LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5309 20.03.2014 Datum des Originals: 19.03.2014/Ausgegeben: 25.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2017 vom 11. Februar 2014 der Abgeordneten Kai Abruszat und Holger Ellerbrock FDP Drucksache 16/5053 Stärkungspaktkommune Duisburg: Wie beurteilt die Landesregierung den geplanten Stadionkauf? Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2017 mit Schreiben vom 19. März 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk und dem Minister für Arbeit, Integration und Soziales beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die Stadt Duisburg befindet sich in einer finanziellen Problemlage, die deutschlandweit ihresgleichen sucht. Ausweislich der amtlichen Statistik1 summiert sich die Gesamtverschuldung der Stadt auf 3,28 Milliarden Euro (6.724 Euro je Einwohner). Allein die sogenannten Kassenkredite, die mit privaten Dispokrediten vergleichbar sind, denen keine realen Werte wie Immobilien gegenüberstehen und die einem gefährlichen Zinsänderungsrisiko unterliegen , betragen im Duisburger Kernhaushalt mehr als 1,7 Milliarden Euro (3.560 Euro je Einwohner ). Schon seit 1992 kann die Stadt Duisburg keinen ausgeglichenen Haushalt mehr aufweisen. Sie gibt also stetig mehr Geld aus als sie einnimmt. Ständig kommen auf die von hoher Arbeitslosigkeit gezeichnete Stadt neue Herausforderungen zu. In den vergangenen Wochen konzentrierte sich die mediale Aufmerksamkeit beispielsweise auf den immensen Zustrom sogenannter Armutsflüchtlinge vornehmlich osteuropäischer Herkunft, die sich in Duisburg niederlassen und dort auf städtische Hilfe angewiesen sind. Auf diese und andere Herausforderungen , welche die Stadt an bzw. über die Grenze der finanziellen Belastbarkeit bringen , weist SPD-Oberbürgermeister Sören Link häufig und ausdauernd hin. 1 IT.NRW (2013); Stand: 31.12.2012. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5309 2 Aufgrund der prekären Lage der Stadt Duisburg und anderer Kommunen hat das Land Nordrhein -Westfalen unter dem Namen „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ ein Notfallprogramm für finanzschwache Städte aufgelegt. Aus diesem Programm, das einerseits mit Steuergeldern (Landeshaushalt) andererseits mit den Geldern anderer Kommunen finanziert wird, erhält die Stadt Duisburg über einen 10-Jahres-Zeitraum fast 53 Millionen Euro p.a. Konsolidierungshilfe . Durch die Inanspruchnahme dieser Gelder ist die Stadt gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern Nordrhein-Westfalens die Verpflichtung eingegangen, all ihre Kraft darauf zu verwenden , wieder zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Die Lebenswirklichkeit vermittelt allerdings einen anderen Eindruck. Denn ein wesentlicher Fokus der kommunalen Aktivitäten der Stadt Duisburg lag in den vergangenen Jahren darauf , sich über die lokalen Stadtwerke an einem Konsortium zur Übernahme der Mehrheitsanteile am internationalen Energiekonzern STEAG zu beteiligen. Über diese Beteiligung betreibt die Stadt Duisburg seither Großkraftwerke in der Türkei, in Kolumbien oder auf den Philippinen. Darüber hinaus ist sie über ihre STEAG-Beteiligung auch in die Endlagerung von Atom-U-Booten in Murmansk eingebunden. Trotz des Umbruchs auf dem Deutschen Strommarkt im Zuge der Energiewende und den damit verbundenen finanziellen Risiken, denkt die Stadt Duisburg mit ihren Konsortialpartnern aktuell über eine vorzeitige Übernahme der restlichen STEAG-Anteile nach, für die sich auf dem Energiemarkt mangels Attraktivität kein Käufer finden lässt. Augenblicklich wird in den Medien über ein weiteres Projekt berichtet, in das die Stadt Duisburg viel Geld stecken will. Konkret geht es dabei um den Kauf des örtlichen Fußballstadions „Schauinslandreisen-Arena“, in dem der Drittligist MSV-Duisburg spielt. Berichten der Rheinischen Post (online) vom 08.02.2014 und der WAZ (online) vom 10.02.2014 zufolge will die Stadt über Tochtergesellschaften Mehrheitseigner des Stadions werden, um dem örtlichen Fußballverein Mietkosten zu ersparen. Weder die STEAG-Aktivitäten der Stadt Duisburg noch die jüngsten Planungen zur Übernahme des örtlichen Fußballstadions lassen darauf