LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5348 21.03.2014 Datum des Originals: 21.03.2014/Ausgegeben: 26.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2067 vom 11. Februar 2014 der Abgeordneten André Kuper und Ralf Nettelstroth CDU Drucksache 16/5143 Sachlage bezüglich der Beurteilung der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen Der Minister für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage 2067 mit Schreiben vom 21. März 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen nimmt zu. Hierbei steht einer Gewinnaussicht immer auch das Verlustrisiko bis zur Totalabschreibung der Investition gegenüber. In Nordrhein -Westfalen ist die Frage der Zulässigkeit der wirtschaftlichen, bzw. energiewirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden in den §§ 107 und 107 a GO geregelt. Im Rahmen des Gemeindewirtschaftsrechts kommt der zuständigen Kommunalaufsicht die Aufgabe zu, unter Beachtung der materiellen Anforderungen der Angemessenheitsklausel die wirtschaftliche Betätigung für Gemeinden in schwieriger Haushaltslage nicht nur auf offensichtliche Mängel, sondern in vollem Umfang nachzuprüfen. Die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen ist daher rechtmäßig, wenn sie der Angemessenheitsklausel des § 107 a GO entspricht, sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Damit sollen mögliche Risiken aus der wirtschaftlichen Betätigung für die Gemeinde begrenzt werden. Das Gutachten von Prof. Dr. Oebbecke untersucht die Beteiligung von Städten „in schwieriger Finanzlage“ an Energieunternehmen am Beispiel des Steag-Deals. Das Gutachten zeigt auf, das die Komplettübernahme des restlichen Steag-Anteils durch das Stadtwerke-Konsortium von 49 % „nicht in einem angemessenen Verhältnis“ zur finanziellen Leistungsfähigkeit der Städte stehen würde und unvereinbar mit dem Gemeindewirtschaftsrecht sei. Die Kommunalaufsicht hat im Einzelfall die Möglichkeit, gerade bei HSK- und Stärkungspaktgemeinden (wie beim Steag-Deal), die beabsichtigte wirtschaftliche Betätigung zu unter- LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5348 2 sagen. Gemeinden, welche die Hilfe des Landes oder gar anderer Kommunen in Anspruch nehmen, würden hier Verluste erwirtschaften, die andere Gemeinden und das Land mit zu bezahlen hätten. Sie muss ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und sicherstellen, dass etwaige Risiken allein von der Gemeinde zu tragen sind, welche die wirtschaftliche Betätigung aufnehmen möchte. Vorbemerkung der Landesregierung Zu dem in der Kleinen Anfrage zitierten „Oebbecke-Gutachten“ (LT-Information 16/134) wurde von den Fraktionen von CDU und FDP mit Datum vom 28.10.2013 unter Stellung von acht konkreten Fragen ein Bericht der Landesregierung erbeten. Dieser Bericht wurde von der Landesregierung mit Datum vom 20.11.2013 an die Präsidentin des Landtags übersandt. Hierin wurde zunächst festgestellt, dass es sich bei dem Rechtsgutachten um eine seriöse wissenschaftliche Ausarbeitung handele. Allerdings verlange der Respekt vor der wissenschaftlichen Leistung des Autors nicht, sich die darin bezogenen Standpunkte in vollem Umfang zu Eigen zu machen. Zur Frage der Leistungsfähigkeit wurde in dem Bericht der Landesregierung Folgendes erläutert : „Ziel des seit Langem in den gemeindewirtschaftsrechtlichen Vorschriften verankerten Kriteriums der Leistungsfähigkeit “ist in erster Linie der Schutz der Gemeindefinanzen; denn die Orientierung an der Leistungsfähigkeit soll die Gemeinde vor einer Überforderung ihrer Verwaltungs - und Finanzkraft schützen“ (OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 17.02.2011 - 2 L 126/09, Juris, Rdnr. 37). Diese Schutzfunktion bezieht sich auf den Kernhaushalt, so wie auch zahlreiche andere gemeindewirtschaftsrechtliche Vorschriften dem Schutz des Kernhaushalts dienen. Zu nennen sind hier beispielsweise die Vorschriften des § 108 