LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 16. Wahlperiode Drucksache 16/5359 24.03.2014 Datum des Originals: 21.03.2014/Ausgegeben: 27.03.2014 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884 - 2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 2064 vom 22. Februar 2014 des Abgeordneten Ralf Witzel FDP Drucksache 16/5140 Umgang der Finanzverwaltung mit Steuerschuldnern in Nordrhein-Westfalen – Wie hat sich die praktische Anwendung von Kontopfändungen, Konfiszierungen von Sachwerten und deren Versteigerungen durch Steuerbehörden zuletzt entwickelt? Der Finanzminister hat die Kleine Anfrage2064 mit Schreiben vom 21. März 2014 namens der Landesregierung beantwortet. Vorbemerkung der Kleinen Anfrage Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen können über Steuerschulden verfügen, die ausgehend von jeder Steuerart entstehen können – bei Unternehmen beispielsweise aus der Umsatzsteuer, bei Privatpersonen kann es sich auch um die Kfz-Steuer handeln. Bei den Forderungen dürfte es sich sowohl um Einmalzahlungen als auch um regelmäßige finanzielle Forderungen durch die Finanzämter drehen. Steuerschulden unterliegen im Vergleich zu anderen Schuldensachverhalten speziellen Regelungen und werden wesentlich strenger behandelt, da öffentliche Interessen ganz unmittelbar tangiert sind. In § 249 Abs. 1 und 2 Abgabenordnung ist geregelt, dass Finanzbehörden Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken können. Dies gilt für Steueranmeldungen ebenso (§ 168 AO). Vollstreckungsbehörden sind die Finanzämter und die Hauptzollämter. Zur Vorbereitung einer Vollstreckung können die Finanzbehörden die Vermögenssituation und Einkommensverhältnisse des Vollstreckungsschuldners ermitteln. Die Finanzbehörde darf dabei ihr bekannte, nach § 30 geschützte Daten, die sie bei der Vollstreckung wegen Steuern oder steuerlicher Nebenleistungen verwenden darf, auch bei einer Vollstreckung wegen anderer Geldleistungen als Steuern und steuerlicher Nebenleistungen verwenden. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5359 2 Es ist also legal und auch keine Seltenheit, dass in Nordrhein-Westfalen Finanzämter als Maßnahme zur Vollstreckung einer Steuerforderung zur Kontopfändung greifen. Grundsätzlich gilt dabei, dass das Finanzamt vollstrecken kann, wenn die geschuldete Leistung fällig ist, der Vollstreckungsschuldner durch Leistungsgebot zur Zahlung aufgefordert worden ist, was regelmäßig auf dem die Steuerschuld festsetzenden Steuerbescheid geschieht und seit dieser Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist, ohne dass der säumige Steuerzahler wiederum darauf reagiert hat – durch Zahlung oder mindestens mit Kontaktaufnahme, beispielsweise zur Vereinbarung von Ratenzahlungen. Die Pfändung seines Bankkontos ist für jeden Steuerzahler eine beängstigende Vorstellung, zumal die Zugriffssperre auf Konten auch massive Auswirkungen auf sämtliche weitere vom Steuerschuldner zu begleichende Forderungen gegenüber anderen hat. Nicht selten ist die Kontopfändung jedoch auch Folge eines fehlerhaften Umgangs mit der Finanzverwaltung, die in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte verständlicherweise bemüht sein muss, säumige Zahlungen möglichst zeitnah „einzutreiben“, und dies auch unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel. Die