schließen, dass die Konsolidierung des Duisburger Haushalts (der nach dem Stärkungspaktgesetz explizit auch unter finanzieller Beteiligung kommunaler Tochtergesellschaften erfolgen soll) im Mittelpunkt des Interesses von SPD-Oberbürgermeister Sören Link steht. Auch seine Aussagen hinsichtlich der finanziellen Überlastung der Stadt Duisburg durch Armutsflüchtlinge harmonieren nicht offensichtlich mit den beschriebenen Aktivitäten und Planungen seiner Kommune. Aufgrund der Tatsache , dass Duisburg seitens des Landes Nordrhein-Westfalen und der kommunalen Familie erhebliche finanzielle Hilfestellungen erhält, wirft dies aufsichtsrechtliche Fragen auf. Vorbemerkung der Landesregierung Der Rat der Stadt Duisburg hat am 17.02.2014 beschlossen, zusätzlich zu einer bereits bestehenden mittelbaren Beteiligung i.H.v. 33,3% an der MSV Duisburg Stadionprojekt GmbH & Co KG (Stadiongesellschaft) weitere Anteile i.H.v. 16,8% zu einem Preis von 504.672 EUR zu erwerben und diese Anteile zu gleichen Teilen in zwei kommunale Töchter einzulegen. Die Stadt Duisburg hat der Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Kommunalaufsicht bereits Informationen über dieses Vorhaben zukommen lassen. Eine abschließende kommunalaufsichtliche Prüfung konnte bislang nicht erfolgen, da die Stadt noch nicht alle für die Prüfung erforderlichen Unterlagen vorgelegt hat. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5309 3 Hintergrund (dargestellt auf der Grundlage der Ratsvorlage der Stadt Duisburg vom 10.02.2014, Drucksache 14-0183): Die Entscheidung der Stadt Duisburg, zusätzliche Anteile an der Stadiongesellschaft zu erwerben, steht im Kontext mit einer mit den Gläubigern der Stadiongesellschaft vereinbarten Gesamtlösung, die auf den Erhalt des Stadionbetriebs und damit auf die Werthaltigkeit der im Stadion eingebundenen verbleibenden Finanzmittel gerichtet ist. Das geplante Restrukturierungskonzept sieht als ersten Baustein die Übernahme der Mehrheit an der Stadiongesellschaft durch die Stadt Duisburg bzw. Tochtergesellschaften der Stadt Duisburg durch den Hinzuerwerb von weiteren Geschäftsanteilen (16,8 %) vor. Zweiter Baustein des Konzeptes ist ein Schuldenschnitt bei der Stadiongesellschaft, an dem insbesondere die Stadt Duisburg, das Land NRW mit seiner Bürgschaft und die finanzierende Bank mitwirken. Der Schuldenschnitt sieht eine Verzichtsquote von bis zu 75 % für alle Gläubiger der Stadiongesellschaft vor. Der Verzicht erfolgt mit einer Besserungsabrede, d.h. die Forderungen leben wieder und soweit auf, wie die Stadiongesellschaft wirtschaftlich zur Erfüllung in der Lage ist. Das geschilderte Restrukturierungskonzept ist an den Eintritt einer Reihe von aufschiebenden Bedingungen geknüpft. So steht die Übernahme der Mehrheit der Geschäftsanteile u.a. unter der Bedingung, dass ein sog. Sanierungsgutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine positive Fortbestehensprognose für den Spielbetrieb bestätigt. Wesentliche Voraussetzungen einer solchen positiven Zukunftsaussicht sind, dass sich die Gläubiger der Spielbetriebsgesellschaft auf einen Schuldenschnitt verständigen und es gelingt, ein tragfähiges Finanzierungskonzept für die laufende und die nächste Spielzeit 2014/2015 vorzulegen . Nach der Ratsvorlage kann der Anteilserwerb durch Einsparungen für den Umbau der Mercatorstraße ohne zusätzlichen Kreditbedarf finanziert werden. Durch die Übernahme der Mehrheit an der Stadiongesellschaft will die Stadt Duisburg stärker ins Gewicht fallende wirtschaftliche Belastungen für die Stadt vermeiden. Im Falle einer Insolvenz der Stadiongesellschaft kämen auf die Stadt als Erbpachtgeberin des Grundstücks , auf dem das Stadion errichtet wurde, erhebliche zusätzliche Kosten (schätzungsweise rd. 300 bis 400 TEUR p.a. Sicherungskosten zzgl. fehlender Mieteinnahmen durch Leerstand der Arena) zu. Gleichzeitig erhält die Stadt Duisburg im Falle einer Fortsetzung der Stadionnutzung einen jährlichen Erbbauzins in Höhe von rd. 81 TEUR, hat das Recht an 10 Terminen im Jahr das Stadion für eigene Zwecke zu nutzen und erhält eine Chance, auf den Restbetrag des Darlehens mit einem Ursprungsbetrag von 2 Mio. Euro zumindest noch Teilzahlungen erhalten