LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5335 21.03.2014 Datum des Originals: 20.03.2014/Ausgegeben: 26.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2041 vom 18. Februar 2014 des Abgeordneten Torsten Sommer PIRATEN Drucksache 16/5104 Kindergarten-Erzieher aus den Niederlanden Der Minister für Arbeit, Integration und Soziales hat die Kleine Anfrage 2041 mit Schreiben vom 20. März 2014 namens der Landesregierung im Einvernehmen mit der Ministerin für Schule und Weiterbildung, der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien , der Ministerin für Frauen, Kinder, Jugend, Kultur und Sport und dem Minister für Wirtschaft , Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Nach einem Bericht der Rheinischen Post ist das Interesse an einem Arbeitseinstieg in den Beruf von Kindergarten-Erziehern groß. Bei Terminen der Arbeitsagenturen in Mönchenglach , Krefeld und Aachen kommen an die 100 Interessierte. Dennoch gilt es viele bürokratische Hindernisse auf dem Weg zu dem Wunsch-Arbeitsplatz zu überwinden. Insbesondere die Anerkennung von Abschlüssen kann langwierig sein. Dieses soll dann der Fall sein, wenn es sich um Abschlüsse handelte, die nicht eingängig seien. Dabei scheint eine Unterstützung des Bewerbungsverfahrens unabdingbare Voraussetzung, um sowohl den persönlichen Wünschen der Interessierten entgegenzukommen, als auch den Anerkennungsstellen einen hilfreichen Faden an die Hand zu geben. Dieses wäre wichtig , um schnelle unkonventionelle Hilfe leisten zu können, die im Sinne der interessierten Bewerber ist. Letztere möchten zudem auch eine Gleichbehandlung erfahren. Eine zu lange Prüfung ist nicht nur für die Interessierten nicht zumutbar, sondern auch nicht für die bescheidenden Personen in der Behörde. Insofern sind klare Richtlinien unausweich- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5335 2 lich, damit sowohl Rechtssicherheit eintreten kann als auch eine zügige Bearbeitung möglich wird. Vorbemerkung der Landesregierung Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales hatte die Federführung für die Koordinierung und Entwicklung des Anerkennungsgesetzes Nordrhein-Westfalen übernommen. Mit dem „Gesetz zur Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsqualifikationen in Nordrhein-Westfalen“ (BQFG NRW) wurde ein Rechtsanspruch auf ein einheitliches und systematisches Verfahren für die Antragstellung, Nachweise, Fristen, Bescheide und den Rechtsweg etabliert. Die Ausgestaltung der jeweiligen Berufsrechte und die Definition der Anerkennungskriterien sind durch das BQFG NRW nicht geändert worden. Insofern sind die Ministerien, die für die jeweiligen Berufsrechte verantwortlich zeichnen, auch mit der Anerkennung ausländischer Qualifikationen befasst. Daher ist nicht das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales für die Anerkennung von Erzieherinnen und Erziehern zuständig, sondern das Ministerium für Schule und Weiterbildung. 1. Welche Erfahrungen hat das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales im Zusammenhang mit der Anerkennung von Abschlüssen im Bereich von Kindergarten -Erziehern im Allgemeinen? Das Anerkennungsverfahren wird in Nordrhein-Westfalen - abhängig von den Herkunftsländern - durch die zuständigen Stellen in der jeweiligen Bezirksregierung durchgeführt. Dabei richtet sich die Bewertung von im Ausland erworbenen Abschlüssen im reglementierten Erzieherberuf aktuell nach § 9 ff. Berufsqualifikationsfeststellungs-gesetz NRW (BQFG NRW vom 28. Mai 2013 und nach der EG-Richtlinie 2005/36). Weil in den meisten Ländern die Bildungssysteme und Ausbildungen sich stark vom deutschen Bildungssystem und insbesondere von der deutschen Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher unterscheiden, ist nur in seltenen Fällen eine 1:1-Anerkennung möglich. Häufig wird von Antragstellenden, die im Herkunftsland ein Lehramtsstudium absolviert haben , eine Anerkennung als Erzieherin/Erzieher für eine Tätigkeit in Kindergärten beantragt. Weil sich die jeweiligen Ausbildungen auf unterschiedliche Altersgruppen beziehen, sind in Nordrhein-Westfalen eine automatische Anerkennung und die Berechtigung zum Führen der Berufsbezeichnung „Staatlich anerkannte Erzieherin/anerkannter Erzieher“ nicht unmittelbar möglich. Bei gegebenen Voraussetzungen erfolgt der Hinweis auf eine „Externenprüfung“ zur Erlangung des Abschlusses als Erzieherin/Erzieher. Vorgelegte „Erzieherabschlüsse“ sind überwiegend mit dem Abschluss der „Staatl. geprüften Kinderpflegerin/Kinderpfleger“ vergleichbar. Aus diesem Grund führen etwa 60 % der Anträge für die Anerkennung als Erzieherin/Erzieher zu einer Anerkennung als Kinderpflegerin /Kinderpfleger. Bei der Prüfung der Anerkennung werden neben der funktionalen Gleichartigkeit auch die materielle Gleichwertigkeit (Eingangsvoraussetzung, Dauer, Inhalt) berücksichtigt. Zum Ausgleich von wesentlichen Unterschieden sehen das BQFG NRW und auch die EG-Richtlinie LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5335 3 2005/36 Ausgleichsmaßnahmen vor, die dann für viele der im Ausland erworbenen Qualifikationen eine Anerkennung ermöglichen. Ein Problem für die Anerkennung können unzureichende Sprachkenntnisse der Antragstellenden sein. In diesen Fällen bezieht sich die Anerkennung dann auf den theoretischen Ausbildungsteil , so dass noch ein Berufspraktikum mit anschließender Prüfung absolviert werden muss. 2. Welche Erfahrungen hat das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales im Zusammenhang mit der Anerkennung von Abschlüssen im Bereich von Kindergarten -Erziehern aus den Niederlanden? In den Niederlanden ist die Ausbildung zum Erzieher/zur Erzieherin nicht reglementiert, so dass vielfältige sozialpädagogische und pflegerische Abschlüsse (etwa 80) bestehen, die keinem Berufsbild eindeutig zugeordnet werden können. Die Bandbreite möglicher Referenzberufe umfasst Lehrerin, Lehrer, Berufe in der Sozialarbeit, Altenpflege, Heilpädagogik, Kinderpflege, Sozialhelferin, Sozialhelfer, Erzieherin, Erzieher etc. Im Anerkennungsverfahren wird geprüft, in welchem dieser Berufe eine Anerkennung infrage kommt. 3. Gibt es schon Erfahrungen im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales über die Dauer bzw. die Kosten der Anerkennung? Die Dauer der Anerkennungsverfahren ist von Fall zu Fall unterschiedlich und hängt überwiegend von der Systematik der Berufsabschlüsse im Herkunftsland ab. Derzeit dauert die Bearbeitung in den Bezirksregierungen ca. 6 - 7 Wochen. Diese Bearbeitungszeit unterschreitet deutlich die vom BQFG NRW geforderte Frist von drei Monaten. Verzögerungen ergeben sich insbesondere aus der Aussagekraft der eingereichten Unterlagen sowie durch Sprachbarrieren. Längere (gegebenenfalls auch fristüberschreitende) Bearbeitungszeiten entstehen, wenn etwa ein Gutachten (z.B. wegen fehlender beruflicher Zuordnungsmöglichkeit) durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen in Bonn eingeholt werden muss. In Nordrhein–Westfalen werden derzeit für die Entscheidung über die Gleichstellung von Erzieherabschlüssen keine Gebühren erhoben. Nennenswerte Kosten entstehen lediglich bei der Vorbereitung des Antrags, wenn die ausländischen Dokumente übersetzt bzw. notariell beglaubigt werden müssen. 