Unkenntnis eines Steuerschuldners kann hier für ihn persönlich verheerende Auswirkungen nach sich ziehen. Dies gilt beispielsweise häufig dann, wenn der Steuerpflichtige Einspruch eingelegt hat und irrtümlich glaubt, damit eine aufschiebende Wirkung bezüglich der Zahlungsverpflichtung erreicht zu haben. Dabei gibt es für steuerliche Zahlungsansprüche des Staates keinen Suspensiveffekt. Dem Steuerzahler bleibt nur die Möglichkeit, im Rahmen des Einspruchsverfahrens zugleich eine Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Solange diese jedoch nicht gewährt worden ist, existiert die Gefahr einer Kontopfändung – insbesondere dann, wenn dem Steuerzahler eine schriftliche Androhung des Finanzamtes zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen zugeht. Üblicherweise konzentrieren sich die Finanzbehörden bei der Pfändung zunächst auf die Bankkonten, es kann jedoch auch zur Pfändung von unterschiedlichsten Wertgegenständen, wie etwa einem Fahrzeug, kommen. Seit dem 1. März 2008 haben die Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen außerdem die Möglichkeit, zum Einsatz von Radblockierschlössern zu greifen, die auch unter dem Begriff „Parkkrallen" bekannt sind. Es besteht außerdem die Möglichkeit, zusätzliche finanzielle Mittel durch die Versteigerung gepfändeter Artikel zu erzielen. Online-Versteigerungen sind für die Finanzbehörden über die Internetplattform www.zoll-auktion.de als sogenanntes virtuelles Auktionshaus von Bund, Ländern und Gemeinden oder über die Internetseite der Oberfinanzdirektion NordrheinWestfalen zu realisieren. Aktuell werden über die Online-Bieterverfahren der Zoll-Auktion Sachgegenstände der unterschiedlichsten Art und Wertigkeit angeboten, beispielsweise Konsumgüter wie 5 kg ganze Röstkaffeebohnen ebenso wie Mittelklassefahrzeuge. In der Kollektion von Antiquitäten über Pflegeprodukte, Lebensmittel und Werkzeuge bis hin zu Schmuck fehlt kaum ein Artikel. Es ist für das Landesparlament von Interesse zu erfahren, in welchem Maße in NordrheinWestfalen einerseits Steuerschulden in Ermangelung von Beitreibungsmöglichkeiten in den letzten Jahren untergegangen sind oder andererseits mit Pfändungen und Versteigerungen realisiert werden konnten. Vorbemerkung der Landesregierung Die Finanzbehörden sind nach der Abgabenordnung (AO) verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Sie sind berechtigt, ihre Forderungen im behördlichen Vollstreckungsverfahren durchzusetzen. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5359 3 Nach der bundeseinheitlichen Vollstreckungsanweisung sollen diejenigen Vollstreckungsmaßnahmen zur Beitreibung von Rückständen ergriffen werden, von denen nach den besonderen Umständen des Falles bei angemessener Berücksichtigung der Belange des Vollstreckungsschuldners am schnellsten und sichersten ein Erfolg zu erwarten ist, wie z.B. durch Gehaltspfändung oder Pfändung eines Bankkontos. Die spezielle und aufwendige Pfändung und Verwertung beweglicher Sachen erübrigt sich dann. Steuerpflichtige werden regelmäßig vor Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen durch Mahnung und Vollstreckungsankündigung auf die Folgen unterbliebener Steuerzahlungen wie z.B. Kontopfändung oder Pfändung durch Vollziehungsbeamte hingewiesen. Durch die Möglichkeit der Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos nach § 850k der Zivilprozessordnung haben die Steuerpflichtigen die Möglichkeit, über Kontoguthaben in Höhe der Pfändungsfreigrenze auch bei einer Kontopfändung zu verfügen. 