zu können. Soweit in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage auf die Steag-Aktivitäten Bezug genommen wird, wird auf die Antworten der Landesregierung zu den Kleinen Anfragen 716 und 1223 (LT-Drs. 16/1772 und LT-Drs. 16/3258) verwiesen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5309 4 1. Wie beurteilt die Landesregierung das geplante finanzielle Engagement der Stärkungspaktkommune Duisburg bei der avisierten Stadionübernahme vor dem Hintergrund der die Stadt treffenden Verpflichtungen, sich den Herausforderungen der vom Oberbürgermeister der Stadt und der Landesregierung selbst skizzierten Herausforderungen bei der Armutsmigration zu stellen? Die Landesregierung hält es generell für sinnvoll, frühzeitig tragfähige Konzepte zur Absenkung oder Minimierung drohender Verluste zu entwickeln. Dies gilt für Stärkungspaktkommunen in besonderem Maße. Auch die Sicherung bzw. der Erhalt kommunaler Infrastruktur kann ein nachvollziehbares, rechtmäßiges Ziel sein. Die Fortschreibung des Haushaltssanierungsplanes der Stadt Duisburg für das Jahr 2014 wurde am 13.02.2014 von der Bezirksregierung Düsseldorf genehmigt. Die Stadt ist daher nach Bekanntmachung der Haushaltssatzung in ihren Entscheidungen nicht an die Restriktionen des Nothaushaltsrechts gebunden. Vielmehr entscheidet sie im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung in eigener Verantwortung, welche Maßnahmen ergriffen werden , um die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes einhalten zu können. Inwieweit z. B. unvermeidliche außerplanmäßige Investitionen durch entsprechende Umschichtungen an anderer Stelle gedeckt werden, obliegt allein der Prüfung und Entscheidung von Verwaltung und Rat der Stadt Duisburg. Die Kommunalaufsicht schreitet nur im Falle rechtswidrigen Verhaltens mit aufsichtsrechtlichen Mitteln ein. Eine unmittelbare Gefährdung der Zielerreichung nach dem Stärkungspaktgesetz ist aus Sicht der zuständigen Finanzaufsicht derzeit nicht zu erkennen. Im Übrigen kann der hergestellte Bezug zu etwaigen Forderungen des Oberbürgermeisters der Stadt Duisburg im Zusammenhang mit anderen kommunalen Problemfeldern nicht nachvollzogen werden. 2. Hält die Landesregierung das geplante finanzielle Engagement der Stadt Duis- burg bei der Stadionübernahme für geeignet, die Akzeptanz anderer NRWKommunen für die von diesen eingeforderte interkommunale Solidarität im Rahmen des Stärkungspaktes zu gewährleisten? Die Landesregierung spekuliert nicht darüber, wie die Maßnahmen einzelner Kommunen von anderen Kommunen bewertet werden. 3. Hält die Landesregierung das finanzielle Engagement der Stärkungspaktkommu- ne Duisburg bei der geplanten Übernahme des Stadions für vereinbar mit den Grundsätzen des Stärkungspaktgesetzes, welches finanziell in Schieflage geratenen Kommunen unter Wahrung einer besonderen Haushaltsdisziplin Wege aus der Krise eröffnen will? Siehe hierzu die Antwort zu Frage 1. 4. Wie beurteilt die Landesregierung aus kommunalaufsichtsrechtlicher Sicht die geplante Stadionübernahme durch die Stärkungspaktkommune Duisburg, vor dem Hintergrund, dass die Stadt Duisburg ausweislich der landeseigenen kommunalen Finanzstatistik 3,28 Milliarden Euro Schulden aufweist? Siehe hierzu die Vorbemerkung der Landesregierung. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5309 5 5. Sofern die Landesregierung die Frage zu Ziffer 4 dahingehend beantwortet, dass die geplante Stadionübernahme durch die Stärkungspaktkommune Duisburg eine reine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung ist und deshalb aufsichtsrechtlich nicht beanstandet werden kann oder genehmigt werden muss: Ist die Landesregierung der Auffassung, dass die bisherige Rolle der Kommunalaufsicht hinreichend ist, um fragwürdige Betätigungen von Kommunen, besonders dann, wenn sie sich in der Haushaltssicherung oder sogar im Stärkungspakt befinden, kontrollierend zu begleiten? Die Landesregierung hält die Regelung des 13. Teils der Gemeindeordnung für geeignet, eine wirksame Kommunalaufsicht zu ermöglichen. Im Übrigen gibt der Sachverhalt keinen Anlass, über die Möglichkeiten der Kommunalaufsicht bei fragwürdigen Betätigungen der Kommune zu spekulieren.