LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5345 21.03.2014 Datum des Originals: 19.03.2014/Ausgegeben: 26.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2043 vom 18. Februar 2014 der Abgeordneten Susanne Schneider FDP Drucksache 16/5106 Plant die Landesregierung die Einrichtung einer Pflegekammer in NRW? Die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter hat die Kleine Anfrage 2043 mit Schreiben vom 19. März 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die politische Diskussion um die Einrichtung von Pflegekammern in Deutschland ist aktueller denn je. In Bayern hat sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für die Pflegekammer ausgesprochen und im Januar 2014 einen entsprechenden Antrag im Bayerischen Landtag eingebracht . In der Begründung heißt es, dass eine Pflegekammer einen wichtigen Beitrag zur Aufwertung des Berufsbildes leisten könne. In Hamburg wurde eine Befragung der dortigen Pflegekräfte für die Einrichtung einer Pflegekammer durchgeführt. Danach sprachen sich lediglich 36 Prozent der Befragten für die Gründung einer Kammer für Angehörige der Pflegeberufe aus. Der Hamburger Senat mit SPD-Mehrheit wird deshalb kein Gesetz zur Gründung einer Pflegekammer auf den Weg bringen. In Schleswig-Holstein prüfen SPD und Bündnis 90/Die Grünen seit drei Jahren die Einrichtung einer Pflegekammer. In RheinlandPfalz sind die Vorbereitungen am weitesten fortgeschritten. Nach Durchführung einer Befragung und einer Gründungskonferenz könnte die Änderung des Landes-Heilberufsgesetz dazu führen, dass Rheinland-Pfalz als erstes Land im Jahr 2015 eine Pflegekammer einführt. In Nordrhein-Westfalen haben Bündnis 90/Die Grünen im Landtag in den vergangenen Wahlperioden das Thema Pflegekammer wiederholt aufgegriffen. Auch in der EnqueteKommission zur Situation und Zukunft der Pflege haben sie sich für die Weiterentwicklung des Konzeptes einer Pflegekammer und die Beschreibung des Zweckes und der Aufgaben eingesetzt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5345 2 1. Wie steht die Landesregierung heute zur Einrichtung einer Pflegekammer in NRW? Die Landesregierung unterstützt die Zielsetzungen, die von den Befürworterinnen und Befürwortern einer Pflegekammer zur Begründung der Notwendigkeit eine Pflegekammer ins Feld geführt werden. Namentlich die Stärkung der Interessenvertretung beruflich Pflegender, die Verbesserung der finanziellen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die Pflegeberufe und eine zukunftsorientierte Qualitätssicherung in Aus- und Weiterbildung sind Zielsetzungen, die auch die Arbeit der Landesregierung im Bereich der Pflegeberufe prägen. Ob und in welcher konkreten Organisationsform eine Pflegekammer die Verwirklichung dieser Zielsetzungen bestmöglich gewährleisten würde und in welchem Verhältnis Vor- und Nachteile eine Pflegekammer (klare Organisationsstruktur, Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufen , aber auch Zwangsmitgliedschaft und Kosten) stehen, kann nur in einem umfassenden fachpolitischen Diskurs erörtert werden. Ein solcher Diskurs wäre nach derzeitiger Einschätzung der Landesregierung ergebnisoffen. Vor diesem Hintergrund beobachtet die Landesregierung aufmerksam Entwicklungen und erste Erfahrungen mit der Einrichtung einer Pflegekammer in anderen Bundesländern. Die Entscheidung zur Einrichtung einer Pflegekammer müsste letztlich ohnehin durch den Landtag getroffen werden. In den Jahren 2009 und 2010 war die Prüfung des Bedarfs und der Zulässigkeit einer Pflegekammer auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN insoweit bereits Gegenstand einer intensiven parlamentarischen Debatte im nordrhein-westfälischen Landtag. Nach fachlicher Stellungnahme durch das damalige Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen sowie nach Durchführung einer Expertenanhörung im Fachausschuss des Landtags wurde fraktionsübergreifend davon Abstand genommen, den Antrag weiter zu verfolgen. In der am 27. Januar 2010 von dem zuständigen Landtagsausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales durchgeführten öffentlichen Anhörung waren die Befürworterinnen und Befürworter eindeutig in der Minderheit. Auf Empfehlung des zuständigen Landtagsausschusses wurde der Antrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN am 11. März 2010 vom Plenum des Landtags einstimmig für erledigt erklärt. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den anderen Bundesländern bleibt aus Sicht der Landesregierung abzuwarten, ob der Landtag die Beratungen zur Einrichtung einer Pflegekammer erneut aufnimmt. 2. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Landesregierung für eine Pflegekammer? Die Beantwortung dieser Frage kann aus Sicht der Landesregierung nur am Ende einer umfassenden rechtlichen und organisatiorischen Prüfung und insbesondere auch eines breiten fachpolitischen Diskussionsprozesses stehen. Die Zielsetzungen der Befürworterinnen und Befürworter sind nach heutiger Einschätzung der Landesregierung nachvollziehbar. Inwieweit z.B. eine Interessenvertretung über eine neutralitätsverpflichtete Körperschaft wie eine Pflegekammer aber tatsächlich effektiver erfolgen kann, als über die auch im Bereich der Pflegeberufe bereits vorhandenen gewerkschaftlichen Strukturen und die Interessenverbände der Pflegeberufe kann aus Sicht der Landesregierung derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5345 3 3. Plant die Landesregierung in nächster Zeit Schritte zur Einrichtung einer Pflegekammer in NRW, z.B. durch die Befragung der Pflegekräfte? Aufgrund der unter Ziff. 1 dargestellten Beschlusslage im nordrhein-westfälischen Landtag plant die Landesregierung aktuell keine konkreten Schritte, die über eine Beobachtung der Entwicklungen in anderen Bundesländern hinaus gehen. Vielmehr konzentriert sie die vorhandenen personellen und sachlichen Ressourcen vor dem Hintergrund dieser Beschlusslage bewusst auf die Umsetzung konkreter Verbesserungen der Rahmenbedingungen in Ausbildung und Beruf von Pflegekräften (Ausbildungsumlage, Akademisierung, Pflegereform). 4. Welche Stellungnahmen liegen der Landesregierung für oder gegen die Einrich- tung einer Pflegekammer vor? Der Landesregierung liegen die Stellungnahmen vor, die im Rahmen der Plenardebatte in der 14. Wahlperiode seitens der Sachverständigen gegenüber dem Landtag abgegeben wurden. Dazu gehören neben dem Pflegerat NRW und dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) u.a. die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes NRW, die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände. Der Pflegerat NRW setzt sich in Schreiben an die Landesregierung und in Pressemitteilungen regelmäßig für die Einrichtung einer Pflegekammer ein. Außerdem gibt es vereinzelte ablehnende und befürwortende Zuschriften von Pflegekräften. 5. Plant die Landesregierung andere Maßnahmen zur Entwicklung von geeigneten Vertretungs- und Organisationsformen für Pflegeberufe? Qualifizierte und motivierte Pflegekräfte sind für eine gute Betreuung und Versorgung im Gesundheits- und Pflegebereich unverzichtbar. Eine erfolgreiche und vom Menschen ausgehende Gesundheits- und Pflegepolitik muss daher auch die beruflich Pflegenden und ihre Interessen in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen. Die Landesregierung stellt dies bei ihren Maßnahmen sicher und steht hierzu im ständigen Dialog mit den Berufsverbänden und Gewerkschaften. Zudem suchen die Mitglieder der Landesregierung immer wieder den direkten Kontakt zu Auszubildenden und ausgebildeten Pflegekräften, um ihre konkrete Lebensund Arbeitssituation in die Arbeit der Landesregierung einbringen zu können. Im Rahmen von transparenten und partizipativen Entscheidungsprozessen beteiligt die Landesregierung die Interessenvertretungen der Pflegenden regelmäßig im Vorfeld von grundlegenden Entscheidungen sowie bei Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren in Arbeitsgruppen bzw. Fachgesprächen. Daneben sieht der § 3 Absatz 2 des Entwurfs des Alten- und Pflegegesetzes NordrheinWestfalen (Artikel 1 des Gesetzes zur Entwicklung und Stärkung einer demographiefesten, teilhabeorientierten Infrastruktur und zur Weiterentwicklung und Sicherung der Qualität von Wohn- und Betreuungsangeboten für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen, Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen (GEPA NRW)) vor, dass dem zur Beratung der Landesregierung in Fragen der Alten- und Pflegepolitik zu bildenden Landesausschuss Alter und Pflege ausdrücklich auch Interessenvertretungen der Beschäftigten angehören sollen. Der Entwurf der Ausführungsverordnung zum Alten- und Pflegegesetz, zu dem die Verbändeanhörung am 04. Februar 2014 eingeleitet worden ist (Lt-Drs. 16/1636), setzt dies in § 28 um, in dem er vorsieht, dass sich dieses Gremium unter anderem aus je einem Mitglied „je LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5345 4 Landesverband der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Belange im Sinne des Altenund Pflegegesetzes Nordrhein-Westfalen“ und auch „je Gewerkschaft, in der in der Pflege oder Betreuung älterer Menschen tätige Personen organisiert sind“ zusammensetzt. Dies stellt gegenüber der bisher gültigen Verordnung über den Landespflegeausschuss nach dem Pflege-Versicherungsgesetz (Landespflegeausschuss-Verordnung - LPfAusVO) eine erhebliche Erweiterung der Einbindung der Interessenvertretungen der Pflegenden in die Beratung der Landesregierung dar. Eine darüber hinausgehende aktive Einflussnahme auf die (Selbst-) Organisation der originären berufspolitischen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung fällt hingegen nicht in den Kompetenzbereich der Landesregierung. Insoweit ist eine organisatorische Unabhängigkeit ja gerade auch Kernbestandteil der – durchaus auch im kritischen Dialog mit der Exekutive stehenden – Strukturen der Interessenvertretung. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die berufspolitische Vertretung der Pflegenden auch nicht Aufgabe einer Pflegekammer wäre . Aufgabe einer Kammer ist die Selbstverwaltung des Berufsstands (Förderung und Überwachung der Fort- und Weiterbildung, Qualitätssicherung, Datenerhebung, etc.).