1. Wie haben sich die Anzahl der Vollstreckungsmaßnahmen zur Beitreibung von Steuerschulden und die diesen zugrundeliegenden Beträge an Außenständen bei der Steuerzahlung jeweils jährlich in den letzten zehn Jahren für die einzelnen Steuerarten im Land Nordrhein-Westfalen entwickelt? (Angaben bitte in absoluten Zahlen sowie in Prozent der Steuerpflichtigen bzw. Steuereinnahmen) Anlage 1 zeigt die Anzahl der im jeweiligen Kalenderjahr zu bearbeitenden Vollstreckungsfälle für die Kalenderjahre 2010 bis 2013. Dem Finanzministerium liegen keine Erkenntnisse über die Anzahl der Fälle für die Kalenderjahre vor 2010 vor. Erkenntnisse über die Anzahl der von den Finanzämtern durchgeführten Vollstreckungsmaßnahmen sowie den diesen zugrundeliegenden Steuerforderungen liegen dem Finanzministerium ebenfalls nicht vor. Eine Übersicht über die zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres bestehenden Rückstände an Besitz- und Verkehrsteuern ist (aufgegliedert nach Steuerarten) der Anlage 2 zu entnehmen . 2. Wie viele Kontopfändungen sind jeweils jährlich in den letzten zehn Jahren sei- tens der nordrhein-westfälischen Finanzbehörden zum Zwecke der Eintreibung von unterlassenen Steuerzahlungen erwirkt worden? Eine Statistik über Kontopfändungen wird nicht geführt. 3. Wie viele Pfändungen anderer Wertgegenstände sind jeweils jährlich in den letz- ten zehn Jahren seitens der nordrhein-westfälischen Finanzbehörden zum Zwecke der Eintreibung von unterlassenen Steuerzahlungen erwirkt worden? (bitte unter Angabe der Anzahl von Pfändungsfällen sowie der Zahl gepfändeter Gegenstände ) Eine Statistik über Pfändungen beweglichen Vermögens wird nicht geführt. LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN - 16. Wahlperiode Drucksache 16/5359 4 4. Welche Informationen zu Fallzahlen von und Erträgen mittels Versteigerungen sächlicher Wertgegenstände durch die Auktionen der OFD/OFDs des Landes sowie der virtuellen Zollauktion des BMF mit Bezug zu nordrhein-westfälischen Steuersachverhalten liegen dem Finanzminister jeweils jährlich für die letzten zehn Jahre vor bzw. sind ermittelbar für diesen? Eine Statistik liegt auch hierzu nicht vor. 5. Wie haben sich im Zeitraum der letzten zehn Jahre jeweils jährlich sowohl die erzielten Einnahmen durch zuvor genannte Maßnahmen der Vollstreckung gegen Steuerschuldner als auch die Ausfälle an Steuereinnahmen durch unterbliebene oder (bezogen auf die Gesamtforderung teilweise) erfolglose Beitreibungsversuche jeweils in absoluten Zahlen sowie prozentual an den eigentlichen noch offenen steuerlichen Ansprüchen bzw. dem fiskalischen Gesamtaufkommen entwickelt ? Die Entwicklung des Kassenaufkommens der letzten zehn Jahre sowie die davon durch Drittschuldnerzahlungen aufgrund von Forderungspfändungen verbuchten Tilgungen und ferner die Höhe der Niederschlagungen sind der Anlage 3 zu entnehmen. Das Aufkommen aus anderen Arten der Pfändung wird nicht erfasst. Nach § 261 AO dürfen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis niedergeschlagen werden , wenn feststeht, dass die Einziehung keinen Erfolg haben wird, oder wenn die Kosten der Einziehung außer Verhältnis zu dem Betrag stehen. Eine Zuordnung der Drittschuldnerzahlungen zu einzelnen Arten von Forderungspfändungen ist nicht möglich. Kleine Anfrage 2064 vom 24.02.2014 Anlage 1 I .. ... j .... .. i ... I '. ".:':. "I ~ '. :2O"lfO 1.523.672 1. ~ .~;i.. " ':]~:~-'~ ~ä~ 1.455.093 -'---·'~l 2012 1.384.212 -- - -.) ,. - 20ti 1.389.980 Summen der Rückstandsfälle in NRW Finanzministerium NRW S 0091- 001- VA3 Kleine Anfrage 2064 vom 24.02.2014 Anlage 2 Übersicht der Rückstände an Besitz- und Verkehrsteuern in NRW Finanzministerium NRW S 0091- 001- VA3 '5teyerart Stand der Höhe der echten 'RÜCkstände '~hBt!S~~" und V~rkehrsteüern:j~Wen~illm31.12. inT € Lohnsteuer v~ranJ~gte Eink~mme,,~euer Körperschaftsteuer Umsatzsteuer nicht veranJ. Steuern vom Ertra~ Zinsabschlag Versicherungsteuer Grunderwerbsteuer Erbschaftsteuer Kraftfahrzeugsteuer Solidaritätszuschlag übrige Besitz- und Verkehrsteuern Summe 2005 20062007 :20Q8~009 ':~0102011 2013 77.419 44.783 61.872 50.580 53.222 40.759 32.245 39.386 35.372 40.849 461.334 428.410 387.636 430.487 415.683 406.928 395.589 357.772 430.356 361.049 108.852 68.006 88.849 109.585 153.427 52.167 55.632 31.234 40.021 49.707 469.816 473.925 368.790 379.226 395.172 359.163 621.279 360.527 408.394 392.722 12.356 4.342 3.972 4.825 9.113 7.001 4.383 4.920 6.310 5.050 o o 41 o 1.568 7.124 1.081 3.470 511 23.347 26 3 5 o 43 7 o 25.189 27.868 30.490 28.495 24.613 16.349 17.343 28.488 25.120 17.521 24.062 13.016 15.043 41.712 22.729 17.908 36.779 30.737 18.949 18.062 32.554 36.416 19.950 17.500 14.745 13.165 11.042 9.449 9.799 11.641 34.846 29.744 2.887 3.388 34.783 27.716 27.197 23.320 27.328 1.587 7.190 5.028 30.060 32.059 2.142 8.937 1.507 7.886 7.650 25.472 1.253.644 1.131.541 1.009.595 1.097.857 1.127.240 957.224 1.204.077 897.189 1.009.810 947.007 Kleine Anfrage 2064 vom 24.02.2014 Anlage 3 Übersicht über Kassen-Ist und -Soll sowie Tilgungen und Niederschlagungen in NRW Finanzministerium NRW 50091- 001- VA3 - ~ .. -.. - . - ; . Kal~nd~l7jiiJlr' ,Ka~senmäßige$. : Kas_sensplJ TiI~!JI1~\dur:qb . '. Atifkpmmeh.' t":Ufkpmtnen ,O'r:ttt$ghY.l~n'fi!~IiI!Jngen . 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 ., 91,.Q1. - 31.12~. :: ~h,.Stu~dl,li1geh, (ohn:e'f:tlgyng~n tUr' . , , ~rla$se und Kfr!i1lst.tc~tij* : Nifi!derschlagungen) O~Ql. ~31"lZ. inT€ .. in T€ zum 31.12. in T € inv.H. zum Kasse nso 11 92.538.874 98.197.320 305.117 0,31 94.761.587 100.337.186 317.216 0,32 98.933.149 104.549.223 343.667 0,33 109.422.827 114.683.570 363.345 0,32 114.074.443 118.954.158 406.194 0,34 110.091.379 115.413.618 420.236 0,36 102.733.620 107.300.655 427.036 0,40 109.553.781 114.304.204 460.589 0,40 110.345.868 115.242.006 496.016 0,43 115.733.686 120.390.244 538.778 0,45 *Kraft5t = Kraftfahrzeugsteuer *lKU = landwirtschaftskammerumlage In der Zeit vom 01.01. - 31.lZ'. .' wutden niederg~ctili.lt~h .. Qlm~esdur~hs~hniit der Niederschlagungeo , davon inT-€ inv.H. . Ins"lvenz- in v.H. z~m pie~er- zum BundeskassenKas .sensoll schlagungen soll 1.216.512 1,24 - 1,53 1.283.816 1,28 867.294 1,41 1.684.709 1,61 1.135.555 1,37 760.910 0,66 288.352 0,95 766.049 0,64 395.191 0,95 1.592.763 1,38 1.320.919 1,29 654.253 0,61 321.090 1,12 975.073 0,85 420.645 1,16 832.884 0,72 465.557 0,95 712.493 0,59 376.918 noch nicht bekannt