4. Wie handhabt das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales auftretende Fachkräfteengpässe in Verbindung mit dem Fachkräfteüberschuss im europäischen Ausland? Deutschland ist ein Einwanderungsland. Im Zuge der wirtschaftlichen Krisen in zahlreichen europäischen Staaten hat sich gezeigt, dass Deutschland ein attraktives Ziel für Migrantinnen und Migranten ist. Diese Entwicklung ist eng mit den Errungenschaften der europäischen Freizügigkeit verbunden und die Landesregierung ist bestrebt, die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine ehrliche Willkommenskultur zu setzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5335 4 Bei allen Initiativen, die das Thema Zuwanderung betreffen, ist zu berücksichtigen, dass der tatsächliche Fachkräftemangel sich derzeit regional und branchenbezogen sehr unterschiedlich darstellt. Es ist deshalb wichtig, dass insbesondere auf die Bedürfnisse der Regionen mit steigendem Fachkräftebedarf Bezug genommen wird, um so der Arbeitsmarktlage entsprechende Lösungen vorzuhalten. Die Landesregierung unterstützt Initiativen auch durch gezielte Information im Ausland über die Möglichkeiten in den verschiedenen Branchen und Regionen Nordrhein-Westfalens. Wichtig ist dabei, dass derartige Initiativen nicht zu einem systematischen Abzug von geistigem Potential in den Herkunftsländern, einem sog. Brain Drain, führen. Darüber hinaus ist mit der “Landesinitiative zur Fachkräftesicherung in NRW“ ein weiteres Instrument entwickelt worden, das auf die Situation in den Regionen fokussiert. Mit der Initiative sollen einerseits die Kompetenzen der regionalen Wirtschaft gestärkt werden, andererseits soll die Bereitschaft aller Akteure geweckt werden, sich aktiv und verantwortlich an der Lösung der Probleme zu beteiligen und eine gemeinschaftliche regionale Strategie zur Fachkräftesicherung zu entwickeln. Das Land setzt so auch auf die Eigeninitiative der Akteure und Unternehmen in den nordrhein-westfälischen Regionen und unterstützt diese gezielt. 5. In welchen Branchen sieht das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales in den nächsten 5 Jahren akuten Fachkräftemangel? Fachkräftemangel ist derzeit ein regionales und branchenbezogenes Phänomen. Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales geht auf Basis mehrerer Indikatoren davon aus, dass sich regionale und berufsbezogene Unterschiede weiter ausprägen werden. Außerdem spricht die demografische Entwicklung in Nordrhein-Westfalen dafür, dass sich insbesondere im Bereich der Pflege- und Gesundheitsberufe stellenweise erhöhte Bedarfe an Fachkräften ergeben könnten. Im Rahmen der Umsetzung des Rechtsanspruchs der Unterdreijährigen auf einen Betreuungsplatz in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege besteht für den Beruf der Erzieherin /des Erziehers zwar kein akuter Fachkräftemangel. Es könnten sich aber ebenfalls stellenweise erhöhte Bedarfe an Fachkräften ergeben. Nach aktuellen Zahlen der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit bestehen daneben Engpässe im Bereich des Maschinenbaus und der Betriebstechnik, der Mechatronik und Automatisierungstechnik, der Elektrotechnik, der Softwareentwicklung und Programmierung, der Metallbearbeitung, der Ver- und Entsorgung und im Bereich des technischen Zeichnens, der Konstruktion und des Modellbaus. Im Bereich Hotel- und Gaststättengewerbe könnte sich ebenfalls ein erhöhter Bedarf an qualifiziertem Personal entwickeln. Gründe dafür sind aber neben den demografischen Effekten insbesondere die allgemeinen branchenbezogenen Rahmenbedingungen. Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales hat die Erfahrung gemacht, dass auch branchenbezogene Faktoren, wie beispielsweise Arbeitsbedingungen, eine Rolle bei der Gewinnung von Fachkräften spielen. Unternehmen und Branchenverbände tragen daher eine besondere Verantwortung, durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen, die dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken.