in diesem Fall den Bundesländern durch das päpstliche Reservationssystem den Nuntien als den Legaten des Papstes zukommt. Daher ist in diesem Fall die staatliche Charakterisierung der einzelnen Bistümer als Körperschaften des öffentlichen Rechts gemäß Art. 140 GG nicht einschlägig, da es sich um innerstaatliches Recht handelt und Völkerrecht diesem gemäß Art. 25 GG vorgeht. Damit ein Vertrag in Kraft treten kann, bedarf es gemäß Art. 24 Abs. 2 WVK der Zustimmung beider Vertragspartner, die im Fall der römisch-katholischen Kirche durch den Papst selbst erfolgen muss; der Nuntius ratifiziert lediglich einen Vertrag nach erfolgter Zustimmung des Papstes. Das heißt, selbst wenn der Papst auf eine andere Person die Vollmacht delegieren sollte, bedarf auch diese Person vor der Ratifizierung des Vertrages der Zustimmung des Papstes. Fraglich ist daher, wann den zuständigen Verfassungsorganen in Nordrhein-Westfalen vom Heiligen Stuhl jeweils welche einzelnen Notenwechsel mit welchem Inhalt und welcher Rechtsqualität nun bislang konkret zugeleitet worden sind. Vorbemerkung der Landesregierung Das Gesetz zur Neuordnung im Bereich der Schul- und Studienfonds mit den Vereinbarungen zwischen Land und Katholischer Kirche und den weiteren Anlagen regelt mehrere miteinander verbundene Sachverhalte:  die Auflösung von vier Schul- und Studienfonds,  die Aufhebung der Zweckbindungen und  die Zuordnung der entsprechenden Vermögen. Die über mehr als zwei Jahre dauernden Verhandlungen und Verfahren mündeten in dem Gesetzesbeschluss des Landtags. Sie finden ihren formalen Abschluss in dem Notenwechsel zwischen Land und Heiligem Stuhl, der derzeit vorbereitet wird. 1. Seit welchem Datum genau liegt der Landesregierung die abschließende Zu- stimmung des Heiligen Stuhls förmlich und rechtssicher vor? (bitte Protokollnummer angeben und die jeweiligen Belegdokumente der Antwort beifügen) 2. Seit welchem Datum genau liegen dem Landtag jeweils für die Auflösung aller Schul- und Studienfonds zur Unterrichtung in diesem Gesetzgebungsverfahren förmlich und rechtssicher die abschließenden Zustimmungen des Heiligen Stuhls wie erbeten vor? Die Bischöfe Meisner und Genn konnten die Vereinbarungen zu den Schul- und Studienfonds mit dem Land NRW erst nach der kircheninternen Zustimmung der Apostolischen Nuntiatur leisten. Die Apostolische Nuntiatur ist die diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5217 4 bei einem Staat. Diese Zustimmung und damit auch die Zustimmung des Papstes, ist erfolgt und die notwendigen Unterschriften wurden geleistet. Damit bestehen keine Zweifel mehr am Willen der katholischen Kirche. Davon zu unterscheiden ist der rein formale Akt des Notenwechsels zwischen Land und Heiligem Stuhl. Die Landesregierung kann erst nach dem Beschluss des Landtages die zum Notenwechsel erforderlichen Erklärungen abgeben. Das geht auch aus den Vereinbarungen mit der Kirche hervor, die allen Fraktionen durch die Vorlagen16/1494 und 16/1495 bekannt sind. Der Notenwechsel selber hat noch nicht stattgefunden. 3. Welche genauen Unterlagen zur „Vereinbarung mit dem Siegel des Papstes“ hat die SPD-Landtagsfraktion bereits am 16. Dezember 2013 von der Landesregierung anders als andere Landtagsfraktionen zur Verfügung gestellt bekommen? (bitte unter Angabe der Gründe für diese Ungleichbehandlung mit anderen Fraktionen ) In der Ausschusssitzung vom 16.12.2013 hat die Landesregierung die Vorlagen 16/1494 und 16/1495 allen Landtagsfraktionen zur Verfügung gestellt. Diese Vorlagen enthalten die Vereinbarungen zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Bistümern Münster und Köln. Die beiden Vereinbarungen wurden für die Bistümer von den jeweiligen Bischöfen unterzeichnet und vom Bistum Münster mit einem Siegel versehen. Weitere Unterlagen wurden keiner Fraktion zur Verfügung gestellt. 4. Falls der Gesetzesbeschluss im Parlament zu einem Zeitpunkt erfolgt sein sollte, als die Zustimmung des Heiligen Stuhls noch nicht förmlich erteilt worden gewesen ist: Aus genau welchen Gründen hat die Landesregierung die Gesetzesbeschlussfassung für Dezember 2013 so forciert, anstatt zunächst die förmliche Verfahrensbeendigung seitens des Papstes abzuwarten? Die Zustimmung des Heiligen Stuhls lag vor (siehe Antwort zu Frage 1 und 2). Daher war der Gesetzentwurf mit seinen Anlagen beschlussreif. Die Unterschriften der Bischöfe lagen in Kenntnis der internen Zustimmung der Apostolischen Nuntiatur vor. Die zusätzlich zum Gesetzesbeschluss erforderlichen Voraussetzungen zur Wirksamkeit der Vereinbarungen waren ebendort aufgeführt. Damit war das vorgesehene Verfahren genau eingehalten. 5. Falls die Landesregierung der Korrektheit der (staats-)rechtlichen Einordnung dieses Sachverhalts im obigen Vortext dieser Parlamentsanfrage widerspricht: Aus jeweils welchen Rechtsgründen kommt die Landesregierung, bitte unter genauer Nennung der einzelnen Punkte, zu konkret anderen juristischen oder prozeduralen Bewertungen? Die Landesregierung hat ihre Bewertung der Sachverhalte in dem Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung im Bereich der Schul- und Studienfonds dargelegt. Wie bereits mit den Antworten 1 bis 4 dargelegt wurde das vorgesehene Verfahren eingehalten.