LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5252 17.03.2013 Datum des Originals: 17.03.2014/Ausgegeben: 20.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2020 vom13. Februar 2014 der Abgeordneten Dietmar Brockes und Ralph Bombis FDP Drucksache 16/5066 Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die vergleichsweise schwache Wirtschaftsleistung Nordrhein-Westfalens zu erhöhen und eine neue Wachstumsdynamik zu erzeugen? Der Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk hat die Kleine Anfrage 2020 mit Schreiben vom 17. März 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung, dem Finanzminister, dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales, dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr, der Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung und der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nordrhein-Westfalen leidet unter einem Wachstumsdefizit. Seit der Wiedervereinigung entwickelte sich die Wirtschaft im Land deutlich schlechter als in den übrigen westdeutschen Bundesländern. Von 1991 bis 2012 betrug die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate lediglich 0,9 Prozent - in Westdeutschland (ohne Berlin und NRW) hingegen 1,3 Prozent. Dieser Rückstand hat konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen. Der Wohlstand fällt geringer aus. Es gibt weniger Arbeitsplätze. Nordrhein-Westfalen hat nach Bremen die höchste Arbeitslosenquote in den alten Bundesländern. Die verfügbaren Einkommen der Menschen sind niedriger. Und die Steuerkraft des Landes ist schwächer. Das bedeutet, dass dem Land finanzielle Mittel für Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Innovationen fehlen. Ein von der FDP-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen beauftragtes Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hat diese Wachstumsschwäche eingehend untersucht . Die Analyse der Ursachen für das schwache Wachstum hat dabei ergeben, dass die unterdurchschnittliche Leistung Nordrhein-Westfalens in erster Linie nicht an der Wirt- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5252 2 schaftsstruktur des Landes liegt. Vielmehr sind die Wachstumsfaktoren innerhalb aller Sektoren schwach ausgeprägt. Nordrhein-Westfalen leidet unter einer Investitionsschwäche, einer Technologieschwäche und einer Arbeitsplatzschwäche. Daher sind Konzepte für eine neue Wachstumsdynamik und eine damit einhergehende Verbesserung der Lebensumstände der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen notwendig . Das Land benötigt also nicht zuletzt vor dem Hintergrund der unterdurchschnittlichen Einkommen der Menschen, der hohen Arbeitslosigkeit, der zu geringen Wirtschaftsleistung pro Kopf und der niedrigeren Steuerkraft je Einwohner eine Strategie zur Entfesselung der Wirtschaft, zum Abbau von bürokratischen Hürden und staatlichen Verkrustungen sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. 1. Wie bewertet die Landesregierung das unterdurchschnittliche Wirtschaftswachs- tum in Nordrhein-Westfalen seit der Wiedervereinigung mit Blick auf die Wirtschaftsleistung pro Kopf, das verfügbare Einkommen der Bürgerinnen und Bürger , die Steuerkraft sowie die Arbeitslosenquote? Im ersten Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung Deutschlands (1991 bis 2000) lag der Rückstand der realen Wachstumsrate Nordrhein-Westfalens gegenüber der Bundesentwicklung im Durchschnitt der Jahre bei 0,9 Prozentpunkten. In den letzten zehn Jahren hat sich der Rückstand auf 0,3 Prozentpunkte pro Jahr spürbar verkleinert. In Nordrhein-Westfalen, dem traditionellen industriellen Kern Westdeutschlands, gab und gibt es neben dynamisch aufstrebenden auch schrumpfende Wirtschaftsbereiche. Politik und Sozialpartner in Wirtschaft und Gesellschaft haben diesen Strukturwandel sozialverträglich gestaltet; die Menschen haben den Wandel akzeptiert und ihm folgen können. Hierin liegt ein wichtiger Erfolg der Politik in NRW. Aktuell (im Jahr 2012) liegt das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner in NRW bei 32.361 Euro (Bundesdurchschnitt 32.281 Euro). Das Verfügbare Einkommen pro Kopf (2011) erreicht in NRW 20.056 Euro (Bundesdurchschnitt 19.933 Euro). Bei diesen beiden erfragten wichtigen Kennzahlen liegt NRW damit nach wie vor über dem Bundesdurchschnitt. Die Steuerkraft des Landes NRW in Abgrenzung der Einnahmen, die im bundesstaatlichen Finanzausgleich berücksichtigt werden, betrug im Jahr 2013 vor Umsatzsteuerverteilung 99,3 % der länderdurchschnittlichen Pro-Kopf-Einnahmen. Sie lag damit nur knapp unter dem Durchschnitt der Bundesländer. Als Folge des genannten Strukturwandels lag die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt 2013 in NRW mit 8,3 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 6,9 Prozent. 