Absatz 1 Satz 1 Nummern 3, 4 und 5 GO NRW. Der hier angenommene Bezug des Kriteriums der Leistungsfähigkeit auf den Schutz des Kernhaushalts spiegelt sich auch in den Vorschriften des 8. Teils der GO NRW über die Haushaltswirtschaft und den Regelungen des Stärkungspakts wider, die sich grundsätzlich gleichfalls auf den Kernhaushalt beziehen. Der Schutzzweck der Norm - Schutz vor Überforderung der gemeindlichen Verwaltungs- und Finanzkraft - verlangt nach einer Differenzierung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen. Beim Eingehen von unmittelbaren Beteiligungen fließt Liquidität aus dem Kernhaushalt ab, die dann der Gemeinde nicht mehr für die Finanzierung ihrer Kernaufgaben zur Verfügung steht. Im Gegensatz zu unmittelbaren Beteiligungen ist der Kernhaushalt bei mittelbaren Beteiligungen unmittelbar in aller Regel nicht betroffen; die erforderliche Liquidität wird regelmäßig durch das gründende kommunale Unternehmen erbracht, bilanziell ist dieser Vorgang für den Kernhaushalt neutral. Schon deshalb darf in einem kommunalaufsichtlichen Verfahren der Grad der Ausgliederung nicht außer Betracht bleiben. Dass eine wirtschaftliche bzw. energiewirtschaftliche Betätigung mit Chancen und Risiken verbunden ist, nimmt auch der Gesetzgeber an. So sehen die Regelungen des § 107 a Abs. 4 und § 107 Abs. 5 GO NRW vor, den Rat „über die Chancen und Risiken des beabsichtigten wirtschaftlichen Engagements“ zu unterrichten. Das Kriterium der “Leistungsfähigkeit“ gilt nicht nur einmalig bei der Gründung eines kommunalen Unternehmens, es ist vielmehr dauerhaft zu überprüfen, ob (bestehende) Beteiligungen zu einer Überforderung der Gemeinde führen können. Nach Einschätzung der Landesregierung lässt sich daraus jedoch nicht der Rechtssatz ableiten , dass eine Gemeinde, die in eine schwierige Haushaltslage gerät, sich nunmehr jeglicher LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5348 3 wirtschaftlichen Betätigung enthalten müsse, weil solche Betätigungen ja stets auch risikoreich seien und daher eventuell bisherige Gewinnabführungen mittelbarer Beteiligungen an den Kernhaushalt negativ beeinflusst werden könnten. Die bloße Möglichkeit einer Reduzierung von Gewinnabführungen oder Erhöhung von Beiträgen zur Fehlbedarfsdeckung reicht insoweit nicht aus; vielmehr müssen diese Auswirkungen auf den Kernhaushalt hinreichend konkret und belastbar feststehen, um einen kommunalaufsichtlichen Eingriff in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht zu rechtfertigen. Nach Auffassung der Landesregierung können kommunalaufsichtliche Entscheidungen nicht auf Prognosen gestützt werden, die lediglich gemeindliche Prognosen ersetzen, ohne dass diesen die Fehlerhaftigkeit gleichsam auf die Stirn geschrieben ist. Die Landesregierung respektiert kommunale Beurteilungsspielräume, solange diese umfassend und sorgfältig ausgefüllt werden.“ 1. Welche konkreten wirtschaftlichen, bzw. energiewirtschaftlichen Betätigung wurden nach §§ 107 und 107a GO seit dem Jahr 2000 angezeigt (bitte kommunalscharf )? 2. Wie viele Fälle sind in den Vergleichszeiträumen 2000-2005, 2006-2010, 2011- heute in den fünf Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster angezeigt worden? 3. Wie viele Fälle wurden seitens der Rechtskontrolle bemängelt? 4. In welchen Fällen wurde die Genehmigung für wirtschaftliche Betätigung auf ausländischen Märkten im Sinne des § 107 Absatz 3 und § 107 a Absatz 3 seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts erteilt? 5. In welchen Fällen wurde die Genehmigung für wirtschaftliche Betätigung auf ausländischen Märkten gemäß § 107 Absatz 3 und § 107 a Absatz 3 GO NRW seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts nicht erteilt? Der Landesregierung stehen keine Auflistungen zu den bei den jeweils zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden erfolgten Anzeige - und Genehmigungsverfahren zur Verfügung.