2. Welchen konkreten Zeitplan hat sich die Landesregierung beim Beheben des Wachstumsdefizits Nordrhein-Westfalens und Anschluss an die Wachstumsraten der erfolgreicheren Bundesländer vorgenommen? In der Marktwirtschaft ist das Wirtschaftswachstum keine durch staatliche Planungen vorzugebende Größe. Es ergibt sich aus den Entscheidungen und Tätigkeiten aller am Wirtschaftsprozess Beteiligten. Die Einflussmöglichkeiten der Landesregierung sind unter diesen Umständen naturgemäß begrenzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5252 3 Gleichwohl ist es das Ziel der Landesregierung, die Rahmenbedingungen für das Wirtschaften weiter zu verbessern, Wohlstand und Wachstum zu fördern. 3. Welche konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung im Jahr 2014 ergreifen, um Impulse für mehr private und wachstumsrelevante öffentliche Investitionen in Nordrhein-Westfalen zu setzen? Die Landesregierung reicht in Kürze das wirtschafts- und strukturpolitische EFRE-Programm für die Förderperiode 2014 bis 2020 bei der Europäischen Kommission zur Genehmigung ein. Es ist auf die bessere Ausnutzung des Innovationspotenzials für nachhaltiges Wirtschaftswachstum fokussiert. Die Umsetzung von neuen Ideen, Wissen und Technologien in Produkte, effiziente Verfahren und zielgerichtete Problemlösungen spielen dabei eine zentrale Rolle. Hauptzielgruppen sind insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, F&EEinrichtungen , Hochschulen und Kommunen. Zentrales Anliegen ist es, mit innovations- und strukturpolitischen Förderanreizen zu vermehrten privaten und öffentlichen Investitionen anzuregen und damit nachhaltig wettbewerbsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Darüber hinaus wird die Landesregierung ihre Spielräume nutzen, um insbesondere in den strukturschwachen Regionen des Landes Anreize für arbeitsplatzschaffende, gewerbliche Investitionen zu setzen, aber auch um den Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur, zum Beispiel durch die Herrichtung neuer Industrie- und Gewerbeflächen und die Versorgung mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen bis hin zum Aufbau von Hochleistungsnetzen, zu forcieren. Mittel hierfür stehen im Rahmen der Bund/Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zur Verfügung. Sie werden ab Mitte 2014 je zur Hälfte aus Bundes- und Landesmitteln deutlich aufgestockt. Zusätzlich wendet das Land allein für Investitionen in den Erhalt und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Jahr 2014 1,06 Milliarden Euro auf. 4. Welche konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung im Jahr 2014 ergreifen, um (Aus-)Bildung, Wissenschaft und Innovationen in Nordrhein-Westfalen zu stärken und dadurch den technologischen Fortschritt zu beschleunigen? Der Ausbildungskonsens Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2011 beschlossen, den Übergang von der Schule in den Beruf neu zu gestalten. Mit „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist NRW damit das erste Flächenland, das damit begonnen hat, ein neues landesweites verbindliches Übergangssystem einzuführen. Die Umsetzung erfolgt in den vier zentralen Handlungsfeldern: - Berufs- und Studienorientierung, - Systematisierung des Übergangsystems von der Schule in den Beruf oder Studium, - Attraktivität des Dualen Systems und - Kommunale Koordinierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5252 4 Auf der Basis dieser systematischen, auf Dauer angelegten Berufsorientierung sollen über das Instrument einer Anschlussvereinbarung gezielte Übergänge in Ausbildung, ggf. weiteren Schulbesuch oder, falls notwendig, berufsvorbereitende Maßnahmen gelingen. Das soll zu weniger Ausbildungs- und Studienabbrüchen sowie Vermeiden sog. Warteschleifen in nicht zielgerichteten Maßnahmen führen. Mit diesem systematischen Ansatz werden bis 2018 alle Schülerinnen und Schüler in NRW erreicht. Neben der weiterhin fortgesetzten Förderung der Schülerinnen und Schüler in den sog. MINT-Fächern entlang der gesamten Bildungskette von der Primarstufe bis zur gymnasialen Oberstufe sowie der entsprechenden Arbeit der 42 Zukunft durch Innovation-Zentren, in denen Schulen mit externen Partnern kooperieren, um die naturwissenschaftlichen und technischen Fächer zu stärken, wird zum 1.8.2014 zur Stärkung des Fach- und Führungskräftenachwuchses der dem technologischen Wandel zugute kommen wird, ein Schulversuch „Ingenieurwissenschaften an Beruflichen Gymnasien“ an 10 Standorten beginnen. Die Landesregierung hat im Juli 2013 die Forschungsstrategie „Fortschritt NRW – Forschung und Innovation für nachhaltige Entwicklung 2013-2020“ beschlossen. Mit dieser Strategie wird die Forschungs- und Innovationsförderung insgesamt danach ausgerichtet, unter aktiver Einbindung der Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu Lösungen auf den Feldern der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit beizutragen. Eng verknüpft mit der Forschungsstrategie ist die Leitmarktstrategie. Sie konzentriert sich auf Leitmärkte der Zukunft, in denen Nordrhein-Westfalen besonders prädestiniert ist, Antworten auf die genannten Herausforderungen zu entwickeln. Schließlich verfolgt die Landesregierung eine umfassende Transferstrategie für den Wissenstransfer zwischen Hochschulen, Forschungsinstituten und Unternehmen. Der Wissenstransfer im Bereich der Bildung gehört zu den wesentlichen flankierenden Instrumenten zur Umsetzung der Strategien. Die genannten Strategien bilden die tragenden Elemente der Innovationsstrategie der Landesregierung für die EU-Strukturfonds und werden daher auch maßgeblich für die ab 2014 startenden Wettbewerbe im Rahmen des EFRE sein. Die Landesregierung verbindet mit dieser strategischen Ausrichtung erhebliche Potenziale für Wachstum und Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen. Auch durch den massiven Ausbau der Kindertagesbetreuung sollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtert, die Voraussetzungen zur Frauenerwerbstätigkeit und für Fachkräftesicherung verbessert werden. 5. Welche konkreten Maßnahmen wird die Landesregierung im Jahr 2014 ergreifen, um die Beschäftigungssituation in Nordrhein-Westfalen qualitativ und quantitativ zu stärken? Die Landesregierung fördert die Weiterbildung Beschäftigter insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen mit dem „Bildungsscheck“. Mit diesem Förderinstrument können 50 % der anfallenden Kurs- und Prüfungsgebühren bis zu einer Förderhöhe von max. 2.000 Euro erstattet werden. Darüber hinaus können Beschäftigte eine ebenfalls geförderte Beratung zu ihrer beruflichen Entwicklung in Anspruch nehmen. Mit dem Fachkräfteprogramm werden wegweisende Projekte zur Fachkräftesicherung gefördert . LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5252 5 Im Rahmen der Landesinitiative „Arbeit gestalten“ werden gemeinsam mit den Sozialpartnern Vorgehensweisen erprobt und verbreitet, mit denen Unternehmen die Herausforderungen des demographischen Wandels meistern, der wachsenden Vielfältigkeit der Belegschaften (Diversity) entsprechen und Gesundheit bei der Arbeit ermöglichen können. Hierzu können die Unternehmen eine Potenzialberatung in Anspruch nehmen, die ebenfalls mit maximal 50 Prozent der Beratungskosten gefördert wird. Mit der im Februar 2013 gestarteten Initiative „Faire Arbeit – Fairer Wettbewerb“ will die Landesregierung einen Beitrag dazu leisten, die vielen guten Beispiele für faire Arbeit in NRW bekannt zu machen, unsichere und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse zurückzudrängen und NRW zum Land der fairen Arbeit zu machen. Kernelemente sind: - Verbesserung der Arbeitsbedingungen geringfügig Beschäftigter und die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - Faire Gestaltung von Leiharbeit und Werkverträgen - Sicherung auskömmlicher Löhne und Entgeltgleichheit. Gute Ansätze und Strategien zur Verhinderung prekärer Beschäftigung sollen gefördert und verbreitet, Transparenz über die Situation auf dem Arbeitsmarkt hergestellt und auf Missstände hingewiesen werden. Zudem geht es darum, die Rahmenbedingungen auf Bundesebene zu verbessern und atypisch Beschäftigte über ihre Rechte und Pflichten zu informieren . Ein besonderer Schwerpunkt der Initiative in 2014 ist das Thema „Werkverträge“. Die Landesregierung will den Missbrauch von Werkvertragskonstruktionen, mit denen Lohndumping betrieben wird oder Arbeitnehmerrechte umgangen werden, verhindern. Hierzu hat das Land ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Lösungen für die bestehenden Probleme insbesondere mit Scheinwerkverträgen aber auch bei der Leiharbeit liefern soll. Die Ergebnisse sollen in die angekündigten Gesetzgebungsprozesse auf Bundesebene eingebracht werden.